Mit seinem Dot 4 Release (FCPX 10.4) hat Apple wichtige neue Funktionen in
Final Cut Pro X integriert: Wir haben uns die neuen Farbräder und Kurven, die Canon C200 RAW Verarbeitung, HDR und 360 VR Workflows genauer angeschaut:

Neue Farbräder und Kurven
Wer bislang Farbkorrekturen unter Final Cut Pro X zu erstellen hatte, war in erster Linie auf die sog. „Farbtafel“ angewiesen.

Ein Werkzeug, das für viele, die Erfahrung mit Farbrädern hatten - sei es auf dem alten „legacy“ Final Cut Pro oder Blackmagic Resolve oder dem Lumetri Color-Arbeitsbereich in Premiere Pro CC u.v.a. als wenig intuitiv empfunden wurde.
In Final Cut Pro X 10.4 jetzt Farbräder - für viele das bessere Farbkorrektur-Tool
Die Nachfrage nach entsprechenden Industrie-Standards in Form von Color Wheels bei der Farbkorrektur in FCPX wurde dann auch von Drittanbieter-Plugins wie Color Finale von Color Grading Central oder Colorista von Red Giant u.a. bedient. Hinzu kommt, dass der Trend bei den großen Postproduktionslösungen von Adobe, Blackmagic u.a. zu integrierten Systemen geht: Farbkorrektur, Schnitt und Audioproduktion werden immer stärker in eine Software integriert. Beste Beispiele hierfür sind die Auflösung von Speed Grade in Premiere Pro und der massive Ausbau der Editing- und Audio-Funktionen in DaVinci Resolve. Mit FCPX 10.4 hat Apple nun reagiert und die Farbkorrektur-Tools von Final Cut Pro X in bemerkenswertem Umfang ausgebaut.
FCPX wird derzeit vor allem auf Laptops und iMacs genutzt und wir vermuten mal, dass der Laptop-Anteil hierbei den größeren Part ausmacht. Entsprechend wichtig ist es, das Layout und das Handling der neuen Farbkorrekturwerkzeuge auch für den kleineren Bildschirm und die geringeren Auflösungen von Laptops mitzudenken und genau hier hat Apple im FCPX 10.4 in einer ganzen Reihe von Punkten gut mitgedacht.
Das beginnt bereits beim ersten Blick auf die Basisfunktionen der neuen Farbräder:

Der jeweilig ausgewählte Farbton innerhalb des Farbrads wird auf der linken Seite des Farbrads angezeigt. Der Vorteil hiervon ist, dass man zum einen visuell eine deutliche Kontrolle über den aktuell ausgewählten Farbton hat und zum anderen die Farbwahl sehr feinstufig auflösen kann, indem man mit dem Sättigungsregler und dem Farbrad zusammen arbeitet – gerade auch auf kleineren Screens ein Vorteil. Als Nachteil könnte man aufführen, dass man sich im farblosen Innenraum des Farbrads zunächst orientieren muss - eine Frage der Übung und für diejenigen, die sowieso externe Farbräder am Kontrollpult gewohnt sind, eher vernachlässigbar. Die „Dämpfung“ der Farbräder, also die Geschwindigkeit mit der sich Farbwerte bei der Verschiebung des Farbrads ändern, empfinden wir als gelungen.

Je nach zur Verfügung stehendem Platz auf dem Bildschirm bzw. für ein noch höher auflösendes Arbeiten mit den Farbrädern, lassen sich entweder alle 4 Farbräder: „Master“, „Schatten“, „Mitteltöne“ und „Hervorhebungen“ auf einmal einblenden oder jeweils nur ein einzelnes.

Schaltet man zusätzlich noch die „Mediathekanzeige“ und den „Ereignis-Viewer“ auf der linken Seite weg, erhält man einen sehr aufgeräumten Farbkorrektur-Bildschirm, auf dem in der oberen Hälfte nur noch der Canvas für das Videomaterial auf der Timeline und die Farbkorrekturwerkzeuge zu sehen sind: Sehr viel besser dürfte sich bei mobilen Setups kaum die zur Verfügung stehende Bildschirmfläche nutzen lassen.

Dieses „Solo-Schalten“ von einzelnen Farbkorrektur-Tools wird dann konsequenter Weise auch auf die neuen Kurven in FCPX 10.4 übertragen.

Defaultmässig stehen 10 neue Bezier Kurven für die Farbkorrektur inkl. integriertem Colorpicker zu Verfügung: „Luma“, „Rot“, „Blau“, „Grün“ sowie „Farbton vs Farbton“, „Farbton vs Sättigung“, „Farbton vs Luma“, „Luma vs Sättigung“, „Sättigung vs Sättigung“ und „Orange vs SAT“.

Alle Kurven mit definierten Farbwerten lassen sich jedoch zusätzlich mit einer frei gewählten Farbe belegen.

Da ständig neue Farbkorrektur-Effekte übereinander gelegt werden können, stehen quasi unbegrenzte Farbkurven für frei bestimmte Farbwerte zur Verfügung.
Die freie Farbwahl gilt auch für die Farbsättigungskurven:

Hat man einen Farbwert via Pipette im Video-Canvas abgenommen, wird der entsprechende Farbwert auf der Kurve angezeigt inkl. eine vertikalen Hilfslinie.

Will man Farbwerte via Kurve verschieben/anpassen können diese entweder frei verschoben werden mit einer automatischen Bezierberechnung der Kurve oder nur horizontal oder nur vertikal. Für Farbwertverschiebungen in nur eine Richtung wird die Shifttaste gehalten.
Wer eine individuelle Bezierkurve für bestimmte Farbwert entworfen hat, kann den zugeordneten Farbwert auch im Nachhinein verändern und die Bezierkurve beibehalten. Im Screenshot oben ist das Farbauswahlrad für die Bezierkurve zu sehen, mit der sich der Farbwert auch verändern lässt.
Alle hier genannten Farbkorrekturen und Effekte, werden im Inspektor zum jeweiligen Videoclips gelistet und lassen sich in ihrer Reihenfolge verschieben und via Copy/Paste acuh auf andere Clips anwenden. Hierzu zählt auch das Anwenden von eigenen Luts pro Clip - eine Funktion die jetzt auch in der Effekt-Liste auftaucht und von hier aus auch kopiert und zusammen mit anderen Effekten in andere Anwendungsreihenfolgen gebracht werden kann (hilfreich bei Vignetten, die z.B nicht von einer LUT betroffen sein sollen).
Ebenfalls neu hinzugekommen ist beim automatischen Weißabgleich („Farbe ausgleichen“) ein entsprechender Colorpicker für die Selektion von Weißwerten im Bild.
Letztlich kann die jeweilige Farbkorrektur noch über einen Mixer-Slider auf das Gesamtbild in der Stärke/Transparenz angepasst werden.
Wir haben natürlich bei Apple auch nachgefragt, ob für die Farbräder externe Control Panels in Planung sind, bzw. bestehende externe Panels unterstützt werden. Die Antwort lautete, dass man sich eine entsprechende Option gerade anschaut – ob daraus ein Produkt oder zumindest eine entsprechende Unterstützung bestehender externer Color Wheels werden wird, dürfte die Zukunft zeigen.
Masken und Farbselektion
Um individuelle Farbwerte zu selektieren und zu ersetzen oder um bestimmten Bildregionen andere Farb- oder Helligkeitswerte zuzuordnen wurden ebenfalls neue Masken in die Farbtools integriert. Hier kann entweder eine klassische Rund/Oval-Maske mit innerer und äußeren Begrenzung und freier Formwahl gewählt werden oder eine entsprechende Farbmaske erstellt werden. Die Masken können via Keyframes in ihrer Position animiert werden und mit gehaltener Shift-Taste können Farbwerte noch dazu selektiert werden.
Wir haben hier mal schnell eine Farbmaske mit der Pipette auf Ricardas Hautton erstellt und - um die Selektion zu zeigen - „Hautton vs Hautton“ (also quasi „HUE“) nach grün verschoben. Für ausführlichere Keying-Tests hatten wir noch nicht die Zeit aber für 2 schnelle Klicks sitzt die Maske (auf diesem zugegebener Maßen keyingfreundlichem Bild) ziemlich gut. Das Cleanup an den Seiten dürfte mit zusätzlichen Masken recht schnell von der Hand gehen.
Was wir bei den Masken gern zusätzlich gesehen hätten, wären frei definierbare Maskenformen (Bezier) inkl. Keyframe-Animation der einzelnen Maskenpunkte. Für entsprechend komplexe Keys dürften dann andere Tools gefragt sein.
Hier das Ergebnis:

Und hier die dazugehörigen Maske:

Canon C200 RAW Unterstützung
Ebenfalls neu mit FCPX 10.4 erschienen sind neue ProApps sowie ein Canon RAW Plugin (Beta), was wir uns ebenfalls kurz angeschaut haben.
Mit dem neuen Canon RAW Plugin (Beta-Version) liessen sich bei unseren Tests problemlos Canon RAW Clips (.CRM) der Canon EOS C200 in FCPX importieren. Hierbei hat FCPX bereits automatisch eine Canon LUT (für Canon LOG 2) auf das Canon-Cinema-RAW-Light Material angewandt.
Ähnlich wie bei ARRI-Files erkennt FCPX beim Canon C200 RAW automatisch, wann es sich um mit LOG-Gamma aufgenommenes Material handelt. Die jeweiligem LUT kann im Info-Panel bei der Metadaten-Ansicht unter „Einstellungen“ wie bisher global auf das Material angewandt oder durch andere LUTs ersetzt werden. (An dieser Stelle würden wir uns auch eine ähnliche Unterstützung von Panasonic 10 Bit Log-Files der GH5 und der EVA1 wünschen).
In Sachen Performance hatten wir bei 4K RAW mit 24p dropped Frames auf unserem MacBook Pro 15“ (MBP 2016 mit 2.7 Ghz i7 und Radeon Pro 460 4 ) bei voller Auflösung. Bei verminderter Auflösung (Darstellung = höhere Leistung) wurde das 4096x2160 Canon RAW Material ohne Dropped Frames abgespielt. Damit ist das Canon RAW 4K Cine Material erwartungsgemäß performanter auf der Timeline als beispielsweise das H.264 Panasonic 10 Bit Material der EVA1, bei dem wir bei gleicher Auflösung und Framerate auch im Modus „höhere Leistung“ dropped Frames erhalten.
Grundsätzlich empfehlen wir bei komplexeren Projekten stets das Umkodieren in einen schnittfreundllicheren Codec hier bsp. nach Prores 4.2:2, das man unter FCPX wie bisher entweder beim Import der Materials oder gesondert pro importiertem Clip bewerkstelligen kann.
HDR Workflows
In Sachen HDR unterstützt FCPX REC. 2020 HLG sowie REC. 2020 PQ (HDR10). Hierbei wird die Waveform-Anzeige im Viewer automatisch auf eine Skala bis max. 10.000 Nits geschaltet.

