Test Im Schatten der URSA - Blackmagic Micro Cinema Camera

Im Schatten der URSA - Blackmagic Micro Cinema Camera

Schon bei der Ankündigung vor einem Jahr hatte es die Blackmagic Micro Cinema Camera nicht leicht. Denn sie wurde zeitgleich mit der URSA Mini 4,6K vorgestellt, die (immerhin nicht nur der Micro Camera) seinerzeit praktisch die gesamte Show stahl.

// 11:28 Fr, 13. Mai 2016von

Schon vor einem Jahr ging die Blackmagic Micro Cinema Camera bei der Vorstellung der URSA Mini 4,6K etwas unter, welche seinerzeit (immerhin nicht nur der Micro Camera) praktisch die gesamte Show stahl.



Die Blackmagic Micro Cinema Camera
Die Blackmagic Micro Cinema Camera


Und auch aktuell sind alle Augen auf die Auslieferung URSA Mini 4,6K gerichtet, so dass fast niemandem aufgefallen zu sein scheint, dass nun auch die neueste Cinema Camera lieferbar in den Regalen vieler Händler weilt. Wie auch bei der großen Schwester hatte die Lieferverzögerung offiziell einen ähnlichen Grund: Die Micro Cinema Camera sollte nämlich ebenfalls einen Global Shutter erhalten, was sie in ihrer Preislage einzigartig gemacht hätte. Nun ist gerade dieser Global Shutter wie bei der großen Schwester aus der Feature-Liste gestrichen worden, was die Kamera auf dem Datenblatt nun wieder deutlich näher an die berühmt/berüchtigte Pocket Cinema Camera heranrückt. Dabei teilen sich nun beide Modelle nicht nur die Sensel-Auflösung (1920 x 1080) bei gleicher Chipfläche (12.48mm x 7.02mm, Horizontaler Crop-Faktor ca. 2,88). Auch die Dynamikangabe des Herstellers ist mit 13 Blendenstufen identisch geblieben. Was uns etwas irritiert...





Sensorgedanken

Es könnte sich dennoch vielleicht nicht ganz um den gleichen Sensor wie bei der Pocket handeln, sondern wahrscheinlich um ein Update. Auf jeden Fall wurde offensichtlich -wie bei der Pocket- ein Fairchild-Sensor aus der 1910 Serie verbaut:



Im Schatten der URSA - Blackmagic Micro Cinema Camera : Sensor


Alle 1910-Modelle werden aktuell nur noch mit Global Shutter-Option angeboten, welche aber offensichtlich bei der Micro Cinema Camera nicht genutzt werden konnte. Was Read-Noise und Dynamic Range angeht sind diese Sensoren auf dem Datenblatt jedoch sogar noch besser als der LTN4625, der praktisch sicher in der URSA Mini 4,6K verbaut ist. Auch die Senselabmessungen sind im Vergleich mit 6.5 µm x 6.5 µm noch größer (statt 5,5 µm) und der Read-Noise ist mit 1,2 vs. 2 e- ebenfalls bedeutend besser angebenen. Kurz gesagt: Nach diesem Datenblatt sollte die Micro Cinema Camera sogar noch eine bessere Dynamik besitzen, als die URSA Mini 4,6K. Vielleicht will Blackmagic das nur nicht laut aussprechen, um die URSA 4,6K als Zugpferd nicht unattraktiver erscheinen zu lassen. Bei der Vorstellung vor einem Jahr (2015) sprach Blackmagic noch davon, dass die 13 Blendenstufen für den Global Shutter gelten würden, was laut Datenblatt auch ganz gut hinkäme. Der Rolling Shutter agiert laut Datenblatt jedoch noch deutlich besser. Mit der Abschaffung des Global Shutter Features wurden die Dynamikangaben auf der Webseite jedoch nicht geändert, sondern es bleibt bei 13 Blendenstufen.


Vielleicht ist bei der URSA 4,6K aber auch noch eine aufwändigere Signalverarbeitung am Werke, die den Dynamic Range weiter anhebt. Für eine unterschiedliche Verarbeitung spricht dabei auch, dass die Micro Cinema trotz ähnlichem Sensoraufbau in Resolve ein anderes LUT-Profil besitzt als die URSA.





