Wissen Verfahren der Bildstabilisation Teil 2: Statische und bewegte Kamera

Verfahren der Bildstabilisation Teil 2: Statische und bewegte Kamera

Im ersten Teil unserer Artikelserie haben wir uns in der Theorie damit befasst, welche Arten der Bildstabilisierung es gibt. Doch nun wollen wir das ganze auch einmal aus der praktischen Sicht betrachten…

// 11:01 Di, 17. Jul 2018von

Im ersten Teil unserer Artikelserie haben wir uns in der Theorie damit befasst, welche Arten der Bildstabilisierung es gibt. Doch nun wollen wir das ganze auch einmal aus der praktischen Sicht betrachten...





Eine Frage des Motivs

Genau genommen gibt es mindestens zwei grundsätzlich verschiedene Anwendungsfälle für eine Bildstabilisation. Einmal die statische und einmal die bewegte Kamera. Im ersten Fall soll die Kamera wie auf einem Stativ wirken und die Szene wirklich komplett "festgehalten" werden. Der Bildstabilisator soll hier also dazu dienen, den Blick der Kamera komplett statisch festzuhalten. Bei einer Stabilisation einer bewegten Kamera soll dagegen die Bewegung der Kamera geglättet werden, damit ein gleitender Eindruck der Kamerabewegung entsteht.



Wir haben uns unter diesem Aspekt die Bildstabilisation von Sony in einer A7III und von Panasonic in der GH5 und GH5s näher angesehen. Hierfür haben wir in einem ersten Test versucht, die Kamera möglichst ruhig bei vergleichbaren Brennweiten mit ähnlichem Bildausschnitt auf ein statisches Motiv zu halten. Schon dieser Ansatz ist definitiv subjektiv, denn jeder Mensch hat ein anderes Handzittern. Noch dazu ist zu erwarten, dass Kameras auf unterschiedliches Zittern unterschiedlich gut reagieren.





Die statische Kamera

Die visuellen Ergebnisse haben sich in der Praxis kaum unterschieden. Egal ob bewegter Sensor, optische Stabilisation oder die Kombination von beidem. Sowohl Sonys A7III als auch die Panasonic stabilisierten unser Motiv ähnlich zuverlässig. Die Unterschiede der Stabilisierung lagen in diesem Anwendungsfall wirklich in subjektiven Nuancen, die man nicht ohne esotherische Anwandlungen sinnvoll kategorisieren kann. Auch die adaptierte Stabilisierung eines Canon 35mm/F2 IS USM an einer GH5s lieferte sehr ähnliche Ergebnisse.



Das Canon 35mm F2.0: Lichtstarke, weitwinkelige Festbrennweite mit gutem Stabilisator für Videoaufnahmen.
Das Canon 35mm F2.0: Lichtstarke, weitwinkelige Festbrennweite mit gutem Stabilisator für Videoaufnahmen.


Somit kann ein stabilisiertes Objektiv nach unserer Meinung einen bewegten Sensor ersetzen. Eine Kombination aus GH5 mit stabilisiertem 12-60mm als DUAL-IS (also doppelter BIldstabilisation) erzielte in unseren Augen keine signifikante Verbesserung der statischen Stabilisation gegenüber den einzelnen Stabilisatoren. Was nicht heißen soll, dass es hier mit anderen Versuchsaufbauten vielleicht doch noch subtile Unterschiede zu entdecken gibt. Wir konnten beispielsweise mangels geeigneter Objektive keine sehr großen Brennweiten vergleichen.



Bei Panasonics DUAL O.I.S. teilen sich Optik und bewegter Sensor die Stabilisation.
Bei Panasonics DUAL O.I.S. teilen sich Optik und bewegter Sensor die Stabilisation.




Was man allerdings anmerken sollte: Panasonic bietet teilweise in der Kamera deutlich mehr Optionen für den geplanten Einsatzzweck. So kann man bei der GH5 den Stabilizer auch "locken" (womit das Bild wirklich fast eingefroren wird) oder man kann die Wirkung der Stabilisierung auf die Vertikale beschränken um Schwenks aus der Hand zu realisieren. Hier hat Panasonic ganz klar einen Pluspunkt, wobei diese Funktionalität selbstredend nur nützlich ist, wenn der Kameramann davon weiß und sie entsprechend der Szene beim Dreh aktiviert.



Auch die Stabilisation in Resolve und Premiere funktionierte übrigens sehr gut. Der Auflösungsverlust durch leichtes, prinzipbedingtes Einzoomen ins Bild fiel bei unserem Test im Vergleich kaum auf.





Der bewegte (Kamera-)Mann

Will man Stabilisatoren bei bewegter Kamera seriös vergleichen, so bräuchte man einen Kamera-Roboter, der die Kamerabewegung (inklusive Zittern) reproduzierbar nachstellen kann. In Ermangelung eines solchen wollen wir gleich zu unseren subjektiven Praxiserfahrungen übergehen.



Auch bei bewegter Kamera gilt, dass sowohl optische Stabilisation als auch bewegter Sensor nach unserer Erfahrung subjektiv vergleichbare Ergebnisse liefern. Allerdings gelingt es keinem Verfahren bei bewusst bewegter Kamera einen Dolly oder einen Gimbal zu ersetzen.



