Frage von Axel:Ab Donnerstag in deutschen Kinos: Terrence Malicks neuer Film
The Tree Of Life, eine wuchtige poetische Meditation über das Leben. Ein Geschäftsmann (Sean Penn) hadert mit der Welt und erinnert sich an seine Kindheit, seine familiären Probleme, besonders das Verhältnis zu seinem autoritären Vater.
Der seit fast einem halben Jahr im Netz zu sehende Trailer ist ästhetisch etwas irreführend. Man erwartet Hochglanzbilder, den Geist Philip Blooms (Hauptsache schön). Gestützt werden diese Erwartungen, wenn man auf imdb die technischen Spezifikationen nachliest:
"Cinematographic process:
Digital Intermediate (5.5K) (master format)
IMAX (source format) (some scenes)
Panavision Super 70 (source format) (some scenes)
Redcode RAW (4K) (source format) (some shots)"
Der Film selbst hat aber einen besonders "dreckigen" Look. Es beginnt mit definitivem LDR: Fast alle szenischen Aufnahmen sind im Gegenlicht, und das clippt wie bescheuert. Es ist ein Stilmittel, das keineswegs willkürlich ist, sondern das seine Wirkung im Verlauf des Films weiter steigert.
Dann gibt es sehr viel Handkamera und eine relativ unstetige Stetig-Kam. Die
absolute Schärfentiefe einer Super-8-Kamera, deren Look die etwas ausgebleichten Bilder oft imitieren.
Im starken Gegensatz dazu stehen die Aufnahmen von Naturgewalten, Meeresbrandung, Vulkanausbrüchen, Kometeneinschlägen, die in dieser Pracht noch kein Mensch gesehen hat.
Malick-typisch sind die selbst-reflexiven Off-Kommentare, hier sind sie oft direkt ein Gebet, ein Monolog, an Gott ("Du") gerichtet.
Zu sagen,
The Tree Of Life sei dechronologisch, ist die Untertreibung des Jahres. Was hier montiert wird ist ein so gewaltiges Puzzle, dass einem rasch dämmert, dass es in der Laufzeit des Films wohl nicht beendet sein wird.
Bedeutungsschwanger? Auf jeee-den Fall! Aber auch vor allem
an-deutungsschwanger. Bilder und Metaphern kurz aufflackern lassen, dann abstrakte Riesenbilder, dass einem körperlich die Luft wegbleibt, dann Gedankenfetzen und Flehen zu "Dir", dann kurze Erinnerungen von schönen und schrecklichen Augenblicken der Kindheit, Dialogfetzen von Ferne (sehr suggestiv gemischter Soundteppich), sehr effektvoller Musikeinsatz.
Entweder man liebt diesen Film, weil man sich auf ihn eintunen kann, oder man findet ihn unerträglich verschroben und gewollt, dazwischen gibt's wohl wenig.
Wie ihr unschwer erkennt, finde ich den Film Oberhammer. Hat mich umgehauen. Es gab ein paar Momente, wo ich's ein bisschen dick aufgetragen *fand* (Velociraptor, ick hör dir trappsen, kann ich da nur sagen), aber Malick ist ohne Frage eins der Genies, die nach
Finden oder Geschmack nie fragen, sonst wären solche Meisterwerke gar nicht möglich ...
Antwort von nicecam:
Nun sind wir alle voreingenommen.
Antwort von Axel:
Nun sind wir alle voreingenommen.
Ich versuche, die reinen
FdK4- oder
Hangover-2-Fans davor zu bewahren, sich ihr Hirn zu verstauchen. Und natürlich versuche ich auch, Malick-Fans oder überhaupt
jeden spirituell offenen Kinogänger, vor dem Stöhnen und Gähnen zu bewahren, das die
FdK4- oder
Hangover-2-Fans ablassen würden, wenn sie wegen Brad Pitt oder "aus Versehen" in den Film gerieten.
Hangover 2, damit dies mal klar ist, ist zwar genau dasselbe wie
The Hangover, aber als Fortsetzung sehr unterhaltsam. Ich sehe mir alles an und bin darum nicht voreingenommen. Ich sage nicht, das eine ist Kunst und das andere Pfui, aber für
The Tree Of Life sind Systemvoraussetzungen gegeben. Um zu wissen, was einen erwartet, gibt es z.B.
cinema.de, und da steht nicht "
The Tree Of Life könnte Ihnen gefallen, wenn Sie
Hangover2 mochten".
Antwort von DWUA:
Nichts ist "irreführend"!
"
...Es ist ein Stilmittel, das keineswegs willkürlich ist..."
Wenn du das, Axel, etwas genauer ausführen möchtest...
EDIT: "Gegenlicht"
Antwort von Axel:
Nichts ist "irreführend"!
"
...Es ist ein Stilmittel, das keineswegs willkürlich ist..."
Wenn du das, Axel, etwas genauer ausführen möchtest...
EDIT: "Gegenlicht"
Ich hatte den Trailer gesehen und habe einen normaleren Look erwartet. Ich finde, das ist es auch, was dieser Trailer hier vermittelt.
Zu "willkürlich". Das Wort hat eine Doppelbedeutung und ist daher missverständlich. Es kann beliebig und zufällig heißen, und in diesem Sinn meinte ich es. Als hätte Malick einfach nach einem schicken Look gesucht, wie etwa die shallow-DoF-Anhänger, und ihn aufs Geratewohl benutzt.
Das hat er nicht. Das Gegenlicht hat eine Bedeutung und emotionale Wirkung, die zu nennen hier nicht nur banal wäre, sondern darüber hinaus ein Spoiler.
Antwort von DWUA:
Wir werden diesmal wohl in "Letzte Reihe / Mitte" sitzen.
Vor uns schluchzende Silhouetten im Gegenlicht.
OT:
Berichtet uns doch mal aus eigener Erfahrung (
AXEL, KINO, PILPOP und andere),
ob im Kino heutzutage tatsächlich noch Tränen fließen, wie anno dazumal?
Antwort von nicecam:
OT:
Berichtet uns doch mal aus eigener Erfahrung (
AXEL, KINO, PILPOP ...),
ob im Kino heutzutage tatsächlich noch Tränen fließen, wie anno dazumal?
"Eigene" Erfahrung ist gut! Weinen "Die Drei vom Kino" auch selber? Oder beobachten sie nur?
(...und andere),
Bin selbst ein schlechter Kinogänger - leider. Aber wenn;
ich würde weinen - in vielen Fällen. Auch vorm heimischen Fernseher. "Klub der toten Dichter" und so. Aber warum weine ich so für mich hin? Kriegt ja womöglich keiner mit!
UND:
Wenn denn im Kino Tränen fließen - sind sie
echt? Warum weint man? Wegen der schönen Bilder - so losgelöst von Allem? Oder weil sie einen an Träume der Jugend erinnern, an Sehnsüchte, Versäumnisse? Lässt man sich im Kino anstecken von den Tränen anderer? Man lacht ja auch, wenn andere lachen; auch wenn man den Witz gar nicht verstanden hat.
Was befördert uns also?
Tränen des Glücks (Lachen) oder
Weinen des
Mittrauerns (der Fisch dient ja nur als Vehicel) im Programmkino. Vimeoclip übrigens verlinkt in
diesem slashCAM-Thread.
Nun, ob
Axel,
kino,
pilskopf wohl auch zu
dieser Frage was sagen können?
Antwort von Axel:
Ich war sehr
voreingenommen, wie du es nanntest, gegenüber
Schindlers Liste, in dem ich einen weiteren ach so betroffen machen sollenden Holocaust-Film vermutete. Es kam die Szene, als die Frauen, vorgewarnt, was sie erwartet, "zu den Duschen" gebracht werden. Schluchzend klammern sie sich aneinander. Ich versuchte, mich gegen das Grauen, das ich nicht sehen wollte, zu wappnen. Und dann - kam Wasser aus den Duschen. Die Frauen umarmten sich in Freudenschluchzern. Ich weinte sehr viel. Und ich weinte im selben Film nochmals, als die tausenden Nachfahren der Schindlerjuden über dem Hügel auftauchten, am Schluss, als das Bild farbig wurde.
Ich weinte nicht bei
Titanic.
Ich kenne keinen Menschen, den
Running On Empty nicht "geknackt" hätte.
Warum man im Kino weint? Eine affektive Reaktion aufgrund emotionaler Wechselduschen.
Starkes Herzklopfen ist bei mir eine ziemlich häufige Reaktion auf Filme. Ich habe nicht besonders dicht am Wasser gebaut. Sowas passiert im Kino, wo man sich vor einem riesigen Bild und umgeben von lauten Klängen eher fallenlassen kann, sogar bei gar nicht so tollen Filmen (Gut übrigens, dass es Kino.to erwischt hat).
Antwort von DWUA:
Und das wirklich Überwältigende kann nur in der passenden Umgebung
stattfinden, nicht als Konserve. Eben
wie im Kino.
Folgender Link ist demzufolge eigentlich ein Paradoxon;
zumindest für jene, die das gewaltigste "Musikinstrument"
noch nicht vor Ort mit dem "Bauch erlebt" haben.
Sein Einsatz ist dort, wo es "knacken" soll,
wenn
alle Register gezogen werden.
OT Ende
Antwort von Axel:
Danke.
Kirchen und Kinos haben Gemeinsamkeiten. Was bei den ersten der traumatische Weihrauchmüffel, ist bei letzteren eine Tabak-Kaugummi-Melange (Arthouse) oder Mais-Cola-Kotze (Multi-Komplex).
Orgeln sind erste Entwürfe in THX Surround ("
Turn it up! Turn it Up").
Sorry. bin etwas albern. Muss den erzwungenen Tiefgang von gestern ja kompensieren. Lollipop, lollipop ...
Antwort von jogol:
Kirchen und Kinos haben Gemeinsamkeiten.
Die Orgeln.
Malick ist ein scheuer Kracher, schert sich keinen Deut um irgendein Gelaber und zieht seinen Streifen durch. Ich kenn nur "Badlands", "in der Glut des Südens" und "der schmale Grat".Tolle Bilder und die Geschichten hatten alle etwas sehr nachhaltiges. Ich freu mich auf "The tree of life" im Kino. Kung-Fu Panda2 und die ganzen anderen zweiten, dritten, vierten und fünften Teile kuck ich dann einschlafend mit Sabberfaden im Fernsehen.
Antwort von DWUA:
Eigentlich müsste ja Heinz Erhardt genügen:
Der Baum
Unten breiten sich die Wurzeln aus
und oben kommt der Baum heraus.
Aus.
Der Baum
Der Baum hat Äste,
das ist das Beste.
Denn wäre er kahl,
dann wär's nur ein Pfahl!
In diesem Sinne:
Pardon für die "Verzweigungen".
(Wir sind umgezogen; > "Kino und Orgel" im
Off Topic - Bereich)...
Das Thema war:
The Tree Of Life demnächst im Kino.