Die Philosophie hinter Edius bleibt weiterhin sehr puristisch: Der eigentliche Schnitt steht im Vordergrund, für Funktions-Überfluss muss man zur Konkurrenz gehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Edius 6 keine neue Funktionen erhalten hat. Nur finden sich diese eher unaufällig im Hintergrund. Da wollen wir doch mal graben...
Neue Formate
Die größte Neuerung, die ins Auge sticht, ist die native 10 Bit-Unterstützung bei entsprechenden Videoformaten. Zur schnellen Bearbeitung dient herbei der neue HQX-Codec, der neben den Farbkanälen auch Alpha-Kanäle mit 10-Bit speichert. Neben HQX kann zusätzlich auch Uncompressed 10 Bit sowie AVC-Intra 50/100 in der Timeline mit 10 Bit decodiert werden. Edius selber berechnet jedoch fast alle Effekte nur mit 8 Bit, eine Anpassung auf 10 Bit ist erst für kommende Versionen geplant. Erste Ausnahme ist allerdings schon der Layouter (s.u.). Wenn man also 10 Bit Footage in einem 10 Bit Projekt benutzt und HQX als Render-Codec verwendet ist eine durchgehende 10 Bit-Verarbeitung möglich, solange man nur Hard-Cuts macht und ausschließlich den Layouter als Effekt verwendet.
Bei den Projekt-Vorlagen sind nun auch 1080 50p/60p sowie Canon XF MPEG-2 hinzugekommen. Außerdem sind nun auch frei definierbare Auflösungen bis zu 4K möglich. Aber auch Webprojekte mit kleinen oder krummen Auflösungen sind nun erstmals einstellbar.
Layouter
Hinter dem Layouter von EDIUS 6 verbirgt sich eine echte 3D-DVE, die kaum etwas zu wünschen übrig lässt. Clips lassen sich hier skalieren, drehen, beschneiden oder auch mit einem Rahmen versehen. Natürlich bleibt dabei alles per Keyframes animierbar. Der ehemalige 3D-Bild im Bild Effekt wird damit überflüssig, ist aber weiterhin in der Filterliste, um auch ältere Projekte noch öffnen zu können.

Schön ist auch, dass sich der Layouter frei in der Filterliste verschieben lässt. So kann dieser beispielsweise auch erst nach einer Maskierung (s.u.) eingesetzt werden, was sehr flexible Effektkombinationen ermöglicht. Leider gilt das nach wie vor nicht für den Keyer, der als “anderer Effekt” nicht in beliebiger Reihenfolge angewendet werden kann. Stattdessen wirkt der Keyer immer nur als anschließender Effekt nachdem alle Filterkombinationen berechnet wurden. Eine Farbkorrektur die sich nur auf die gekeyten Bereiche auswirkt ist somit nur umständlich zu realisieren, funktioniert aber auch in Grenzen mit den Chrominanzfilter. Konkurrenten wie Vegas oder Premiere sind bei der Effektkombination etwas flexibler und bieten mit Filterlisten mehr Überblick über Parameter in Effektverkettungen. Bei Edius muss man jeden Effekt als separates Fenster öffnen.
Timeline
Auf der Timeline lässt sich nun das Output-Mapping (ähnlich wie bei Avid) mit der Maus den einzelnen Spuren zuweisen, bzw. ändern. Wird mit der rechten Maustaste ein Clip in die Timeline gezogen, erscheinen in einem Popup-Menü alle Insert-Optionen zur direkten Auswahl (ähnlich wie bei Final Cut Pro). Überfällig war auch die Möglichkeit, Audioclips im Subframe-Bereich zu verschieben, was nun möglich ist.
Vorschau
Am Auffälligsten und schon seit jeher ein Markenzeichen von Eidus ist die optionale, eingeblendete Status-Anzeige mit Timecode und Audio-Level Peakmeter. Das ist nicht nur praktisch, sondern kann auch bei Kunden enorm Eindruck schinden ;)

Neuerdings kann nun auch ohne zusätzliche Hardware das Vorschaufenster bildschirmfüllend dargestellt werden. Dazu gibt es eine Zebra-Anzeige für Unter- und Überbelichtung. Für Hochkant-Filme kann die Preview zusätzlich auch gedreht werden. Wer einen zweiten Monitor anschließt erlebt auch hier eine butterweiche Vorschau in voller HD-Auflösung (was die Konkurrenz ohne Zusatzkarten nicht immer so sauber hinbekommt). Leider lassen sich die Monitor-Einstellungen des zweiten Monitors (vor allem die Bildwiederholfrequenz und die Auflösung) nicht direkt aus dem Programm heraus verändern. Dafür gelingt der Pulldown auch bei divergierenden Frequenzen äußerst sehenswert. Wer Projekteinstellungen oft wechselt muss in diesem Fall immer in die Windows Systemsteuerung oder noch eine professionelle GrassValley-Hardwarelösung dazukaufen.
Das Vektorksop und der Waveformmonitor reagieren übrigens deutlich langsamer als bei Vegas oder Premiere, was jedoch für die meisten Anwender nicht wirklich von Interesse sein dürfte.
Masken
Besonders erwähnenswert erscheint uns noch das neue Masking-Tool, das (auch mehrere) voll animierbare Bezier-Masken erlaubt. Gerade zusammen mit der schnellen Farbkorrektur lassen sich hier schnelle (aber eben nur 8 Bit) Gradings erstellen. Auch Track-Matten sind damit möglich.

Erstaunlich ist auch hier die Geschwindigkeit, mit der die Masken animiert werden können. Auf unserem Sandy-Bridge Core i7-2600K-Testsystem wurde selbst die Verschiebung einzelner Knoten bei 50p-Material ich Echtzeit berechnet.
Nacheffekt Plugin Brücke?
Wir sind nicht ganz sicher, ob diese Funktion neu ist, aber auf jeden Fall findet sich in den Systemeinstellungen nun auch eine “Nacheffekt Plugin Brücke”. Vielleicht wurde diese Funktion bewusst schlecht eingedeutscht, um Lizenzproblemen aus dem Weg zu gehen, aber das ist nichts weniger, als ein Import-Modul für After Effects Plugins. Wir haben keine ausführlichen Tests gemacht, aber es funktionieren nur 32 Bit Plugin Versionen, die keine ausgefallenen Oberflächen-Parameter unterstützen. Diese Effekte werden auch meistens nicht in Echtzeit gerendert, stellen aber dennoch eine bequeme Möglichkeit dar, auf ausgefallene Effekte in einem Edius-Projekt zuzugreifen.
Automatische Proxies
Für den mobilen Schnitt kann ein ganzes Projekt inklusive kleingerechneten Proxy-Files exportiert werden. So kann mit Proxies auf einem leistungsschwächeren Gerät der Schnitt fortgesetzt werden. Gerendert wird das finale Projekt wieder mit den Originalfiles auf der großen Maschine, nachdem das Projektfile zurück gespielt wurde.
Dazu können Proxies im Hintergrund während des Schnittes erstellt werden. Auf unserem System liess sich dabei auch noch ohne spürbare Beeinträchtigung im Vordergrund weiterarbeiten. Sehr Cool.
Spontan vermisst gegenüber der Konkurrenz haben wir in erster Linie ein Tool zum Clip-Tagging.
Praxis-Eindrücke
Es ist wieder einmal schwer zu beschreiben, aber wenn man eine Edius-Timeline vor sich liegen hat, ist das Schnittgefühl einfach "griffiger" als bei anderen Softwarepaketen. Kein anderes Programm reagiert so direkt auf Eingaben vom Anwender. Eigentlich muss man diesen Vergleich zwischen den Programmen selber erfahren, um wirklich zu begreifen, was das für einen Unterschied beim Arbeitsgefühl ausmacht. So läuft AVHCD/MP4-Schnitt auf unserem aktuellen Testsystem praktisch so butterweich wie seinerzeit der DV-Schnitt. Wenn man mir der Maus in der Timeline hin und her fährt bekommt man sogar bei AVCHD 50p Material einen so direktes Feedback, dass einem andere Programme irgendwie hakeling vorkommen. Dabei gelang uns zum ersten mal bei einem aktuellen Schnittsystem überhaupt ein praktisch ruckelfreies Rückwärts-J-Shutteling mit AVCHD. Sogar mit vielen aktiven Effekten. Dazu lassen sich alle Effekte auch live justieren, d.h während die Wiedergabe läuft. Andere Programme halten hierfür gerne die Wiedergabe an.
Fazit
Die famose Echtzeitleistung und das direkte Feedback der Oberfläche bleiben unserer Meinung nach das Haupt-Kaufargument für Edius. Auch ohne spezielle Grafikkarte (wie beispielse Adobes Mercury Engine/CUDA-Kombination ) oder eine HD-Out-Karte (z.B. Decklink) kann man mit diesem Programm extrem flüssig arbeiten. Die neuen Funktionen sind dabei praxisgerecht und sorgen weiterhin dafür, dass man sich als Cutter auf das wesentliche beim Schnitt konzentrieren kann. Durch die Unabhängigkeit von einer speziellen GPU und die transparenten Proxy-Funktionen empfiehlt sich Edius dazu auch im mobilen Schnitt auf einem Laptop wie kaum ein zweites Programm.