Lange hat es gedauert, bis die schon in die Jahre gekommene Version 3.65 des MainActors abgelöst wurde. Grund dafür war die komplette Neuentwicklung des Programms. Dabei hat MainConcept nicht nur bewährte Funktionen von anderen Schnittprogrammen kopiert. Der neue MainActor v5 führt auch wieder neue Konzepte ein, die man bei der Konkurrenz noch nicht findet.
Schnittig
Schon die neue Oberfläche sieht deutlich aufgeräumter aus und bietet viele Funktionen nun ohne lange Mauswege durch Untermenüs. Meistens genügt ein Rechtsklick, um alle entscheidenden Befehle sofort ausführen zu können. Ein besonderes Feature findet sich in der Timeline. Neben dynamisch veränderbaren Scrollbars, die eine schnelle und präzise Navigation in der Zeitleiste ermöglichen, werden nun erstmals auch mehrere Timelines unterstützt. Dadurch kann man Projekte bequem in kleinere Unterprojekte gliedern oder mit mehreren Versionen arbeiten.
Um auch bei größeren Projekten nicht die Übersicht zu verlieren, gibt es nun einen eigenen Mediabrowser, der es in sich hat. Neben der Effektverwaltung, kann dieser auch alle importierten Mediaclips in einer Ordnerstruktur verwalten. Der Clou ist jedoch die Suchfunktion, mit der sich Clips im Verzeichnischaos schnell mit Schlagworten finden lassen. Das Capturing-Modul beherrscht sein dem neuesten Hotfix auch eine Szenenrekennung. Es ist allerdings gelegentlich noch etwas “vergesslich“. So müssen manche Capturing-Parameter immer noch nach einem Neustart des Programms wieder von Hand eingestellt werden.
Das Editing geht nach wie vor in typischer “PC-Manier“ von der Hand: D.h. Clips werden vor allem mit der Maus aus dem Quellfenster in die Timeline gezogen. Echte Trimming-Funktionen wie von Avid oder Premiere mit doppelter Fenster-Ansicht gibt es nicht. Die Schnitt- und Trimm-Arbeitsweise von MainActor ist daher am ehesten mit Media Studio zu vergleichen. Man schneidet und trimmt hier mehr auf der Timeline, das Quellfenster dient nur zum Beschneiden einzelner Clips.
Zur Effektverarbeitung finden sich eine Menge neuer Effekte, die größtenteils aus dem professionellen Compositing-Programm “MainVision“ übernommen wurden. Die Effekt-Qualität liegt durchgehend auf professionellem Niveau, weil alle Berechnungen in Subpixelqualität vorgenommen werden. Und nicht nur das. Der neue MainActor rendert auch als einziges semiprofessionelles Programm im Fließkomma-Farbraum. In diesem Farbraum werden Farben nicht als diskrete Werte zwischen 0 und 255 beschrieben, sondern als Gleitkommawerte zwischen 0 und 1. Dies macht die Effektberechnung äußerst genau und hat auch gravierende Vorteile: Nehmen wir an, man wendet zwei Effekte auf einen Clip an, die den Farbraum des Clips verändern: Staucht der erste Filter die Farben auf Werte zwischen 0 und 128 und werden diese in einem späteren Filter wieder auf 0 bis 255 aufgeblasen, so fehlt bei herkömmlichen Schnittprogrammen jeder zweite Farbwert. Beim MainActor ist jedoch aufgrund der Fließkomma-Genauigkeit nach einer solchen Operation nach wie vor jeder Farbwert vorhanden.
Diese Farbraumverwaltung gekoppelt mit Subpixelrendering erlaubt tatsächlich die höchstmögliche Bildqualität bei der Videobearbeitung. Allerdings findet man eine derartig aufwändige Signalverarbeitung sonst nur in professionellen Compositing-Programmen wie Shake oder Flame, da die Berechnung auch lange Renderzeiten erfordert. Dadurch sind die Echtzeitfähigkeiten gegenüber einfacher arbeitenden Programmen auch deutlich eingeschränkt.
Wer allerdings einen Blick in das ebenfalls erhältliche SDK wirft, kann sehen, dass intern bereits eine Struktur für Echtzeiteffekte definiert wurde. Daraus lässt sich ableiten, dass das Programm bald eine spezielle Realtime-Ausgabe beherrschen sollte. Hierfür wird der Fließkomma-Farbraum durch denen YUV-4:2:2 Farbraum ersetzt, wie es auch bei allen anderen Echtzeit-Schnittprogrammen der Fall ist. Hierfür müssen allerdings auch alle internen Effekte umprogrammiert werden, um von dem Geschwindigkeitsschub profitieren zu können.
Um auch heute schon mit dem MainActor ohne große Wartezeiten arbeiten zu können, unterstützt er wieder Backgroundrendering. Hiermit können Effekte quasi im Hintergrund berechnet werden, während der Anwender am Projekt unbehelligt weiter schneiden kann. Das neue Backgroundrendering funktioniert deutlich besser, als in den letzten Versionen. Gerade auf Dual-Prozessor-Rechnern oder PCs mit Intels Hyperthreading-Architektur kommt dieses Prinzip voll zum Tragen. Doch auch auf einfachen PCs lässt sich mit nur etwas spürbarer Trägheit während des Renderns weiterschneiden. So gesehen ist dieses Konzept ein guter Kompromiss zwischen Echtzeit und hoher Effektqualität.
Die Effektauswahl ist nicht sonderlich groß, aber die wichtigsten Funktionen sind vorhanden. Einzig bei der Farbkorrektur wären vielleicht etwas ausgefeiltere Parameter wünschenswert.
Dafür unterstützt das Programm nun endlich die lang vermisste Zeitlupe. Dabei sind jetzt sogar Timewarps möglich. Darunter versteht man die kontinuierliche Beschleunigung oder das weiche Abbremsen eines Videoclips. MainActor beherrscht auch hier eine spezielle Slow-Motion, die durch Bewegungsschätzung von Objektvektoren besonders gute Ergebnisse verspricht. Allerdings versetzt diese hochqualitative Slomo den Rechner noch in einen Trägheitszustand, der weiteres Arbeiten meistens unmöglich macht, wenn er nicht sogar dabei abstürzt.
Besonders gut gelungen sind die Einstellmöglichkeiten der Effekte. In einer Filterliste besitzt jeder Effektparameter eine eigene Funktionskurve, auf der sich der Effekt bequem mit Keyframes steuern lässt. Ähnlich ist dies auch in Vegas 4 gelöst. Wir fragen uns nur, warum noch kein Hersteller auf die Idee gekommen ist, die Effektkurven direkt in der Timeline bearbeiten zu können. Bequemer geht es eigentlich nicht, denn man würde die Funktionskurve 1:1 über die gesamte Cliplänge sehen können. Immerhin kann man beim Mainactor in jeder Funktionskurve separat Scrubben um die Keyframes bildgenau zu setzen.
Einmal eingestellte Effekte lassen sich als Presets speichern. Außerdem probiert MainActor jederzeit eine Vorschau der Effekte in Echtzeit abzuspielen. Bei komplexen Effekten bricht aus oben genannten Gründen die Framerate jedoch schnell ein. Die Möglichkeit der Vorschau auf einem externen Monitor bietet MainConcept seit dem neuen Hotfix 5.0.5.0. Allerdings funktionierte diese Vorschau auf unserem Testrechner unter Windows 2000 noch nicht. Laut Mainconcept ist diese Funktion noch experimentell und läuft momentan nur unter Windows XP.
Der Audiobereich des Programms ist ebenfalls etwas sparsam ausgefallen. Zwar gibt es erstmals eine Pegelanzeige in der Timeline, die vor Übersteuerungen warnt. Dafür fehlen noch sinnvolle Audioeffekte.
Ansonsten befinden sich natürlich auch zahlreiche Funktionen im Lieferumfang, die schon die alte Version des MainActors von der Konkurrenz im selben Preisbreich abgehoben haben: So gibt es unlimitierte Audio- und Video-Spuren sowie eine echte Timeline. Besonders interessant sind auch die mitgelieferten Codecs. So befindet sich neben dem DV-Codec auch der nagelneue MPEG2-Encoder im Lieferumfang, der als Eizelversion bereits 150,- Euro kostet. Allerdings sind diese Codecs nur im MainActor selbst einsetzbar und stehen anderen Schnittapplikationen nicht zur Verfügung. Praktisch: Das Programm lässt sich durch die hochqualitative Codec-Auswahl auch als günstiger Formatwandler missbrauchen. Wer eine bequeme Möglichkeit sucht, um aus einem Film Werbung und Logos zu entfernen und danach für S(VCD) oder DVD zu speichern, findet im MainActor eine bequeme Komplettlösung. Der Umweg über diverse Programme wie VirtualDub/TMPG etc. kann in vielen Fällen entfallen.
Wir haben den neuen MainActor in der Version 5.0.5.0 unter Windows 2000 getestet. Gegenüber den früheren 3.x Versionen arbeitet das Programm schon heute deutlich stabiler. Allerdings gibt es nach wie vor gelegentliche Abstürze, die jedoch von Hotfix zu Hotfix weniger wurden. Besonders wenn man an zahlreichen Effekten herumspielt, während der Backgroundrenderer versucht diese gleich zu berechnen, kam es vermehrt zum Beinahestillstand des Systems. In solchen Fällen kann man den Backgroundrenderer jedoch mit einem Klick abstellen, dann bequem die Effektkette justieren und dann den Renderer wieder aktivieren.
Fazit:
Für wen ist der neue MainActor nun eigentlich geeignet? Auf der einen Seite bietet er eine äußerst gute Effektqualität und einen guten Workflow, mit Funktionen, die sich selbst in weitaus teureren Programmen nicht in dieser Form finden. Auf der anderen Seite fehlen ihm noch einige grundlegenden Funktionen. Dies sind unter anderem Audioeffekte wie Kompressor oder Hall, sowie ausgefeilte Trimm-Möglichkeiten.
Wer auf Echtzeit verzichten kann und den Schnitt grundsätzlich in der Timeline ohne externen Monitor bewerkstelligt, bekommt mit dem MainActor v5 eine beinahe unschlagbar günstige Schnittlösung. Zumal sich dank der integrierten Codecs das Programm auch wunderbar zum Transcoden eignet. Wenn in naher Zukunft die Echtzeit-Engine Gestalt annimmt und noch einige Bugs ausgemerzt wurden dürfte MainActor eine interessante Alternative für den budgetbewussten Cutter werden.