Man kann es praktisch gar nicht übersehen, dass die Nikon ZR zu großen Teilen auf der Z6III basiert: Zahlreiche Spezifikationen und Videoformate sind praktisch identisch, was jedoch nicht die Fähigkeiten der ZR schmälern soll. Eher im Gegenteil: Die Anpassung an den RED-Workflow verpassen der ZR zusätzliche Fähigkeiten, die gerade für szenische Filmer sehr interessant sein können.
Pocket RED Cinema Camera?
Tatsächlich erinnert das ganze etwas an das Konzept der Pocket Cinema Cameras von Blackmagic, jedoch mit einigen zusätzlichen Vorteilen: Beispielsweise das bewegliche, hochqualitative 4 Zoll Display, welches eine externe Monitor Lösung in vielen Fällen überflüssig machen kann. Aber auch der zuverlässige Autofokus, 32 Bit Audio Aufzeichnung oder nicht zuletzt die relativ lange Akku-Laufzeit einer ASIC-Plattform. Und über allem thront natürlich noch die interne 6K RED RAW-Aufzeichnung.
Der hierfür aufgerufene Preis von 2.350 Euro könnte die Nikon ZR zu einem Wunschobjekt für viele Filmer werden lassen, sofern auch die Bildqualität überzeugt. Und davon wollen wir uns in diesem Artikel einmal ein Bild machen.
Eine im Netz kursierende Problematik wollten wir uns noch für einen kommenden Artikel aufheben: Die Qualität der H.265-Aufzeichnung. Der Grund ist, dass wir hier auf ziemlich widersprüchliche Datenpunkte gestoßen sind, die wir selber erst einmal richtig einordnen müssen. In diesem Artikel über die Bildqualität gehen wir darum vor allem auf die Nikon ZR als RED RAW-Kamera ein. Und schon hierzu gibt es mehr als üblich zu berichten...

DSLM im Herzen, RED RAW in der Seele
Der Partially-Stacked Dual Base (ISO800/6400) Vollformatsensor wird mit großer Sicherheit bereits in der Z6III verbaut und soll gerüchteweise nicht Sony sondern von Tower Semiconductor produziert werden.
Allerdings spricht Nikon der ZR aufgrund der RED-Color Science noch ein bis zwei zusätzliche Blendenstufen Dynamik (15+) mehr zu als der Z6III, obwohl die Signalverarbeitung deutlich mit der Z6III eng verwandt ist.
Aufgenommen wird entweder in 12 Bit RAW mit nicht weniger als drei Optionen (RED RAW R3D NE, N-RAW, ProRes RAW) oder in 10 Bit H.265/ProRes422 HQ. Das 10 Bit H.265 wird allerdings nur in 4:2:0 aufgezeichnet. Für schnelle Turnovers gibt es zudem noch H.264/265-Dialekte in 8 Bit. H.264 unterstützt dabei nur HD-Auflösungen mit 1080p.
6K kann mit bis zu 60p aufgezeichnet werden, 4K mit bis zu 120p (im S35 Crop) und FHD sogar bis 240p - letzteres allerdings dann nicht mehr in RAW. Auffällig ist, dass sich im FX Modus trotz RAW Aufzeichnung bei Umschaltung zwischen 4K und 6K Aufzeichnung der Bildausschnitt nicht ändert. 4K FX RAW muss daher Sensel irgendwie zusammenlegen, was eigentlich nicht mehr RAW im klassischen Sinne ist. Zugleich ist aber immer auch "echtes" 4K RAW im 1:1 DX/S35-Readout möglich.
Kaum weniger verwirrend ist, dass ProRes RAW 6K nur bis 30p unterstützt wird. Und ProRES ohne RAW sogar nur 5,3K Horizontalauflösung bis maximal 30p ermöglicht. H265 erlaubt dann zwar ebenso nur eine maximale Auflösung von 5,3K statt 6K, jedoch immerhin wieder bis 60p. Als letzte Verwirrung kommt dann noch ins Spiel, dass alle 5,3K Modi den selben Bildausschnitt nutzen wie die 6K Modi. Wahrscheinlich ließe sich daher schon alleine ein Artikel damit füllen, zu erforschen, ob die 5,3K auf 6K aufgeblasen werden - und/oder unter welchen Detail-Verlusten die Skalierung von 6K auf 5,3K arbeitet.
Doch glücklicherweise soll dies nicht das Thema dieses Artikels sein, denn in RED-RAW (wie auch in N-RAW) zeichnet die Kamera ja in der maximalen "Sensor-Format-Qualität" auf. Also 1:1 6K bis 60p, 1:1 4K in S35 bis 120p). Was wir uns natürlich als erstes näher ansehen...
4K Debayering und Rolling Shutter
Wie zu erwarten, gelingt das 6K->4K Debayering von 24-60p bei vollem Sensor Readout praktisch tadellos:

So darf man natürlich von einer Cine-Kamera auch erwarten, dass hier keinerlei Line Skipping oder Ähnliches zum Einsatz kommt. In diesem Modus kommt die Kamera auf Rolling Shutter Werte um die 9,8 Millisekunden, was ein extrem guter Wert für einen 6K-Vollformatsensor ist.
Ähnlich und für den szenischen Einsatz kaum schlechter zu gebrauchen ist der Sensor-Readout bei RED RAW Aufzeichnung im DX/S35-Modus.

Hier erhält man von 24-120p eine konstante Debayering Qualität, die von den fehlenden Details eines 4K-1:1 Sensor Readouts geprägt ist. So gibt es vereinzelt Zipper und leichte Artefakte zu entdecken, die jedoch bei einem unskalierten 1:1 Readout kaum zu vermeiden sind. Belohnt wird man in diesem Modus dafür mit Rolling Shutter Zeiten um die 6,3 Millisekunden, was für eine S35-Cine-Kamera ebenfalls ein ausgezeichnetes Ergebnis ist.
Dynamik
Für unseren langfristigen Dynamik-Vergleich zwischen diversen Kameras richten wir eine Testkasten-Szene mit festem Weißabgleich auf 3200K ein. Dann tasten wir uns üblicherweise mit Blende und Belichtungszeit an eine Einstellung heran, in der die Haut unseres Puppenkopfes gerade nicht mehr clippt und definieren diese Einstellung als ETTR-0. Von dieser Einstellung aus blenden wir sukzessive in Schritten von ganzen Blendenstufen ab. Jede Aufnahme korrigieren wir im Anschluss zurück auf die Helligkeitsverteilung der ETTR-0 Referenz.
Doch bei der Nikon ZR erkennt man an dieser Stelle bei der RED RAW Aufzeichnung, dass in der Waveform-Parade etwas Unübliches vor sich geht:

So sieht man einerseits eine typische Clipping Linie, welche eigentlich klar die Sättigung/Überbelichtung der einzelnen Sensel kennzeichnet. Und zugleich tauchen aber auch noch Farbwerte über der Clipping Linie auf, was theoretisch eigentlich nicht möglich ist.
Highlight Recovery
Die Erklärung hierfür ist jedoch naheliegend: Bei der Aufzeichnung in RED RAW nutzt Nikon/RED offensichtlich eine nicht abschaltbare Highlight Recovery. Was das genau ist, haben wir hier bereits sehr ausführlich erklärt.
Kurz gesagt wird hierbei durch eine Interpolation noch die Helligkeitsinformation von nicht clippenden Nachbar-Senseln genutzt um den Clipping-Punkt ein Stück weiter nach oben zu schieben. Der Nachteil ist jedoch, dass in den Highlights der letzten 1-2 Blendenstufen über dem eigentlichen Clipping dann keine oder evtl. auch falsche Farben existieren.
Um unsere These zu belegen, haben wir im folgenden Bild einmal die letzte Blendenstufe der Highlights unter dem "normalen" Clipping Punkt extrahiert (oben). Und darunter die letzte Blendenstufe unter dem Clipping-Punkt der RED RAW Aufzeichnung. Und wie zu erwarten sind dabei fast alle Farben bis auf Grün verschwunden:

Grundsätzlich ist diese Highlight Recovery bereits für mindestens eine zusätzliche Blendenstufe in einer Dynamik Chart-Messung verantwortlich und grundsätzlich ist an dieser Technik auch prinzipiell nichts Verwerfliches. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass dadurch Highlights tendenziell farblos werden und man aus den hellsten Lichtern dann keine Farben mehr in der Post retten kann. Zur weiteren Ehrenrettung der Kamera sei aber auch gesagt, dass der interne Waveformmonitor den echten Clipping Punkt anzeigt, und man somit immer noch ein paar zusätzliche, farblose Highlights über dem technischen Clipping bei der Aufnahme sozusagen geschenkt bekommt.
Wir haben für unseren Dynamik-Vergleich übrigens den "echten" Clipping Punkt benutzt, d.h. wir haben der Kamera keine Blendenstufe beim ETTR-0 Startpunkt "geschenkt", sondern uns am technisch korrekten Clipping Punkt orientiert, den die Kamera ja auch selber anzeigt.
Im ersten Vergleich haben wir die Nikon ZR einmal in RED RAW und einmal in N-RAW bei voller 6K-Auflösung gegenübergestellt. Dazu gesellen sich noch die Nikon Z8 mit N-RAW sowie die Z6 III in N-RAW:
Hier sieht man, dass sich die Nikon ZR in der Dynamik nur sehr wenig von dem eigenen N-RAW und auch den anderen Nikon Kameras absetzt - sofern man in RED RAW den technischen Clipping Punkt für die ETTR-0 Einstellung nutzt.
Dass dieses Ergebnis jedoch keinesfalls schlecht ist, sieht man im Vergleich mit anderen Konkurrentinnen wie der ARRI LF, der Canon C70 oder der Blackmagic Pocket Cinema Camera 4K (BMPCC4K):
So liegt die Nikon ZR ungefähr eine Blendenstufe über der Blackmagic Pocket Cinema Camera 4K, welche aktuell die günstigste RAW Kamera im Markt ist. Und landet maximal eine Blendenstufe unter ARRIs LF und Canons C70. Wohl gemerkt ignorieren wir auch hierbei den virtuellen Clipping Punkt der Highlight Recovery.
Fazit
Tatsächlich liegen die Rolling Shutter Zeiten der Nikon ZR auf professionellem Cine-Niveau und das Debayering zeigt konstant sehr gute Ergebnisse von 24-60p bei vollem Sensor-Readout. Somit übertrifft die ZR aufgrund der höheren Auflösung sogar den vergleichbar schnellen 4K-Vollformat-Sensor in der Sony FX3/A7SIII und ermöglicht zusätzlich einen besonders schnellen 4K S35-Crop mit bis zu 120p. Die Dynamik ist dagegen "nur" auf dem Niveau typischer Cine DSLMs, aber bietet aufgrund der nicht abschaltbaren Highlight Recovery noch eine "stille Reserve". Nicht nur gemessen am Preis können wir der Bildqualität der Nikon ZR damit feinste Cine-Tauglichkeit attestieren.





















