Postproduktion

Gab`s neben dem Ton besondere Herausforderungen in der Postproduktion mit Hinblick auf die Canon EOS 7D ?



Ja, definitiv. Zunächst muss das gesamte Material dekodiert werden: 1.5 TB sind eine ganze Menge. Es muss komplett gesichtet, in seiner Qualität eingeschätzt werden. Nachts dekodiert der Rechner, am Tag wird geschnitten und dann geht das Ganze von neuem los. So werden dann aus 1.5 TB irgendwas um die 3 (?) TB am Avid. Und dann ist die große Herausforderung die Kompression der Canon. Du hast Limitierungen im Kontrastumfang - sie macht sehr schnell oben zu. Du bist ganz schnell bei einem Weißwert von 100. Ganz schnell sieht etwas wirklich schlimm aus (lacht), ganz schnell sieht etwas wirklich dunkel aus, wo gar nichts mehr ist. Du musst also ziemlich genau belichtet haben. Wenn man das nicht getan hat, hat man einen Arsch voll Arbeit.



Zu Teil hast du Bending im Bild (Farbverlaufstreppen aufgrund der Komprimierung in H264), was du versuchst, nachher zu eliminieren. Und dann kommt die Farbgestaltung: Dem Film einen Look geben. Gar nicht mal so sehr das Thema Colorcorrection, das Angleichen der Bilder ist eh die Vorstufe, sondern wie kann ich einen Look definieren, wo sind die Stärken der Kamera, die ich herausarbeiten kann. Bei einer Szene mussten wir bsp. Treppchenenbildung auf einem sehr hochwertigen Farbsystem so ausmaskieren, dass das Bild komplett neu berechnet wurde, mit 10Bit-Farbübergängen. So dass du beim Betrachten, auch wenn es nur ein paar Sekunden sind, nicht das Gefühl hast, da ist was in einer schlechteren Qualität. Das Material der Canon ist insgesamt recht brüchig. Man darf es nicht zu sehr in eine gewisse Richtung zwingen. Dann kollabieren einem die ganzen Farbkanäle. Kein über die Stränge schlagen in diesem Film – aber das war vom Look her auch gar nicht gewollt. Edle, zurückgenommene Farben und Lichter wie in einem 70er Jahre Spielfilm.



Hattet ihr, um etwas mehr Spielraum in der Post zu haben, die Canon runtergeregelt (bsp. Schärfe. Kontrast)



Ja. den Kontrast komplett runter , die Schärfe minus 3 Steps und die Saturation etwas minimiert. Vom Gefühl her ist der „normale“ Kontrast bei der Canon schon 100% zu hoch. Ansonsten im Neutral-Setting – wir haben keine speziellen Bildprofile angelegt. Ich wollte nicht so sehr an den von Canon vorgegeben Kurven rumspielen. Da wird sich Canon schon einige Gedanken gemacht haben, weil sie die Limitierungen der Kamera selbst am besten kennen.



Rückblickend: Mit den Erfahrungen die du jetzt beim DSLR-Dreh gesammelt hast ? Würdest Du wieder zur DSLR greifen, gibt es neue DSLR-Projekte am Horizont oder einmal und nie wieder?



Unbedingt! Sagen wir mal so: Es hat soviel Mühe gemacht, aus diesem kleinen Teil ein schickes Bild herauszuholen, dass es schade wäre, die gewonnenen Erfahrungen nicht weiter zu nutzen. Ich hab den Eindruck gewonnen: Wenn man komplexe Themen hat und weiss wie man mit der Canon umzugehen hat, ist sie die absolut erste Wahl. Man trifft mit dieser Kamera bereits alle Entscheidungen während des Drehs. Es ist wie der gute alte 16 oder 35mm Analog-Film. No risk, no fun. Das bewahrt dich vor Rumgeeiere später. Was unscharf ist, ist unscharf - du kannst es dann einfach nicht gebrauchen. Was du per selektiver Schärfe rausgepickt hast aus einer Gruppe von Menschen: Das ist derjenige den du verfolgst, das ist das Bild-Interesse was du hast – diesen Fokus wirst du nicht mehr verändern können. Damit entscheidest du dich für eine Art von Filmsprache, für eine Art von Gedanken. Das entscheidet einen Film.



Der DSLR-Dreh hat also einen riesen Vorteil wenn du weisst was du machst und er hat einen riesen Nachteil, wenn du ersteinmal schaust, was du machen willst. Dann schwimmst du mit diesem Teil. Und zwar gewaltig!



