Frage von Blackeagle123:Hallo,
Ton ist nicht so ganz mein Spezialgebiet. Daher jetzt die Frage:
Ich möchte ein Konzert in der Kirche von einem großen Chor mit A/B-Stereofonie aufzeichnen. Ich weiß, dass die mono-Kompatibilität darunter leidet, was grundsätzlich erst einmal nicht ganz so schlimm ist, da ich dafür noch zusätzlich ein Mikrofon in der Mitte aufstelle, um die Mitten (und Bässe) etwa stärker zu betonen und gleichzeitig etwas mehr im grünen Bereich zu sein auf dem Korellationsgradmesser.
So nun zu den Fragen:
1) Sollte ich Kugeln einsetzen oder kann ich auch Richtmikrofone einsetzen? Bzw. wird es den "Stereoeindruck" stark vermindern, wenn ich Hypernieren benutze?
2) Wie groß muss/ kann/ darf der Abstand sein, um einen tollen Eindruck in der Kirche zu bekommen? Bei einem Chor hätte ich gefühlt locker mal 5m Abstand gewählt und nicht 20cm oder so. Was haltet ihr davon? Wie würdet ihr es machen? Vor Ort ausprobieren?
3) Ich würde aufgrund des Halles in der Kirche eigentlich ganz gerne A/B-Stereofonie einsetzen. A/B bedeutet ja vom Höreindruck auch, dass man die Schallquelle nicht mehr so gut orten kann, richtig? Das wäre in der Kirche und bei einem Chor ja sehr schön, da die Laufzeiten dafür große Unterschiede haben. Oder würdet ihr zu einem anderen Verfahren raten?
Hätte also noch alle Möglichkeiten (z.B. Jecklin Scheibe oder ähnliches)
Habe leider keine Zeit, alles in der Kirche auszuprobieren und würde mir gerne vorher die theoretischen Gedanken machen, um sicher ran zu gehen.
Freue mich auf eure Antworten und Hilfe!
Viele Grüße,
Constantin
Antwort von lilixxl:
Hallo,
ich habe auch mal einen Chor in einer Kirche aufgenommen und wohl nur durch Glück ein brauchbares Ergebnis erzielt, weil ich technikverliebt, vier Mikros aufgestellt hatte. Zwei davon nahe beim Chor (Abstand vielleicht 2m) und zwei im Raum als A/B. Das Signal im Raum war völlig unbrauchbar, die beiden Mikros am Chor (das waren Nieren) war ganz ordentlich.
Später bin ich dann möglicherweise drauf gestossen wieso das so war. Ist hier bei Wikipedia ganz gut erklärt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hallradius
Vielleicht hat aber jemand noch profundere Erklärungen und Tipps für gute Aufnahmen in Kirchen.
viel Erfolg jedenfalls!
Antwort von lilixxl:
Fiel mir gerade noch ein: bei Shure gibt es eine ganz nette Seite über Mikrofonierung eines Chors.
http://www.shure.de/supportdownload/tip ... ofonierung
beste Grüße!
Antwort von beiti:
Speziell einen Chor habe ich noch nicht aufgenommen, aber andere Sachen in Kirchen. Je nach Bauform der Kirche ist der Hall wirklich ein Problem. Da kann man nicht mikrofonieren wie in einem Studio.
Hier wird man, denke ich, mit mehreren Mikrofonen relativ nah am Chor arbeiten müssen (vielleicht drei für einen kleinen Chor, vier oder mehr für einen größeren). Die äußeren Mikrofone legt man im Mischer dann ganz auf den rechten bzw. linken Kanal. Die dazwischenliegenden platziert man passend im Stereopanorama (z. B. wenn es nur ein drittes Mikro dazwischen ist, kommt dessen Pan-Regler auf Mitte). Um Interferenzen innerhalb der Mischkanäle zu vermeiden, beachte man die 3-zu-1-Regel (d. h. wenn die Mikros je 60 cm vom nächsten Sänger entfernt stehen, sollten die Mikros voneinander 180 cm entfernt sein). Von der Charakteristik her würde ich eine leichte Richtcharakteristik (Niere) wählen, um den rückwärtigen Hall zu dämpfen. Superniere wäre nicht gut, Kugel auch nicht optimal.
Soweit meine abgeleitete Theorie. Jetzt können die Leute was dazu sagen, die tatsächlich schon Chöre erfolgreich aufgenommen haben. ;)
Antwort von Pianist:
Das größte Problem wird sein, die Mikrofone dort hin zu bekommen, wo man sie am liebsten haben möchte. Chöre neigen dazu, keine Mikrofone vor der Nase haben zu wollen, bzw. sie wollen nicht, dass dem Publikum der Blick auf den Chor mit einem großen Mikrofonstativ verstellt wird.
Wenn es sich um eine alte Kirche handelt, verfügt sie vielleicht über einen Schnürboden, von wo aus man aus Löchern (wo die Lampen runterhängen) auch zwei lange Mikrofonkabel runterlassen kann, um die beiden Mikrofone optimal zu platzieren.
Am einfachsten wird es für Dich, wenn Du zwei Nieren nimmst, zum Beispiel Neumann KM 184, und Dir mal
diese Seite von Eberhard Sengpiel anschaust, um ein Gefühl für die verschiedenen Anordnungen (ORTF, NOS und seine eigene) zu bekommen.
Optimal dürfte es sein, das Mikrofonsystem oberhalb des Dirigenten (und in der Tiefe zwischen ihm und dem Publikum) zu platzieren.
Matthias
Antwort von Blackeagle123:
Vielen Dank euch allen schon einmal.
Also werde ich
keine Kugeln einsetzen, auch wenn das so bei A/B Stereofonie "eigentlich" empfohlen wird. Ich werde aber versuchen, 3 Schoeps Supernieren aufzustellen (auch wenn ich dadurch vermutlich etwas mehr Hall von der Kirche aufnehmen werde als bei Nieren, kann ich die Mikrofone weiter vom Chor wegstellen), Kondensator-Kleinmembraner natürlich. Ich habe auch darüber nachgedacht, zusätzlich den Bass abzunehmen, evt. dort mit einer zusätzlichen Niere (keine Superniere), nah vor dem Bass, evt. das Mikrofon von oben gehängt.
Von Entfernung zum Chor und Höhe habe ich schon so eine Idee, wie ich das dort ganz gut aufbauen kann. Kann vor Ort auch gut Stative aufbauen, etwa 1m vom Chor entfernt, allerdings leicht unterhalb, auf der Höhe, auf der die Zuhörer auch sitzen, nicht von oben, wie auf der Shure-Seite beschrieben.
Jetzt weiß ich allerdings immernoch nicht, in welchem Abstand die Mikrofone aufgebaut werden können/ sollten, bzw. ob irgendwann der Stereoeindruck sogar schlechter wird, wenn man die Mikrofone z.B. 3m auseinander stellt. Oder würdet ihr das auch vor Ort testen?
Auf der Website von Shure (VIELEN DANK FÜR DEN LINK!) steht 1,3m-1,8m zum mittleren Mikrofon. Ich denke, ich werde einfach mal schauen, wie breit sich der Chor aufstellt und dann nach Gefühl aufstellen und bei einer kleinen Probe reinhören.
Denke aber doch, dass das so ein gutes Stereobild geben dürfte, was meint ihr?
Vielen Dank nochmal und viele Grüße,
Constantin
Antwort von MLJ:
Ich weiss, ist ein alter Beitrag, aber möchte dem trotzdem etwas anfügen:
Ich habe früher oft für Gesangsvereine und Chöre aufnahmen gemacht. Aber die besten in Kirchen habe ich mit 2 Neumann Kunstköpfen gemacht. Einen vorne plaziert, den anderen weiter hinten und dann im Studio gemischt. Realistischer und natürlicher geht es nicht. Und der Klang der Kirche kam voll zur entfaltung. Mit dem gleichen Setup habe ich im Dom in Passau "Toccata et Fuga" von Bach aufgenommen. Ist noch heute meine "Lieblingsaufnahme".
Ciao, Mickey Lee
Antwort von Jake the rake:
Kunstkopf aufnahmen sind immer mit Kopfhörer zu genießen, mit jeglicher Äquivalenzstereofonie Technik hättest du unter Umständen bessere Ergebnisse erziehlt...
Antwort von TomStg:
Finger weg vom Kunstkopf! Das ist Spielerei von gestern und nur unter ganz bestimmten Situationen wirklich "hörbar"!
