Die normative Kraft des Faktischen?

Um abschließend noch einmal auf die Problematik mit der Abbildungserlaubnis und dem Recht am eigenen Bild zurückzukommen: Sollte künftig tatsächlich jede nicht ausdrücklich bewilligte, erkennbare Abbildung einer Person eine Gesetzesübertretung nach DSGVO darstellen, fragen wir uns, wie die Verfolgung dieses Tatbestands in der Praxis eigentlich ablaufen soll. Denn in einer Zeit, in der beinahe jeder eine Smartphone-Kamera zur Hand hat und von dieser in der Regel ausgiebig im öffentlichen Raum Gebrauch macht, um die Fotos und Videos daraufhin auf Facebook, Instagram, YouTube und Co. zu veröffentlichen, käme dies aus unserer Sicht einer Kriminalisierung breiter Bevölkerungsschichten gleich. Denn häufig sind ja auch Unbeteiligte im Bild, was übrigens bereits jetzt laut KUG ohne Erlaubnis meist nicht zulässig ist, allerdings de facto kaum verfolgt wird. Dass aufgrund der neuen Bestimmungen nun plötzlich keine Bilder mehr erstellt und geteilt werden, ist nicht sehr wahrscheinlich. Zwar findet die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten "durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten", doch sowie dabei Daten an nicht-natürliche Personen, etwa Konzerne wie Facebook & co. fließen, dürfte die Verordnung sehr wohl gelten.



Und natürlich liegt genau hier der Hund begraben: es ist beinahe unmöglich, als Person nicht ungewollt in irgendwelchen Aufnahmen aufzutauchen, doch aufgrund immer ausgefeilteren Techniken der Gesichtserkennung ist eine Identifizierung von abgebildeten Personen automatisiert möglich und wird auch praktiziert, etwa bei Facebook. Ein ausgiebiges Tracking und Profiling ist möglich, vor allem ggf. auch mit Hilfe der zusätzlich verfügbaren Bildmetadaten. Über all diese Datenspuren hat die versehentlich oder unwissentlich abgebildete Person jedoch keine Kenntnis oder Kontrolle.


Neue EU-Datenschutzvorschriften vs. Kunsturhebergesetz -- unsichere Zeiten für Filmer und Fotografen : pic3

Dem in irgendeiner Form Einhalt zu gebieten, wäre sicherlich nicht schlecht -- bleibt nur abzuwarten, ob die neue DSGVO hier tatsächlich die gewünschte Wirkung bringt, indem das Verknüpfen oder Weitergeben der Daten erschwert wird, oder ob sich aufgrund von Sonderbestimmungen einzelner Staaten (gemäß Art. 85) oder des weiten Interpretationsspielraums in Punkto "Wahrung der berechtigten Interessen" desjenigen, der die Daten erhebt, hinter den Kulissen letztlich wenig ändert.



In diesem Fall brächte die neue Richtlinie hauptsächlich viel zusätzlichen Aufwand, beispielsweise in Form von mehr Datenschutzinformationen, die schon jetzt kaum jemand liest, und wie es scheint aufgrund der unklaren Auslegung auch zunächst größere Rechtsunsicherheit. Dass beispielsweise nicht eindeutig ist, in welchem Rahmen die Anfertigung von filmischen und fotografischen Aufnahmen von Personen per se zulässig sein wird, bzw. in welcher Form das Einverständnis der abgebildeten Personen eingeholt werden muß/sollte (nach KUG oder nach DSGVO), ist ein unhaltbarer Zustand.



Und sollte am Ende die DSGVO greifen, wäre vielleicht eine Abbildung manchmal doch zu rechtfertigen, nämlich zur Wahrung eines „berechtigten Interesses“ als Filmschaffender, zB. bei der Dokumentation von (Sport-)Events, Konzerten, Hochzeiten? Wäre es sinnvoll und möglich, eine Erlaubnis zur Abbildung einer Person künftig immer als expliziten Vertrag aufzusetzen, da eine Datenverarbeitung „zur Erfüllung eines Vertrages mit der betroffenen Person“ anscheinend zulässig ist (Art. 6 / 1b), und somit eine Löschung der Bilder vielleicht nicht nachträglich gefordert werden kann? Fragen über Fragen – verbindliche Antworten scheint es derzeit leider kaum zu geben.



Wie das Recht am eigenen Bild und der damit verknüpften Datenspur (informationelle Selbstbestimmung) sich künftig zur Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit verhalten soll, wird durchaus spannend zu sehen.



HINWEIS d. Redaktion: Dieser Artikel bietet lediglich allgemeine Informationen zum Thema und kann eine rechtliche oder fachliche Beratung nicht ersetzen.


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