Jedes Projekt, was einen die Möglichkeit gibt, einen hochkomplexen Bereich zu drehen, würde ich mit dieser Kamera jederzeit wieder machen. Sie erlaubt dir Prozesse zu dechiffrieren in ihren Bedeutungs- und Hierarchie-Ebenen. Hinzu kommt, dass viele Leute noch nicht wissen, dass sie halt auch filmt. Viele halten dich für bescheuert, weil du nicht auf den Auslöser drückst. Du drehst damit Situationen, wo die Leute nicht wissen, dass sie gefilmt werden. Du hast die Chance ein beobachtendes Auge zu sein, ohne die Situation zu verfälschen. Selbst mit kleinem Drehteam bist du bei größeren Kameras immer die „vierte Wand“ - mit der DSLR wirkst du einfach nicht gefährlich – das ermöglicht dir Aufnahmen einzufangen, die du ansonsten nie erhalten würdest.



Schließlich triffts du mit dieser Kamera auch eine Entscheidung welche Philosophie das Team prägt.Du brauchst einen Workflow mit der Kamera der filmisch ist, nicht Video-mäßig. Am besten mit Leuten, die vom Film her kommen und nicht vom EB-Video. Du gehst mit der Kamera zurück zum Film und das ist wunderbar.



Worauf habt ihr geschnitten ?



Auf Avid MC. Zuerst auf dem 4er und später auf der Symphony 5, auf PC-Basis. Das war ne reine Cutter-Entscheidung. Der Cutter stand bei diesem Projekt von Anfang an fest und der war nach eigenen Aussagen schneller auf Avid als auf Final Cut.



Welchen Schnittcodec hat ihr genutzt ?



DNxHD 185



Worauf habt ihr die Farbkorrektur gemacht ?



Baselight. Eine sehr hochwertige Farbkorrektur im Filmbereich.



Mit zuvoriger Einzelbildausspielung ?





Ja genau. Das Material wurde in Einzebildsequenzen ausgespielt und dann in Baselight geladen. Farb- und Lichtbestimmt und final gerendert, dann wieder als Einzelbid in den Avid zurückgeführt.



EOS 7D Shot ohne Farbkorrektur
EOS 7D Shot ohne Farbkorrektur


EOS 7D Shot nach Farbkorrektur
EOS 7D Shot nach Farbkorrektur


Minimales Drehteam warst nur Du an der Kamera – das maximale Drehteam an der DSLR sah wie aus ?



Das war unterschiedlich gestaffelt: Dreh alleine: Der totale Wahnsinn mit nur mir an der Kamera im Chaos eines Notfalls. Dreh zu zweit: der regulierte Wahnsinn mit Tonfrau oder Tonmann. Dann etwas mehr Aufwand mit Assistentin oder Aufnahmeleitung vor Ort, die dir die Abläufe organisiert, dass dir die Patienten, die Untersuchung nicht weglaufen. Die Anfangsformation war wie gesagt zu viert mit Kamramann noch an der großen Sony. Die maximale Ausdehnung bei den Kerninterviews mit Beautyshots, Canon auf einem Glidetrack, Sony auf nem Dolly, Tonmann, Lichtmann, Aufnahmeleitung, Assistentin etc. - also so zu sechst. Aber das war nur für 4 Tage der Fall gewesen.



Die creeping Zooms in die Gesichter der Protagonisten – wie habt ihr die umgesetzt ?



Das waren technische Zooms im Schnitt via Ausschnittsvergrößerung. Die Ranfahrten an die Ärzte z.B im Vorspann, die Bewegung in den Gängen war die Canon EOS 7D montiert auf einem selbstgebastelten Glidetrack. Du brauchst ja dafür meistens nur wenig Weg. Du denkst zuerst, das hättest du gerne mit einem Dolly gemacht und siehst dann, du brauchst nur zwei Sekunden. Den Weg hast du kontrollierter mit so einem System.



Ein Schwebestativ habt ihr nicht genutzt ?



Nein, eine gute Atmung ersetzt dein Schwebestativ (lacht). Nein wirklich, du lernst mit dieser Kamera atmen. Eine Mischung aus Tai Chi für die geführte Kamerabewegung und Kamera-ZEN für die Atmung, damit das ganze wirklch ruhig bleibt. In den besten Momenten sieht es dann wie von einer Steadicam aus ... weniger ist bei solchen Drehs einfach mehr. Damit landest du dann bei einem Guerilla-Dreh anno 1968 mit der Atmung eines tibetanischen Mönchs.



Vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg weiterhin




Die Sendetermine sind am:



19. September, 22:40 Uhr auf arte


/ Erstausstrahlung unter dem Titel „Die Chefärzte der Charité“ /



sowie voraussichtlich:



Mo,11.10.10, 21:00 Uhr, ARD Teil 1
Mo,18.10.10, 21:00 Uhr, ARD Teil 2


/ Unter dem Titel „Meine letzte Hoffnung – Chefärzte der Charité“ /




Regisseur und Kameramann Yousif Al-Chalabi
Regisseur und Kameramann Yousif Al-Chalabi


Aus dem Theater- und Opernbereich kommend, hat der Berliner Autodidakt in vielen anderen Kreativ-Bereichen als Werbe-, Krimi- und Comic-Autor, sowie als Regisseur für Image- und Werbefilme gearbeitet, sowie zahlreiche Formate im Privatfernsehen bedient.







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