Wenn man das erste mal von All-Intra Kompression hört, klingt das ganze doch wirklich nach Fortschritt: Hohe Datenraten bei der Aufzeichnung sowie butterweicher Schnitt dank fehlender Zwischenbildberechnung sind auf den ersten Blick erst einmal tolle Vorteile, die man gerne mitnimmt. Wenn man die Sache jedoch näher betrachtet dann sollten jedem Anwender zumindest ein paar kritische Fragen in den Sinn kommen, wieso und weshalb All-Intra überhaupt ein Vorteil sein soll.
Die Geschichte
Zuallererst ist All-Intra nicht neu, sondern vielmehr ein alter Hut. Die ersten Schnitt- und Kompressionsformate wie DV oder M-JPEG waren allesamt All-Intra. Aber nicht aus Qualitätsgründen, sondern es fehlte schlichtweg die Rechenpower, um auch noch die Unterschiede zwischen den Bildern (also Inter-Frame) für eine effektive Kompression zu nutzen. Das war zu dieser Zeit auch nicht verkehrt, jedoch lief man damit in eine Encoding-Sackgasse. Denn um einzelne Bilder praktisch artefaktfrei zu komprimieren, galten Kompressionsraten von gerade mal 1:3 noch als akzeptabel.
So machte man seinerzeit aus einem 20 MB/s Rohdatenstrom ungefähr eine Datenrate von 7 MB/s oder wie man heute sagen würde rund 50 Mbit/s. Wohl gemerkt für SD-Auflösungen. Auch wenn sich die Intraframe-Algorithmen noch seitdem verbessert haben, gibt es (wie beispielsweise bei JPGs auch) einfach eine natürliche Datenraten-Grenze, ab der Artefakte auftauchen müssen.
Um seinerzeit Herr über die enormen Datenraten von hochaufgelöstem Video zu werden, ging man von den intraframe-basierten Aufzeichnungsformaten wie DV auf die INTERframe-Kompression bei Camcordern über. Diese Kompression zwischen einzelnen Bildern war in der Distribution schon durch die DVD und die dahinter stehenden MPEG-Algorithmen bewährt. Und auch wenn es die Skeptiker (allen voran slashCAM selbst) nicht wahrhaben wollten: Durch die Zusammenfassung von Informationen zwischen einzelnen Bildern war mit HDV und später AVCHD plötzlich die 4-5fache Bildinformation in der bisherigen PAL-Datenrate von DV (beides ca 24 Mbit/s) möglich. Und das bei einer Qualität, die kaum mehr Artefakte zeigte als DV. Offensichtlich war die Interframe-Kompression von MPEG2/4 gegenüber der normalen DCT-Einzelbild Kompression also signifikant effizienter. Wir haben seinerzeit Tests gesehen, die zeigten, dass eine FullHD-Aufzeichnung mit M-JPEG 4:2:0 ungefähr eine Datenrate von 20 MB/s ( oder ca. 150 Mbit/s) erforderten um die Qualität von HDV/AVCHD zu treffen.
IPB vs. All-Intra - Die Theorie
Offensichtlich kann heutzutage heute auch eine Kamera mit 70-90Mbit/s und einem All-Intra-Codec eine vergleichbare Qualität erreichen. U.a. weil die eingesetzten Algorithmen nicht mehr auf DCT basieren, sondern mit Integertransformation, Intra Prediction und CABAC tatsächlich potententere Verfahren zur Einzelbild-Kompression vorliegen und auch (quasi kostenlos) mit den h.264/AVC-Profilen/Encodern sowieso in der DSP-Hardware der Kameras integriert sind.
Doch das führt uns zu unserem Punkt: Den Großteil seiner Effizienz liefert ein aktueller Codec nach wie vor durch die Bewegungs-Schätzung und die Zwischenbild-Redundanz.