Wie bereits empfohlen: Mach Dich bei Eberhard Sengpiel mit einigen akustischen Grundregeln vertraut - auch wenn seine website unübersichtlich ist. Dafür ist der Gehalt umso qualifizierter.
Wenn möglich, geh zu den Chorproben und probiere die Empfehlungen von Shure aus.
Grüße
Tom
Antwort von MLJ:
Auweia... und schon ist wieder ein alter Thread wiedererwacht. Wenn ich in all den Jahren etwas falsch verstanden habe, dann korrigiert mich:
Stereo-Mikrofonverfahren
Stereoempfinden durch:
– Intensitätsunterschiede
– Laufzeit- und Phasenunterschiede
Zwei Mikrofone nehmen dasselbe Signal auf
Intensitätsstereofonie:
– z.B. XY-Anordnung: Zwei Mikrofone mit Nierencharakteristik um 90° oder 120° gegeneinander verdreht
– Hohe "Präsenz"
Laufzeitstereofonie:
– z.B. AB-Anordnung: Zwei Mikrofone mit Kugelcharakteristik in ca. 50 cm
Abstand
– Hohe "Räumlichkeit"
Äquivalenzstereofonie: (@Jake the Rake)
– Naturgetreue Nachbildung des menschlichen Hörens
– z.B. mittels Kunstkopf (Kopfnachbildung mit Mikrofon-"Ohren")
– z.B. mittels Ohrmikrofonen ("Originalkopf")
@TomStg
Ich bin immer zu den Proben gegangen um zu sehen, was mich konkret erwartet und um den Ablauf des Programmes, sofern vorhanden, zu erfahren, sowie die Gesamtdauer des Events. Sowas sollte "Pflicht" sein.
Und Tom, ich bin nicht deiner Meinung, das Kunstkopf eine "Spielerei" von gestern ist. Die besten Aufnahmen finden sich noch heute auf der Referenz-CD Reihe von "Staccato", wo man die ganzen Sahnestücke findet um jeder Anlage das "fürchten" zu lehren ;-)
@Jake the Rake
Zitat:
"Kunstkopf aufnahmen sind immer mit Kopfhörer zu genießen"
Zitat ende
Über eine gute Anlage genauso. Wie kommst du darauf, das so eine Aufnahme nur mit Kopfhöhrer zu geniessen ist ? Ich verweise nochmal auf die "Staccato"'s :-)
@All
Und abschliessend möchte ich noch anmerken, das die anderen Verfahren genauso geeignet sind wie ein Kunstkopf. Ich habe das nur erwähnt, weil niemand auch nur ein Wort über so eine Möglichkeit geschrieben hat.
Also entspannt euch, ok ?
LG Mickey Lee
Antwort von Skeptiker:
Neumann Kunstkopf
Tolle Kunstkopf-Naturaufnahmen gibt es z.B. in Gordon Hemptons 'Quiet Places Collection' zu hören. Ein Ton-Meister, der auf der Suche nach leisen Natur-Tönen die Welt bereist.
Binaural Stereo mit Neumann Kunstkopf - deshalb wohl die Empfehlung, die Aufnahmen mit Kopfhörer anzuhören, damit das Stereobild so naturgetreu rekonstruiert wird, als ob man tatsächlich an Ort wäre.
Er nennt sich selbst Gordon Hempton 'The Sound Tracker' (mit Trade Mark).
http://soundtracker.com/
Und mittlerweile gibt's offenbar auch ein filmisches Portrait:
http://www.soundtrackerthemovie.com/ST/Home.html (ich hab es noch nicht gesehen).
Hier sieht man neben Hemptons Kopf auch 'Fritz', seinen mit 2 Mikrophonen bestückten Neumann-Kunstkopf, den er auch in seinem 'The Sound Tracker'-Logo verwendet.
http://www.redbull.de/cs/Satellite/de_D ... 3088722569
Zum Teil ergänzt er den Kunstkopf auch mit weiteren Mikros.
Ich selbst habe 2 CDs aus der 'Quiet Places Collection' von ihm:
Earth - A Day in the Life of a Planet
Nort America - Winds across a Continent
Als wirksames Mittel gegen Stress sehr zu empfehlen !
P.S.:
Aber für die Kirchen-Chor Aufnahmen gibt es sicher auch weniger exotische und preiswertere Möglichkeiten, zu guten Aufnahmen zu kommen.