Wenn man nun sowieso auf den Global Shutter verzichten muss, ist es natürlich traurig, dass Blackmagic hier nicht den Sensor aus der klassischen Blackmagic Cinema Camera mit 2,4K Auflösung gewählt hat. Denn dieser Sensor liefert nach wie vor eine nahezu perfekte RAW-Auflösung zum herunterskalieren auf FullHD. Dazu ließen sich dann auch günstige 0,71x SpeedBooster Clones verwenden, um auf einen sehr pragmatischen Crop-Faktor von 1,64 zu kommen.



Mit dem aktuellen Chip der Micro Cinema Camera kommt man dagegen "nur" auf einen Cropfaktor von ungefähr 2,04, was in manchen Fällen doch spürbar zu wenig ist. Um immerhin auf 1,64 zu kommen kann man zwar einen speziellen 0,58x SpeedBooster von Metabones kaufen, jedoch kosten solche Focal Reducer dann mit fast 800 Euro meist fast noch einmal so viel wie die Kamera selbst.



Zum Rolling Shutter selbst können wir dagegen auch gutes berichten. Er ist gegenüber typischen Systemkameras deutlich schneller und liegt praktisch mit der URSA Mini 4,6K gleich auf, die auch schon sehr positiv aufgefallen ist. Nachdem in diesem Jahr auch die Sony A6300 als Konkurrent zur Micro Cinema aufgetaucht ist, kann Blackmagic gerade auf diesem Gebiet gegen Sony besonders punkten.





Sonstige Ausstattung

Nur eine Kabelpeitsche, ein Akku und ein Netzgerät finden sich im Lieferumfang. Das Netzgerät kann auch den Akku in der Kamera laden, ein externe Ladegerät ist nicht mitgeliefert. Allerdings ist aktuell der Anschluss des Netzgerätes etwas seltsam, da man erst einmal die Kabelpeitsche an die Cinema-Cam anstecken/schrauben muss, um dann an eines der neun herausgeführten Kabel das Netzteil anzustecken. Für unseren Geschmack etwas viel Kabelsalat um den Akku zu laden.



Auch erscheint uns der Einsatz von Canon LP-E6-Akkus nicht optimal, denn für diesen Canon-Anschluss gibt es unseres Wissens keine größeren Modelle, die einen Tageseinsatz durchhalten könnten. Der mitgelieferte Akku (und wahrscheinlich auch typische andere Modelle) liegen bei der Micro Cinbema Camera so im Arbeitsbereich von ca. einer Stunde.





Bedienung

Gegenüber der Pocket fällt zuerst einmal auf, dass die Kamera keinesfalls drehfertig ist, da ein Display fehlt. Anschluss findet dieses über den HDMI-Port, an dem dann auch optional die Menüpunkte für die Bedienung eingeblendet werden. Und diese Bedienung verdient wirklich das Prädikat “nervig”. Wenn man zum Beispiel Peaking abstellen will oder sonst irgendeinen Parameter verändern muss, geht das Gefummel über die (nicht sehr spürbar klickenden) Tasten los, die niemals direkt funktionieren sondern immer einen Gang in eine Menüebene erfordern.



Die Blackmagic Micro Cinema Camera wird ohne Zubehör über die wenigen seitlichen Tasten bedient.
Die Blackmagic Micro Cinema Camera wird ohne Zubehör über die wenigen seitlichen Tasten bedient.


Auch mit dem Video Assist (HD) wurde die Steuerung der Kamera nicht einfacher, da die Touchgesten des Displays via HDMI nicht durchgereicht werden (können). Bemerkenswert ist dagegen wie reaktiv das Menü der Micro Cinema Camera auf dem Vorschaumonitor letztendlich ist. Das Histogramm flutscht nur so dahin und auch die Audio-Pegel werden ruckelfrei dargestellt.



Ein Hinweis über eine freie Kanalbelegung im Menü deutet an, dass sich mit etwas Bastelarbeit eine komfortable externe Kamerasteuerung realisieren ließe. Es bleibt zu hoffen, dass hier Dritthersteller mit interessanten Lösungen aufwarten. Sollte dies passieren, könnte sich die Philosophie hinter der Micro Cinema Camera dadurch extrem positiv verändern. Denn angenommen es gäbe eine Art Fernsteuergriff und Blackmagic würde das Micro Gehäuse-Konzept (z.B. für eine zukünftige 2,4K Cinema Camera) beibehalten, dann käme dies einer modularen Kamera schon sehr nahe. In so einem Fall könnte man die Micro Cinema Camera einfach gegen ein Nachfolge-Modell austauschen und könnte die Bedieneinheit sowie den Monitor einfach behalten. Doch solange es einen solchen Zubehörmarkt nicht gibt, ist dies auch kein Kaufargument für die aktuelle Micro Cinema Camera. Und solange Blackmagic hier nicht ankündigt, weitere Modelle in diesem Formfaktor folgen zu lassen, werden auch die Zubehörhersteller nicht im großen Stil aufspringen.



Was hier mit etwas Bastelei möglich ist, deutet z.B. der folgende Clip an:











Unterschiede zur Pocket Cinema Camera

In diesem Zusammenhang könnte man meinen, die interne Aufzeichnung auf SD-Karten ist bei Anschluss eines Video-Assist schon wieder obsolet. Irrtum, denn die Micro Cinema Camera bietet bei genauerem Hinsehen einen dramatischen Vorteil gegenüber der Pocket Cinema Camera: Und der heißt interne RAW 3:1 Aufnahme...



RAW 3:1 ist in der Kombination mit einer schnellen SD-Karte schlichtweg seine große Sache. In unserem Fall wurden die Einzelframes bei der Aufzeichnung nicht einmal 2 MB groß. Bei 24 fps blieben wir mit der Datenrate somit deutlich unter 50MB/s und konnten anschließend in Resolve sofort und direkt von der SD-Karte mit einem USB-Reader ruckelfrei RAW losschneiden, was ein ziemlich baffes Gefühl hinterließ. Übrigens gehen in RAW 3:1 sogar 60fps auf eine (entsprechend schnelle) Speicherkarte, genauso wie in alle Quicktime-Codecs bis zu 60p unterstützen. Nur bei purem RAW ist die Aufzeichnung auf 30fps limitiert. Die 60fps sind dabei jetzt nicht unbedingt cinematisch zu verwerten, aber man nimmt sie gerne für Zeitlupenaufnhamen mit. Die Sensor-Auslesung bleibt dabei fast selbstredend auf dem selben Niveau wie bei 24/25/30p.



Natürlich will der Sensor auch für solche Fälle gekühlt werden, weshalb in der Kamera auch ein Lüfter im Dauerbetrieb werkelt.



Die Micro Cinema Camera besitzt seitliche, relativ offene Lüftungschlitze um den Sensor auch mit 60 fps in einem derart kompakten Gehäuse auslesen zu können.
Die Micro Cinema Camera besitzt seitliche, relativ offene Lüftungschlitze um den Sensor auch mit 60 fps in einem derart kompakten Gehäuse auslesen zu können.


Dieser ist allerdings nicht sonderlich auffällig laut sondern säuselt meistens sehr dezent vor sich hin.





Aus dem Messlabor

Nachdem wir eigentlich nur noch 4K-Kameras testen, stellt die Micro Cinema Camera schon aufgrund ihrer Auflösung eine echte Ausnahme dar. Dies müssen wir vorausschicken, da sich die hier gezeigten Auflösungscharts NICHT mit den anderen 4K-Kameras aus unserer 4K-Datenbank vergleichen lassen. Der abgefilmte Bild-Ausschnitt ist ein anderer und entspricht unseren früheren HD-Kamera-Tests. Und beim FullHD-Debayering zeigt sich sodann auch der größte Schwachpunkt der Blackmagic Micro Cinema Camera.



Die Blackmagic Cinema Camera im slashCAM HD!! Auflösungstest
Die Blackmagic Cinema Camera im slashCAM HD!! Auflösungstest


Da zu wenig Sensel für ein sauberes FullHD Debayering zur Verfügung stehen, fallen vor allem Chroma-Details mit sichtbaren Pixelmustern auf. Gerade in aliasing-kritischen Motiven kommen dann auch entsprechende Strukturen zum Vorschein. Man kann diese Probleme zwar umgehen, indem man beispielsweise immer sehr offenblendig mit ND-Filter filmt. Dies wirkt dann wie ein OLPF und feinste Muster erreichen aufgrund der optischen Unschärfe gar nicht mehr den Sensor. Allerdings landet man mit solchen Tricks (die durchaus ansehnliche Ergebnisse produzieren können) bei der Schärfe schnell auf dem Niveau einer alten Nikon HD-Kamera (wie z.B. unser beliebter Klassiker D5200).