Wir haben kurz mal ein HLG-Video in FCPX importiert und dieses wurde korrekt in FCPX 10.4 als REC. 2020 HLG interpretiert. Allerdings hatten wir auch gleich folgenden Warn-Hinweis:

HDR-Bearbeitung macht nur dann wirklich Sinn, wenn man auch ein HDR-Display als Video-Monitor nutzen kann. Wer einen HDR Monitor mit FCPX an einem Mac betreiben möchte, muss in eine externe Breakoutbox (bsp. AJA Io 4K Plus o.a.) investieren. Hieran lassen sich dann via HDMI oder HD-SDI entsprechende HDR-Monitore betreiben. Ohne angeschlossenen HDR-Monitor lassen sich HDR-Signale auch als RAW-Values in FCPX anzeigen – aber für Farbkorrekturen braucht es dann schon ein entsprechendes Display.
In Sachen HDR werden wir versuchen, in den kommenden Monaten noch mehr Infos bereit zu stellen – allerdings sind das recht hardwareintensive Tests, die den Rahmen dieses FCPX 10.4 Tests sprengen würden ...
360 VR
Mit FCPX 10.4 hält nun auch eine breitere 360° VR Unterstützung Einzug. Hierbei wird sowohl der Import, die Bearbeitung als auch der Export von 360° Video unterstützt. Auflösungen von 4K, 8K und darüber hinaus sind mit FCPX 10.4 möglich.

Wer mal mit equirectangularem Video gearbeitet hat, weiss, dass für eine optimale Bearbeitung ein entsprechendes Monitoring notwendig ist. Bedeutet: Man benötigt eine VR-Headset bei Videoschnitt, um immer wieder mal Effekt u.a. im 360° View überprüfen zu können. Auch hierfür bietet FCPX jetzt eine Lösung an – allerdings im Verbund mit Drittsoftware.
Für den Betrieb eines VR-Headsets muss SteamVR auf den Mac heruntergeladen werden. Hiermit lässt sich dann ein VR-Headset am Mac betreiben und die 360° Inhalte auch hier ausgeben und zwar sowohl unter FCPX 10.4 als auch unter Motion für all diejenigen, die tiefer in Effekte für 360° Video einsteigen wollen.
Zu den neu hinzugekommenen Bearbeitungstools für 360° Videos zählen in FCPX dann auch: Cloning-Tools für das Kaschieren des 360° Kamera-Standpuktes, Horizontbegradigungen und die Anpassung der Viewer-Perspektive.
Fazit
Mit der Version 10.4 halten mächtige neue Funktionen Einzug in Final Cut Pro X: Umfassende Farbkorrektur-Tools inkl. Farbräder und Bezierkurven, HDR-Workflows sowie 360° VR Bearbeitung (inkl. VR-Headset Ausgabe).
Apple hat hierbei clever das Layout der neuen Tools optional für mobiles Arbeiten an Monitoren mit geringerer Auflösung / Arbeitsfläche als auch für stationäres Arbeiten mit größeren Auflösungen entworfen. Zusammen mit dem Teils beeindruckend komplexen Funktionsumfang dürfte für viele Postproduktionsworkflows der Schritt zum Roundtripping zu anderen Programmen deutlich später erfolgen, wenn nicht gar komplett wegfallen - insbesondere in mobilen Setups.
Wer komplexere Farbkorrekturen bsp. mit diversen Layern/Nodes oder Masken-Trackings benötigt, wird immer noch spezialisiertere Programme benötigen und auch die Audio-Produktion darf unter FCPX für unseren Geschmack noch mehr in Richtung Sequencer ausgebaut werden.
Aber wer mit die bestmögliche, mobile Videoperformance sucht, hat mit FCPX 10.4 vor allem auf MacBooks jetzt nicht nur einen sehr effizienten Editor, sondern auch eine beachtlich umfassende Farbkorrekturlösung.


















