Das Negative kurzgesagt
So beeindruckend der Filmlook von videofähigen DSLRs auch ist, ohne genaue Kenntnisse der Nachteile von Video-DSLRs gegenüber gewöhnlichen Camcordern kann sich beim Einsteiger schnell Frust einstellen – deshalb hier einmal kurz die wichtigsten Nachteile zusammengefasst, bevor wir uns etwas ausführlicher mit einzelnen Aspekten des DSLRs-Filmens befassen.
Nur wenige Modelle mit brauchbarem Autofokus: Was traditionelle Filmer nicht stört, weil es beim Film auch keinen Autofokus gibt (sondern wenn nötig den Autofokus-Puller), empfinden viele Video-Filmer als ungewohnt oder sogar K.O-Argument. Zwar bieten viele videofähige DSLRs kontrast-gesteuerten Autofokus im Live-View-Modus, aber dieser ruckelt mehrere Sekunden, bevor er sitzt und ist für bewegte Objekte völlig unbrauchbar. Wer also ohne Autofokus während der Aufnahme nicht auskommt und auch nicht gewillt ist dies zu lernen, bzw. seinen Aufnahme-Workflow entsprechend umzustellen, für den sind viele derzeitige Video-DSLRs keine Alternative zur traditionellen Videocam.
Allerdings legen die Hersteller hier gerade mächtig nach. Mit dem sog. Dual-Pixel Autofokus-System bietet Canon für ausgewählte Video-DSLRs eine ziemlich brauchbare AF-Funktion für den Videobetrieb an. Auch bei den videofähigen Systemkameras finden sich immer häufiger Autofokussysteme verbaut, die dem von dezidierten HD-Camcordern entsprechen. Trotzdem bleibt das Thema Autofokus noch eine Achillesverse der meisten Video-DSLRs.
Auch in Sachen Ton gilt es um die Problemlage zu wissen: Zunächst einmal zeichnen diverse Video-DSLRs in diversen Tonformaten auf. Dies kann Mono oder Stereo sein, und auch das Ton-Sampling und die Qualität unterscheiden sich von Kamera zu Kamera mitunter sehr. Die eingebauten Mikrofone liefern eigentlich in allen Modellen unzureichende Tonqualität. Externe Mikros schaffen Abhilfe - noch besser ist entweder eine komplett externe Tonaufzeichnung oder zumindest ein externer Audio-Vorverstärker mit XLR-Eingängen. Im Fall von externer Audioaufnahme müssen in der Postpro Bild und Ton gesyncht werden, und dies will bereits bei der Aufnahme (Timecode, Klappe) mit bedacht werden.
Fehlende Ausstattung - etwa Stichwort Timecode: Video-DSLRs bieten keinerlei brauchbare Timecode-Funktionen. Der Timecode kommt erst in der Postpro ins Spiel. Die Aufnahmedauer ist häufig auf knapp 30 Minuten beschränkt, wer mehr am Stück filmen muss, ist außen vor. Zebra-Anzeige für Überbelichtung, Title- und Action-Safe Rahmen fehlen häufig ebenso wie live-Audio-Aussteuerung während der Aufnahme. Auch lassen sich Video-DSLRs sehr viel schlechter ohne zusätzliche Ausrüstung halten, als Videokameras. Das meist fehlende schwenkbare Display erschwert das Filmen. Auch Peaking oder speziell zuweisbare Video-Funktionstasten sind häufig nicht vorhanden.
Nicht zuletzt sollte man „HD-Auflösung“ bei Video-DSLRs eher mit Vorsicht geniessen: Was an HD-Formaten bei den DSLR-Cams herauskommt sind meist stark herunterskalierte Bilder des Foto-Sensors (Pixel-Binning = gut für die Signal/Noise-Ratio, Lichtempfindlichkeit, schlecht für die Auflösung). Das Resultat sind Aliasing-Artefakte und ein teilweise im Vergleich zu HD-Camcordern vermindertes Auflösungsvermögen. Diverse Testcharts-Aufnahmen künden von verringerter Auflösung und Aliasing- (z.B. Moiree) Artefakten, die in Real-Live-Aufnahmen häufig akzeptiert oder einfach übersehen werden, weil der Kontrast von scharfen zu unscharfen Bildelementen (bei offener Blende) den (falschen) Eindruck von hoher Auflösung hinterlässt.
Mit den ersten 4K-fähigen Video-DSLR Modellen könnte sich allerdings die HD-Videoqualität deutlich verbessern. Da derzeit noch kaum Modelle am Markt sind, bleibt dies jedoch Spekulation und damit abzuwarten.
Betrachtet man diese im Vergleich eher längere Negativ-Shortlist, könnte man die Frage stellen, weshalb also überhaupt mit Video-DSLR drehen?
Nun, wir meinen, dass die Mühen im Vergleich zum gebotenen Filmlook durchaus lohnen – doch letztlich muss dies jeder für sich und sein Anwendungsgebiet entscheiden.
Im Folgenden ein etwas genauerer Blick auf einzelne, wichtige Aspekte bei der Arbeit mit Video-DSLRs.