Nicht erst mit dem Aufkommen der Tablets haben wir oft darüber sinniert, wie eigentlich bequemer Videoschnitt auf einem Touchbildschirm funktionieren könnte. Klar war dabei, dass sich die typische Timeline Metapher aktueller Schnittsysteme bei "Finger auf Scheibe" nicht sonderlich gut für eine 1:1 Umsetzung eignet. Allerdings konnte bis heute auch noch niemand einen alternativen Vorschlag präsentieren, wie man ein Tablet wirklich produktiv zum ernsthaften Schnitt benutzen könnte.
Das könnte sich nun mit Touch Edit ändern. Diese iOS-App, die in den nächsten Tagen für gemunkelte 50 US-Dollar im App-Store auftauchen soll, wurde von Dan Lebental (der unter anderem Blockbuster wie Iron Man 1 +2 oder Cowboys und Aliens geschnitten hat) mit 15 Programmierern entwickelt. Das interessante ist, dass er diese App in erster Linie für sich selbst haben wollte. Also als Erleichterung für seinen persönlichen Schnitt-Workflow. Und vielleicht gerade deswegen ist die Arbeitsweise auch kompromisslos an den klassischen analogen Filmschnitt angelehnt, wie er schon vor hundert Jahren mit Schere und Klebestreifen praktiziert wurde.
Die Oberfläche im Steam-Punk Design passt dabei gut zur Schnitt-Metapher alter Zelluloid-Schneidetische wie z.B. von Steenbeck.

Eine Spur stellt dabei den finale Film dar, die andere Spur zeigt das Rohmaterial. Geklebt wird mit virtuellem Tesa, die geschnitten Filmstücke können mit Wäscheklammern zur weiteren Verwendung aufgehängt werden. Super8-Schneider dürften diesen Workflow vielleicht auch noch kennen.
Ebenfalls anders: Die Art der Anwendung ändert sich, wenn man das Tablet um 90 Grad dreht. Während die horizontale Ausrichtung für den Filmschnitt bestimmt sind, wird der Audio-Mix im Portrait-Modus erstellt. Hierbei erscheint dann ein Achtspur-Mischpult unter dem Projekt-Track.
// Top-News auf einen Blick:
- Blackmagic DaVinci Resolve 20 Beta 2 bringt neue Funktionen und Bugfixes
- Blackmagic Camera for Android 2.1 bringt neue Features
- Neuer superschneller PoX Flash-Speicher könnte DRAM und SSDs ersetzen
- Achtung: Verpixelte Videos können wieder kenntlich gemacht werden
- KI-generierte Fake-Trailer: Wie Hollywood an der Irreführung der Zuschauer ...
- Beleuchtung für Foto und Video lernen mit kostenlosem Tool von Google
Material importieren (MP4 und h.264) kann man übrigens via iPad Video, iTunes Sharing oder Dropbox, wobei nur die letzteren beiden auch Metadaten in den Clips vollständig erhalten. Der Schnitt kann sowohl online, also mit voller Auflösung, als auch mit klein gerechneten Proxies erfolgen.
Der Export erfolgt entweder als fertig gerenderter Film, was aufgrund der sehr minimalistischen Schnittmöglichkeiten jedoch nicht so interessant ist, wie der der Export als Final Cut Pro XML nach Dropbox oder iTunes Sharing. Und DAS ist tatsächlich ein Killerfeature:

Denn somit kann man auf dem iPad unseres Wissens erstmals eine Schnittliste erstellen, welche man anschließend in seinem "großen" Schnittprogramm mit den Original-Clips importieren kann. Das muss übrigens nicht zwingend Final Cut Pro sein. Auch viele andere Schnittsysteme (z.B. Adobe Premiere, DaVinci oder Avid) können Final Cut Pro XML lesen.
Der sinnvolle Roh-Schnitt unterwegs könnte also mit Touch Edit erstmals Wirklichkeit werden. Wir sind gespannt, wie sich das Programm dann in der Realität tatsächlich anfühlen wird. Einen ersten (nicht ganz unabhängigen Einblick) bietet übrigens dieser Little-Frog HD Artikel.