Banal formuliert: Zieht man Zahlen aus der Vergangenheit heran, so komprimierte HDV durch die Inter-Frame Bewegungsschätzung ungefähr vier mal besser als DV. Selbst wenn man sehr optimistisch annimmt, dass dieses Verhältnis bei h.264/AVC heute nur noch 3:1 betragen würde, dann könnte eine 100 Mbit/s I-frame-Kompression maximal so "gut" sein, wie eine 33 Mbit/s IPB-Kompression.
Bei Canons All-Intra Implementierung trifft dieses Verhältnis ziemlich genau: So stehen dort ca. 91 Mbit/s All-I den 31 Mbits für IPB gegenüber. Nach unseren hier dargelegten Überlegungen und früheren Erfahrungen scheint dies auch ungefähr in der gleichen Bildqualität zu resultieren.
Doch bei Panasonics All-Intra-Datenraten der GH-3 stimmt das Verhältnis nicht: Denn dort gibt es neben einer All-Intra Datenrate von 72 Mbit/s auch eine IPB-Datenrate von 50 Mbit/s. Bei detailreichen Bildern dürfte der IPB-Codec folglich noch deutlich mehr Reserven bieten, als die All-Intra-Aufnahme. Sollte die Praxis unsere Überlegungen nicht ad absurdum führen, würden wir daher das bessere Schnittgefühl auf jeden Fall der besseren Bildqualität im 50 Mbit/s IPB-Modus opfern.
Und die Praxis?
Und genau dies versuchen wir auch seit geraumer Zeit in der Praxis zu zeigen. Nur leider ist es uns bis jetzt noch nicht gelungen die Codecs der GH3 mit vergleichbaren Aufnahmen zu irgendwelchen signifikanten Unterschieden zu bewegen. Eine hierbei abgefallene Erkenntnis ist dabei sicherlich für manchen Anwender interessant: Während der AVCHD-Codec im Bereich 16-235 arbeitet, nutzen die MOV-Codecs den vollen 8-Bit-Luminanzpegel zwischen 0 und 255 aus. So gesehen bietet die 50/72-Mbit/s Aufzeichnung auf jeden Fall mehr Reserven für die Postproduktion.
Doch alle Versuche, einen reproduzierbaren Unterschied zwischen 72 Mbit All-Intra und 50 Mbit IPB zu erzeugen sind bislang gescheitert. So haben wir unter anderem versucht in der Farbkorrektur durch extreme Einstellungen die Blockartefakte herauszukitzeln und zu vergleichen. Doch diese unterscheiden sich praktisch untereinander gar nicht (und dazu noch kaum von den AVCHD 24 Mbit Aufnahmen).
Vorsichtiges erstes Zwischenfazit
Man muss dazu sagen, dass uns aus Gründen der Vergleichbarkeit erst einmal nur 24p interessiert hat, weil dies (mit 25p) in unseren Augen wohl die Frameraten sein dürften, welche die meisten Großformatsensor-Filmer benutzen. Und vielleicht sähe die Sache anders aus, wenn man zwei Firmware GH3 nebeneinander den gleichen Reißschwenk filmen ließe. Doch so ein Testaufbau steht uns leider gerade nicht zur Verfügung.
So ist unser bisheriger Stand der Erkenntnis, dass man in 24p/25p wohl getrost in All-Intra filmen kann. Ein theoretischer Vorteil für 50 Mbit/IPB ist für uns in der Praxis bisher nicht nachweisbar. Und die höhere All-Intra-Datenrate rechtfertigt tatsächlich das weichere Schnittgefühl. Das Material beider Varianten weist dazu bemerkenswert wenig Artefakte auf und hält auch starken Farbkorrekturen wirklich erstaunlich gut stand. Wir sind begeistert, wie viel Bildinformationen wir in DaVinci Resolve aus den Bilder der GH3 noch kitzeln konnten, besonders wenn man leicht unterbelichtet. Und so überrascht uns die GH3 auch ein weiteres mal unerwartet sehr positiv.