Fordernde Szenen im Drehbuch

Dass der nun auf mich zukommende Fall nicht weich sein würde, war mir spätestens klar, als ich das restliche Drehbuch und damit meine anderen Szenen zu lesen bekam, zwei Tage vor Dreh. Da blieb es nicht bei dem bereits probierten Krach, nein, es kam eine deutlich delikatere Szene hinzu. Ich sollte spielen, wie ich meine Ehefrau nachts, nachdem ich betrunken nach Hause komme und mir bei einer anderen, mit der ich gerne ins Bett gegangen wäre, offensichtlich eine Abfuhr eingehandelt hatte, gegen ihren Willen zum Sex nötige. Puh. Really? I mean are you serious?



Am Set wurde natürlich Englisch gesprochen. Außer der Hauptdarstellerin, „unserem" Kind, der Wohnungsbesitzerin, die uns bei sich drehen ließ, und mir waren alle aus dem Team vom ganzen Globus: USA, HongKong, Südafrika, Frankreich, England, Spanien, Italien, Türkei, Australien, Finnland, kein Scherz.



He was serious. Nun gut. Wie bereitet man sich auf so eine Szene vor, wenn die gefragte Handlung nicht zum eigenen Erfahrungshorizont gehört? Wie kann ich mich in die Motivation eines Mannes hineinversetzen, der ohne Rücksicht auf Verluste seine eigene Frau gegen ihren Willen als Sexobjekt missbraucht?



Glücklicherweise sollte diese Szene erst ganz zum Schluss gedreht werden, am Ende des zweiten Tages. Ich hatte also ein bisschen Zeit, Erfahrungen zu sammeln, vor der Kamera. Aber auch das war schon eine Herausforderung. Da ich so vertraut war mit allen Abläufen hinter der Kamera, Auflösung, Kamera einrichten, Lichtaufbau, Ton, fühlte ich mich eigentlich wie zum Team gehörig.



Foto Claudia Kantner
Foto Claudia Kantner


Allerdings änderte sich das schlagartig, als die erste Szene gedreht werden sollte. Es gab für mich jetzt keine andere Aufgabe mehr, als den Ehemann zu verkörpern, der morgens zur Arbeit geht und seiner Frau erklären muss, dass er nicht wie verabredet abends auf den Sohn aufpassen könne, denn er hätte eine Telefonkonferenz. Morgendliches Chaos, die Mama im Bad, der Sohn bettelt um Pfannkuchen, der Vater, also ich, ist spät dran, bindet sich die Schuhe, den Schlips und muss meiner Frau mit Charme mein offenbar zum wiederholten Male vorkommendes Vergessen meiner familiären Pflichten verkaufen. Die Szene lief ganz gut. Der Junge, war lustig und es hat Spaß gemacht, diese kleine Familie zu impersonalisieren.




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