Was gilt bei Personenaufnahmen - Kunsturhebergesetz oder DSGVO?

Bisher wird in Deutschland das Recht am eigenen Bild im Kunsturhebergesetz (KUG) festgeschrieben. Dort wird bereits seit langem definiert, dass die Abbildung einer Person generell nur nach dessen Zustimmung erlaubt ist -- eben das Recht am eigenen Bild ( KUG §22). Nur in einigen Ausnahmefällen muß keine Genehmigung eingeholt werden, beispielsweise wenn es sich um eine Person des Zeitgeschehens handelt, oder wenn sie nur sogenanntes Beiwerk beispielsweise in einer Landschaftsaufnahme ist, oder nur als Teil einer größeren Menschenansammlung zu sehen ist ( KUG §23). Die große Frage lautet nun unter Filmern: wonach soll das Recht am eigenen Bild künftig geregelt werden -- weiterhin nach dem KUG, oder nach der neuen Datenschutzverordnung? Ist ein Bild noch ein Bild, oder ist es eine Datenerhebung?



Im Rahmen eines Praktikseminars der AG DOK, bei welchem Dokumentarfilmer geschult wurden bezüglich der neuen Regelungen der EU-Datenschutzgrundverordnung und was diese für die (inner)betrieblichen Abläufe bedeuten, ging es am Rande auch um diese Problematik. Dabei gab es sowohl Positives als auch Negatives zu hören. Dazu gleich etwas genauer, doch zunächst die gute Nachricht -- sie lautet: obwohl ein Personenabbild durchaus als personenbezogene Information gelten kann, etwa in Ausweisen uä, muß es, anders als teilweise im Internet zu lesen ist, dadurch nicht auch automatisch unbedingt immer der neuen DSGVO unterliegen. Die schlechte Nachricht lautet: es bleibt dennoch Interpretationssache -- ganz sicher weiß momentan offensichtlich keiner, wie die neue rechtliche Situation ausgelegt werden soll, kann oder wird.



Wie der auf Filmrecht spezialierte Rechtsanwalt Christlieb Klages erklärte, gibt es in Fachkreisen unterschiedliche Meinungen dazu, wie sich das Kunsturhebergesetz zur neuen DSGVO verhält bzw. ob es weiterhin Geltung haben wird. Denn Artikel 85 der DSGVO stellt den EU-Mitgliedstaaten frei, Abweichungen oder Ausnahmen ua. für künstlerische Zwecke zu definieren, "um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen". Eben dies passiere im Kunsturhebergesetz (als lex specialis), weshalb es seiner Meinung nach durch die DSGVO nicht aufgehoben würde; sowohl die Regelungen als auch die bestehende Casuistik zu den Paragraphen 22 und 23 dürften im Ergebnis bestehen bleiben, sei es direkt als spezialgesetzliche Vorschrift oder über die Abwägung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit.f.





Allerdings gäbe es auch Kollegen, die anderer Ansicht seien -- letztendliche Klarheit müsse durch einschlägige Urteile von Gerichten geschaffen werden, da eine klare Stellungnahme und Einbeziehung des Gesetzgebers über bzw. zu Artikel 85 der DSGVO leider ausstehe. Verschiedene Kräfte haben bereits versucht, diesbezüglich auf den Gesetzgeber einzuwirken und versuchen dies weiterhin mit erhöhtem Druck. Sollte der Gesetzgeber jedoch nicht reagieren, beispielsweise mit einer Formalausnahme für Presse und Dokfilm, so Klages, könne die Frage nur gerichtlich geklärt werden.



Tatsächlich liest man zB. auf telemedicus die genau gegenteilige Auslegung, nämlich, dass das KGO von der DSGVO "verdrängt" würde. Welche Meinung sich vor Gericht bestätigen wird, bleibt letztlich abzuwarten; zumindest scheint es aber möglich, dass das KUG doch weiterhin gelten könnte. Immerhin steht mit Herrn Klages, der nicht nur durch seine eigene Kanzleitätigkeit, sondern auch als Lehrbeauftragter für Film- und Urheberrecht an der dffb, Herausgeber eines Buches über Filmrecht sowie als Vertragsanwalt der AG DOK mit der Materie vertraut ist, ein fachliches Schwergewicht mit seiner Prognose auf der Seite des KUG.



Doch selbst wenn man mit einer nach KUG §22 gültigen Einverständniserklärung der gefilmten oder fotografierten Personen anscheinend auch nach dem 25.5. laut Klages halbwegs ruhig schlafen kann, bleibt eine Unsicherheit wegen der differierenden Auslegungen definitiv bestehen. Und auf die direkte Frage, ob eine nicht genehmigte Aufnahme einer Person künftig nicht nur ein Verstoß gegen das KUG, sondern auch gegen die DSGVO sei, lautete die Antwort, das wäre vermutlich eine der ersten Fragen, die vor Gericht geklärt würden. Auch müssten vermutlich Model-/Protagonistenverträge uä. aufgrund der in ihnen enthaltenen persönlichen Angaben umformuliert oder ergänzt werden.



UPDATE 14.5.:: Der Bürgerservice des Bundesministeriums des Innern teilt in einer Stellungnahme mit, dass die neue Datenschutz-Grundverordnung das Kunsturhebergesetz (KUG) nicht außer Kraft setze. Es ergeben sich laut BMI aus der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und den diese ergänzenden nationalen Gesetzen "keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage bei der Anfertigung und Verbreitung von Fotografien". Das KUG füge sich als "deutsche Anpassungsgesetzgebung" in das System der DS-GVO ein, eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes sei somit nicht erforderlich.



Das Kunsturhebergesetz regelt allerdings die Verbreitung von bildlichen Aufnahmen, nicht die Anfertigung. Für letzteres galt laut BMI bisher die alte EU-Datenschutz-Richtlinie und ab dem 25.5. die neue Datenschutz-Grundverordnung, welche ein widerrufbare Einwilligung erfordert, jedoch auch "alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO)" vorsehe. Zu den kompletten Ausführungen des BMI



Neue EU-Datenschutzvorschriften vs. Kunsturhebergesetz -- unsichere Zeiten für Filmer und Fotografen : pic2




Ähnliche Artikel //
Umfrage
    Welche Streaming-Dienste nutzt Du?













    Ergebnis ansehen

slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash