Mittlerweile sollte jedem klar sein, dass mit der Videofunktion von DSLRs ein völlig neues Kapitel in der Technikgeschichte des digitalen Videos geschrieben wird - es ist dies eine der wenigen Gelegenheiten, bei der tatsächlich von revolutionären Neuerungen gesprochen werden darf. Nikons D90 stellt die erste DSLR mit HD-Video-Funktion dar - mittlerweile, und vielleicht auch etwas mit Zugzwang, gefolgt von der Canon 5D MKII. Wir hatten nun Gelegenheit, die Nikon D90 genauer zu erkunden und viel Freude aber auch etwas Frust mit Ihr gehabt …

Handling / Allgemein
Die Nikon D90 ist im Vergleich zu älteren Nikon-DSLRs wie beispielsweise die Nikon D70 eine recht kompakte DSLR. Nikon ist hiermit dem allgemeinen Trend zu Verkleinerung gefolgt, ohne diesen jedoch auf absurde Schrumpfmasse zu bringen. Paradoxer Weise stellen die Nikon Prosumer-DLRS im Vergleich zu anderen Herstellern immer noch die größeren Gehäuse dar: sehr löblich! Eine DSLR muss gut und satt in der Hand liegen - ansonsten lieber zur Sucher- oder Kompaktkamera greifen. Mit ihren Abmessungen von 103 × 132 × 77 mm (H x B x T) bei einem Gewicht von 620 g ohne Akku sollte die Nikon D90 in die meisten Hände passen. Für jemand, der von der Nikon D70 her kommt einerseits erfreulich, dass sich die meisten Bedienungselemente schnell erschließen ( dazu später mehr) - Gewöhnung bedarf jedoch das kleinere Baumaß der Kamera: Zum Vergleich: Die D70 liegt bei 111x140x78 (H x B x T) und 600 g ohne Akku. Die D300 bei 114 x 147 x 74 mm und die D700 bei 123 x 147 x 77 mm. Für jemanden mit großen Händen fühlen sich die aktuellen D300, D700 und D3 Modelle eindeutig "passender" an (oder halt die alte D70).

Für kleine bis mittlere Hände dürfte die Ergonomie der Nikon D90 nahezu perfekt sein. Der Body besteht aus Kunststoff und bringt damit ein sehr viel geringeres Gewicht mit als die Magnesium-Legierungen, die ab der D300 eingesetzt werden. Dies hat Vor- und Nachteile: In Sachen Transport schleppt man mit der D90 merklich weniger mit sich herum, als bei Nikons Pro-DSLRs - wer jedoch, wie wir, ein satteres Handgefühl bevorzugt, fühlt sich bei den schwereren Pro-Gehäusen merklich besser aufgehoben. Robust ist das Kunststoffgehäuse alle mal, auch wenn die Magnesium-Rahmen deutlich solider und damit höherwertiger rüberkommen. Auch in Sachen Schutz gegen Umwelteinflüsse zieht die D90 im Vergleich zu den Pro-Gehäusen den Kürzeren: Aufwendige Silikon-Dichtungen sucht man hier vergebens. Hierbei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die Pro-Gehäuse für sehr rauhe Behandlung ausgelegt sind. Unsere alte Nikon D70 war ohne Wetter-Schutz schon vielfach im Regen und funktioniert nach wie vor tadellos - bei der Nikon D90 erwarten wir nichts anderes.
Die Anordnung und Haptik der einzelnen Bedienelemente ist bei Nikon auf gewohnt hohem Niveau und auch bei der D90 perfekt gelungen. Der große Multifunktionswähler auf der Rückseite spricht akkurat und genau an - ganz gleich, ob man damit in die Tiefen des Menues abtaucht oder schnell einen anderen Autofokus-Meßpunkt aktivieren möchte.

Auch muss man den Daumen nicht, wie bei anderen Kameras, übermäßig nach unten spreizen, um an ihn heranzukommen. Als besonders gelungene Neuerung fiel uns die Info-Taste unterhalb des Sperrschalters für die Messfeldvorwahl auf, die bei immer mehr Nikon-Modellen Einzug hält. Durch einmaliges Drücken werden alle derzeit relevanten Einstellungen auf dem hinteren 3 Zoll Monitor gezeigt, durch nochmaliges Drücken kann man diese verändern ohne über das Menue gehen zu müssen - eine ziemlich geniale Shortcutfunktion um beispielsweise mal schnell die Anzahl der Aufnahmen bei Belichtungsreihen zu verändern oder -zig andere Werte direkt einzustellen ohne nervige Menue-Dudelei.

Insgesamt finden sich 37 veränderbare Einstellungswerte über die Info-Taste aufgelistet. Diese ist umso wichtiger, als sich eigentlich nur eine echte, frei belegbare Funktions-Taste (vorne links) an der Nikon D90 befindet - viel zu wenig, um die vielen individuellen Einstellmöglichkeiten bestmöglich umsetzen zu können (Bei den Pro-DSLRs sind mehr Funktionen auf externe Schalter gelegt - aber vielleicht sind wir hier auch von Prosmer-HD-Cams verwöhnt, wo mehrere frei belegbare Funktionstasten mittlerweile zum Standard gehören). Zwar lässt sich in bescheidenerem Umfang auch die AEL-Taste programmieren - entscheidend für eine komfortablere Videoaufnahme! s.u. - aber ausreichen tut dies nicht - bleibt die Info-Taste als bestmöglicher Kompromiss.
Der 3-Zoll Große TFT-Monitor au der Rückseite des Gehäuses bietet mit seinen ca. 920.000 Bildpunkten ein enorm scharfes Bild, das sich selbst zur Schärfebeurteilung von hochauflösenden Fotos heranziehen lässt, wenn man entsprechend weit in das Bild hineinzoomt. Für die Schärfebeurteilung von Videos (sprich: während der Aufnahme) gehört eine große Portion Erfahrung dazu, um die Schärfe auf einem solch kleinen Monitor zu "fühlen" - zumal die Nikon D90 keine AF-Option während der Aufnahme bietet. Hier mag ein nach außen geführtes HDMI-Signal helfen, auch wenn dieses unseren Eindrücken nach nicht das Videosignal 1:1 wiedergibt. Allein das größere Bild eines mobilen TFTs dürfe die manuelle Fokussierung deutlich vereinfachen. Ansonsten gilt frei nach dem Motto: Üben, Üben, Üben und sich so vielleicht die Sicherheit eines guten Fokuspullers antrainieren, von denen viele gar nicht mehr auf die Markierung ihrer Leichtschärfe-Scheibe schauen müssen, sondern nur noch auf das Motiv. Bewegte Schärfe an der D90 ist somit eindeutig ein Fall für Spezialisten - uns hat das manuelle Scharfstellen ziemlich gut gefallen - aber Vorsicht: das ist mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack - zudem auch noch stark vom verwandten Objektiv abhängig! Mehr zum Thema Scharfstellen und Objektivempfehlungen im DOF/Filmlook Kapitel.
DIe Frage nach dem besseren Layout-Konzept: Nikon oder Canon scheint uns ziemlich müssig zu sein. Der Erfahrung nach greift man zu dem, was man gewohnt ist - oder besser noch: was sich persönlich am besten in der Hand anfühlt. Vorhandenes Equipment in Form von Objektiven und Zubehör dürfte ebenfalls eine nicht unwichtige Rolle bei der Wahl des Kamerasystems spielen. Allerdings unterscheidet sich unsere Objektivempfehlung sehr vom Einsatz der Kamera als entweder HD-Video- oder Fotokamera. Entsprechend fällt es schwer, hier Empfehlungen auszusprechen. Ein Rat sei hier jedoch genannt, der sich genauso auf den Camcorder-Bereich bezieht: Es ist viel viel viel wichtiger, wie sich eine Kamera bedienen lässt, wie sich mit ihr Arbeiten lässt, sie "in die Hand passt" als ein Milli-Quentchen mehr Schärfe hier oder da. Wer sich also die Anschaffung von neuer Technik überlegt und dies gilt wie gesagt, sowohl für den Camsorder wie auch für den Fotografiebereich und somit auch für diese neuen Zwitter-Foto-Video-Cams: Bitte mindestens genau so viel Sorgfalt auf die Analyse des Bedienkonzepts / Ergonomie legen wie auf das Studium von Schärfe-Charts und Vergleichstabellen. Häufig geht das leider in der Flut der Informationen und Vergleichswerte verloren und am Ende wundert man sich, weshalb man mit der alten Billig-Kompakt-Knipse oder Camcorder bessere Bilder/Filme geschossen hat, als mit dem neuen, teuren Multi-Funktions-Bomber - aber wir schweifen ab. Bei der Nikon D90 kommt in Sachen Abwägung jedoch noch ein weiterer wichtiger Punkt hinzu: Was ist mir wichtiger: Größtmögliche Schärfe/Auflösung oder größtmögliche Kontrolle der Schärfentiefe? Behalten wir die Frage für einen Moment noch im Hinterkopf, bis wir zum Kapitel DOF/Filmlook, bzw. zum Fazit kommen.