Bei wenig Licht (12 Lux) haben wir diese Testaufnahme mit ISO800, 360 Grad Shutter und Blende 1,4 aufgenommen:



Die Blackmagic Micro Cinema Camera bei 12 LUX mit ISO800, 1/24 und F1.4
Die Blackmagic Micro Cinema Camera bei 12 LUX mit ISO800, 1/24 und F1.4




Wie man sieht ist die Kamera bei ISO800 nicht auffallend hell, bietet aber noch saubere Reserven beim nachträglichen Anheben in der Postproduktion.



Die RAW-Film Farben der Micro Cinema Camera sind trotz ähnlicher Senselstruktur bei weitern nicht so bunt, wie die neue URSA 4,6K. Hier einmal ein unbearbeitetes Bild mit bei 1200 LUX.



Die Blackmagic Micro Cinema Camera bei 1200 LUX in RAW
Die Blackmagic Micro Cinema Camera bei 1200 LUX in RAW


Legt man die eigentlich geeignete Blackmagic FilmLUT->REC709 v2 auf dieses Bild, so bekommt man schon ein sehr überfärbtes Ergebnis zu Gesicht:



Die Blackmagic Micro Cinema Camera bei 1200LUX/REC709
Die Blackmagic Micro Cinema Camera bei 1200LUX/REC709


Deutlich genehmer und meistens auch ohne weitere Bearbeitung passend gefällt uns mal wieder die ARRI->Rec709-LUT an der Blackmagic Micro Cinema Camera.



Die Blackmagic Micro Cinema Camera bei 1200LUX mit ARRI LUT
Die Blackmagic Micro Cinema Camera bei 1200LUX mit ARRI LUT




Fazit

Wäre der Global Shutter nicht als exklusives Feature fest geplant gewesen, hätte die Micro Cinema Camera wahrscheinlich nocheinmal ganz anders ausgesehen. Doch auch so ist die Kamera ein höchst spannendes Gadget geworden, dessen Einsatzgebiete erst einmal erforscht werden wollen. Mit einem speziellen Speed-Booster kann die Kamera in Richtung Super35mm Sensor gepusht werden und liefert dabei auch eine standesgemäße, weil extrem große Cinema-Dynamik die wirklich beeindrucken kann. Allerdings stören dann in der Preislage dieser Kombination von fast 2.000 Euro doch die Debayering-Probleme an der Grenzauflösung des Sensors. Da man auch noch zusätzlich in einen Vorschaumonitor investieren muss, wirkt die Micro Cinema Camera im Gesamtsystem plötzlich nicht mehr so günstig. Außerdem konkurriert die Micro mittlerweile auch mit Kameras wie Sony´s Alpha6300, die schon für 1200 Euro drehfertig daherkommen. Zwar nur in 8 Bit aber ebenfalls mit einem gehörigen Dynamikspielraum.



Als Alleinstellungsmerkmal bleibt die RAW 3:1 Aufzeichnung auf SDXC-Karte wirklich grandios und sorgt für unglaubliche Nachbearbeitungsmöglichkeiten in der Post, bei sehr moderaten Speicherpreisen und praktischer Workflow-Anbindung. Auch der schnelle Rolling Shutter, die 60p-Möglichkeiten und die cinematische Color Science sind definitiv Pluspunkte der Micro Cinema Camera.



So gesehen ist die Micro Cinema Camera eine bemerkenswerte Kamera, die jedoch ein paar grobe Kanten hat. Alleine der 2,4K-Sensor hätte dabei die Kamera nochmal in eine ganz andere Liga gehoben. Aber so darf man vielleicht immer noch auf ein kommendes 2,4K-Cinema Modell hoffen, das vielleicht auch mit einem besseren Display, 60p und ebenfalls 4:1-RAW auf SSD ausgestattet wird. Das wäre dann wieder eine Blackmagic Kamera voll nach unserem Geschmack. Oder gleich der 4,6K Wundersensor in einem günstigeren Kasten-Gehäuse...


Ähnliche Artikel //
Umfrage
    Welche Streaming-Dienste nutzt Du?













    Ergebnis ansehen

slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash