Lange hat die Videogemeinde gemunkelt, dass wohl schon bald ein Nachfolger für die beliebte Canon XH Serie anstehen muss. Sogar einen Befreiungsschlag gegen Sonys EX1 wollten einige Internetteilnehmer schon vernommen haben, doch wie schon bei der großen Schwester XL H1 lässt Canon fürs erste nur sehr kleine Verbesserungen in diese Serie einfließen und hängt nur ein bescheidenes „s“ an die gewohnten Gerätenamen.

Nach dem Auspacken kommt sofort ein bekanntes Gefühl auf: Es bleibt schlichtweg alles beim alten: Von der Größe her liegt das Gerät ungefähr auf dem Niveau der Sony FX-1. Also tragbar und dank Henkel immer schnell einsatzbereit. Auch die Unterschiede zwischen A1 und G1 erschöpfen sich in den professionellen Anschlüssen der G1 (Timecode, Genlock, SDI). HDMI fehlt beiden Modellen, jedoch dürfte dies bei dieser Camcorderklasse noch eher verschmerzbar sein, da man als professioneller Anwender wohl selten die Kamera als Player benutzt. Wer allerdings HDMI dennoch einsetzt, dürfte bereits an dieser Stelle von dem Update enttäuscht sein. Ach ja, und die Firewire-Buchse wurde von 4 auf 6 Pole erweitert.

Bedienung
Kleiner könnte man die neue Serie kaum bauen, denn die Außenseite ist mit allen erdenklichen manuellen Schaltern und Rädchen gespickt, die beim Dreh für schnellen Zugriff auf wichtige Parameter sorgen. Das Objektiv bietet drei Servo-gesteuerte Ringe für Schärfe, Zoom und Blende, hinter denen sich auch schon die größte Änderung gegenüber den Vorgängermodellen verbirgt: Es lassen sich jetzt alle Ringe auch zeitgleich während der Aufnahme bedienen, nicht mehr nur einer exklusiv. Über zwei weitere Zoomwippen lässt sich zusätzlich am Gehäuse die Brennweite verändern. Die Zoomgeschwindigkeit ist dabei frei einstellbar und es können sogar Shoot-Transitions definiert werden. Schon nach kurzer Zeit hat man die Bedienung „intus“ und findet die meisten Tasten blind. Wer sich einmal an so eine Bedienung gewöhnt hat, will nie wieder in Menüs nach einzelnen Funktionen wühlen.

Audio
Einen klaren Vorteil kann die XH A1s gegenüber den Consumer-Sony-Modellen in dieser Preisklasse noch ausspielen: Die XLR-Anschlüsse sind getrennt regelbar, im Level umschaltbar ohne oder mit Phantomspeisung (G1s), dazu ein passables internes Stereo-Mikro und sogar noch einen Miniklinken-Mikro-Anschluss obendrauf. Eine wahrlich exzellente Audioaustattung, anders kann man das nicht ausdrücken.
Die 32,5mm (kb) Weitwinkel sind dagegen nicht mehr besonders beeindruckend. Sony setzt hier bei der FX1000 mit 29,5 mm gerade den Standard, die zumindest auch nicht mehr verzeichnen (s.u.). Auf jeden Fall gefällt der riesige mitgelieferte Akku. Bis zu 300 Minuten reicht eine Ladung, die gerade mal das halbe Akkufach einnimmt. Es können also sogar noch potentere Akkus benutzt werden.
Innere Werte
Schon bei den alten Canon XH-Modellen konnte man jedoch weit mehr einstellen, als das übliche Blackstrech oder Knee. Das ging soweit, dass man die Farbmatrizen des Sensors umprogrammieren konnte. Und nun gibt es in der neuen Serie nochmal mehr Einstellungen, um die Kamera anzupassen. Viele Neuigkeiten betreffen auch die letzten vorstellbaren Details: So sind Zoom- Schärfe- und Blendenring-Übersetzung des Servos jetzt individiuell einstellbar, der Gain kann sogar in halben Stufen eingesetzt werden und der Weißabgleich geht jetzt auch bis 1500K herunter. Hat man seine Kamera einmal so feingetuned, kann man die Files neuerdings sogar mit der großen XL-H1 austauschen. In dem Kamera-Menü ist das allerdings ziemlich pfriemelig. Besser geht das mit dem optional erhältlichen Console-Programm, das allerdings ca. 500 Euro kostet...
Angedockt
Diese Applikation macht einen normalen Laptop zu einem externen HDV-Festplattenrecorder mit allem Komfort wie Vektorskop, Waveform-Monitor und FullHD-Prewiew. Dazu lässt sich über das Programm auch der Camcorder in allen Details fernsteuern und einstellen. Kurz: „Console“ wertet den Camcorder konkurrenzlos auf, wenn man denn auf diese Art und Weise produzieren möchte. Ein großes Manko ist allerdings die Zeitverzögerung zwischen Aufnahme und Wiedergabe auf dem Laptop. Da die Kamera über Firewire angeschlossen wird, muss das Bildsignal erst einmal nach MPEG2 mit großer GOP-Struktur gewandelt, dann übertragen und dann wieder entpackt werden. Dadurch entsteht schon eine Latenz von 1-2 Sekunden. Zur Schärfekontrolle ist der Laptop allerdings deutlich besser geeignet als das mäßige Camcorder-Display oder der gering auflösende Sucher. Daher gewöhnt man sich schnell daran, bei der Aufnahme einfach sowohl Laptop als auch das Display oder den Sucher zu verwenden. Kein anderer Hersteller bietet momentan auch nur im Ansatz etwas vergleichbares. Schade nur, dass Canon das Programm nicht sonderlich aktiv vermarktet und auch nicht als kostenlose Beigabe zur Kamera ausliefert. Letzteres hätten wir eigentlich schon aufgrund der Preiserhöhung erwartet.
Bildqualität
Die 1/3-Zoll CCD-Bildwandler wurden samt Signalelektronik von den Vorgängern übernommen, weshalb sich hier kaum Veränderungen ergeben haben. Doch während seinerzeit die Kameras noch konkurrenzlose Bilder abgeliefert haben, ist das Rad der Zeit nicht stehen geblieben. Gerade im Low-Light Bereich schlagen sich die neuen Sony Exmor-Bionz-Kombis mindestens ebenbürtig. Besonders, was das Bildrauschen betrifft. Mit zugeschalteter Noise-Reduction „messen“ sich die Canon-Modelle aber nach wie vor sehr gut. Die Farben wirken bei 12 Lux etwas schwach, können aber ohne Probleme durch internes Setup ebenfalls gepusht werden. Wer nicht regelmäßig ganz ohne Licht filmt, dürfte mit den Low-Light-Möglichkeiten jedenfalls keine Probleme haben.
Sobald man in „normale“ Lichtverhältnisse kommt, führt diese Kamera dann jedes Messlabor ad absurdum. So lässt sich über die Parameter praktisch jeder Look einstellen. Man kann zwar die Werkseinstellungen messen, jedoch kann man hier nichts kritisieren. Zu „reale“ Farben können beispielsweise einfach in der Farbmatrix hochgezogen werden. Wem es nicht passt, der verändert die Kamera einfach nach seinen Wünschen.
Bleibt noch die Bildschärfe und auch hier gibt es (fast) nur Gutes zu berichten: Die Canons liefern knackscharfe Bilder an der maximalen Auflösungsgrenze von HDV. Wer auf künstliche Nachschärfung mit Contour besteht, kann diese natürlich ebenfalls noch manuell dazu schalten. Nur in den Bildkanten gibt es chromatische Aberrationen, die bei vollem Weitwinkel gelegentlich sogar deutlich sichtbar sind. Zwar behauptet Canon, das Objektiv komplett neu berechnet zu haben, jedoch konnten wir kaum eine Verbesserung in dieser Hinsicht feststellen. Dies ist jedoch ein allgemeines Phänomen dieser Geräteklasse. Abhilfe gebietet unter 10.000 Euro einzig die Sony EX1 mit ihrer digitalen CAC-Objektivkorrektur, die preislich mit der XH-G1s auf einer Stufe liegt.
Aus dem Testlabor

Die neue Canon XH-Serie nutzt wie bereits die Vorgänger praktisch die maximal mögliche Auflösung des HDV-Systems aus.

Besonders bemerkenswert ist wieder einmal, dass Canon hier praktisch ohne jegliche digitale Nachschärfung auskommt. Tadellos.

Ebenfalls nur Maximalwerte finden sich bei der Farbauflösung. Die Farben werden sauber bis in hohe Frequenz-Bereiche unterschieden.

Nur ein Hauch von kissenförmiger Verzeichnung im maximalen Weitwinkel. Auch dies ist bei 32mm (kb) Brennweite eine gute Leistung.

Einwandfrei - Bei guter Beleuchtung liefern die neuen Canons klare, sehr neutrale und natürliche Farben. In den Werkseinstellungen fanden sich keinerlei Ausfransungen.

Im Lowlight ist das Bild schön farbig und relativ hell. Das Rauschen liegt allerdings unter dem Wert „vergleichbarer Artgenossen“.

Für ein Gerät mit Kassetten-Laufwerk liefert das integrierte Mikrofon einen guten Störgeräuschabstand. Allerdings werden die Höhen etwas stark beschnitten.
Fazit
Die neuen alten Canons haben gegenüber den HDV-Rivalen von Sony genau genommen noch vier relevante Merkmale zu bieten: CCDs (statt CMOS mit Rolling-Shutter), exzessive Bildjustage-Möglichkeiten, XLR auch beim Einsteigermodell XH-A1s sowie die optionale Console-Applikation. Wer auf diese Dinge keinen besonderen Wert legt, bekommt für 700 Euro weniger bereits im Einsteigerbereich bei der FX1000 von Sony mehr Weitwinkel, eine viel schärfere Display-/Sucherkombi und HDMI. Wer in die XH-G1s investieren will, muss noch genauer rechnen: Wenn es nicht unbedingt HDV sein muss, bekommt man bereits Sonys EX1 für das selbe Budget, die sogar eine digitale Bild-Korrektur gegen chromatische Aberrationen, bessere Low-Light Eigenschaften, HD-Slow-Motion und überhaupt FullHD-Aufzeichung mit 35 Mbit bietet. Einzig die Timecode- und Genlock-Eigenschaften kann Canon dagegen noch in die Waagschale werfen. Da die meisten Änderungen gegenüber den Vorgängern in der Firmware bestehen, könnte Canon eigentlich auch ein entsprechendes Update für Anwender der alten Serie anbieten. DAS wäre dann wirklich eine Revolution. Zumal in der jetzigen Form die neuen Modelle Altkunden kaum zum Umstieg bewegen dürfen.
Und hier ein Vergleich der jeweils direkten Konkurrenten:
Vergleich von Canon XH A1s, Sony HDR-FX1000 und Sony HVR-Z5
Vergleich von Sony PMW-EX1, Canon XH G1s und Sony HVR-Z7