Einen Gimbal für eine Kamerafahrt kann kein Bildstabilisator ersetzen.
Einen Gimbal für eine Kamerafahrt kann kein Bildstabilisator ersetzen.


Wer mit einer unstabilisierten Kamera in der Hand läuft, bekommt auch mit allen Tricks der Welt kaum eine saubere Fahrt hin. Der Sensor-Randpixel-Ausgleich fällt zusätzlich gegenüber den anderen Verfahren ab, weil sowohl der Rolling Shutter als auch Bewegungsunschärfen durch die Kamera stärker hervortreten.



Bei allen Verfahren verbessert sich in der Regel die Stabilität einer Kamerabewegung dennoch deutlich. Allerdings kann es - natürlich subjektiv nach Bewegungstyp- auch zu Hängern kommen. Das bedeutet, dass der Bildstabilisator denkt, er müsse das Bild festhalten, obwohl es sich um eine bewusste Bewegung handelt. Solche Fälle sind meistens störender als eine Verwackelung, weil sie sehr unnatürlich wirken. Tritt ein solcher Fall in einer Szene auf, so hilft nur Wegwerfen oder ein Korrekturversuch in der Postproduktion...





Fix it in the Post - Die Nachbearbeitung

Grundsätzlich sind wir immer wieder erstaunt, wie gut sich Szenen in der Nachbearbeitung mittlerweile stabilisieren lassen. Deswegen eine Kamerafahrt nur schludrig mit viel Rahmen aufzunehmen oder sogar komplett nachträglich eine virtuelle Fahrt in einer statischen Aufnahme im Rechner anzulegen, gelingt nach unserer Erfahrung dennoch niemals überzeugend. Denn wenn die digitale Korrektur in extremen Bereichen stattfindet, stört schnell die unnatürliche digitale Verlagerung des optischen Fluchtpunktes im Bild. Das größte Problem ist nach unserer Erfahrung jedoch die Korrektur des Rolling-Shutter Verhaltens. Praktisch jeder größere Ausreißer der Kamera sorgt in der Korrektur für ein unnatürliches Wabern im Bild (Jello-Effekt), das sich nach der Stabilisation wie stehende Wellen über das Bild ausbreitet.



Zielführender ist es daher die Kamerafahrt immer schon so gut und sorgfältig wie möglich bei der Aufnahme auszuführen. Wer jedoch von vornherein damit rechnet, dass die Aufnahme in der Postproduktion noch einmal kräftig angefasst wird, sollte dennoch genügend Rand um das spätere Framing der Aufnahme einplanen.







Kurzer Shutter und viel FPS

Als beinahe wichtigster Tipp erscheint uns für diesen Fall jedoch das Filmen mit einem extrem kurzen Shutter. Denn bei einem Shutter von 1/100s (wenn möglich sogar noch deutlich kürzer) wird die Bewegungsunschärfe aus den einzelnen Frames verbannt, was es dem Tracker in der Postproduktion deutlich vereinfacht, einzelne Punkte zu Stabilisierung im Bild zu verfolgen. Beim Außendreh lässt sich hierdurch sogar manchmal ein zusätzlicher ND-Filter bei relativ offener Blende einsparen.



Nachteilig am kurzen Shutter ist natürlich die dabei entstehende Ästhetik, die sich diametral zum Film-Look verhält. Allerdings lässt sich (z.B im Resolve Studio) auf geeignetes Material rückwirkend wieder Bewegungsunschärfe als Optical Flow Effekt auf das Bild rechnen, was in der Praxis meist erstaunlich realistisch wirkt.



Auch mehr Bilder pro Sekunde helfen dem Tracker sauber zu skalieren. So sind nicht nur 50 oder 60 fps, sondern sogar ein größeres Vielfaches der finalen FPS erstrebenswert, wenn man einen Shot in der Postproduktion stabilisieren will. Dies lässt sich ebenfalls mit kurzen Belichtungszeiten und nachträglichem Motion Blur realisieren.





Sonstiges

Wenn es um eine Aufnahme geht, bei der die Kamera virtuell festgehalten werden soll, liefern nach unserer Erfahrung fast alle Tracker ein gutes Ergebnis. Bei der Korrektur einer bewegten Kamera bevorzugen wir subjektiv den Warp Stabilizer von Adobe vor dem Resolve-Stabilizer. Letzterer ist zwar seit der GPU-Unterstützung rasend schnell, jedoch liefert der Warp-Stabilizer in der Regel ohne große Parametersuche brauchbare Ergebnisse. Hierfür muss man allerdings meist auch eine lange, vorangehende CPU-Analysephase des Clips hinnehmen.



Der Warp Stabilizer von Adobe liefert bei bewegter Kamera oft bessere Ergebnisse als Resolve, allerdings auch bei weitaus mehr Analysezeit.
Der Warp Stabilizer von Adobe liefert bei bewegter Kamera oft bessere Ergebnisse als Resolve, allerdings auch bei weitaus mehr Analysezeit.


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