von Martin Roth
Der Sommer ist da! Zumindest grünt es auf den Bildschirmen der Filmschmiede Magiclandpictures. Denn hier wird momentan der letzte Feinschliff am Horrormovie „Der Teufel von Rudow“ vorgenommen. Dieser Low Budget Spielfilm wurde mit größtmöglichen Mitteln auf die Beine gestellt. Es ist ein Horrorfilm, der einem kleinen amerikanischen B-Movie in nichts nachsteht. An 24 Drehtagen wurde mit einem mittelgroßen Budget und viel Hilfe filmbegeisterter Profis dieser kleine Sommer-Teenie Shocker realisiert.

Wer mitfühlen kann, wie viele Kompromisse ein Regisseur aufgrund dieses Budgets, der geringen Vorbereitungsphase und des knappen Zeitplanes hat, kann verstehen, dass man sich in der kreativen Schnittphase etwas Zeit lassen möchte. Ulrich Meczulat: „Beim Schneiden nehmen wir uns die Ruhe, die wir beim Drehen nicht hatten.“.
Wir suchten nach einer Lösung, ein gut funktionierendes Schnittsystem aufzubauen, dass uns die Qualität, die Leistungssicherheit und die Geschwindigkeit eines Avidsystems brachte, aber trotzdem bezahlbar blieb. Der Schnitt sollte auf DV Basis erfolgen, da es uns für das Fernsehen und der DVD Veröffentlichung als ausreichend erscheint.
Zuerst suchten wir nach einer Echtzeitlösung für den Schnitt.
Während der Filmaufnahme wurde im Format 1.85:1 kadriert. Weil aber in der Aufnahme das vollständige 4:3 Feld mit Bildinformationen ausgefüllt ist und nur im Sucher eine entsprechende Bildmaske vorlag, galt es auch im Schnittprozess einen schwarzen Balken über das 4:3 Bild zu legen, um im Schnitt näher am späteren Endprodukt zu sein.

Im szenischen Filmschnitt ist außerdem das häufigste Effektelement eine Auf- oder Abblende. Das bedeutete für uns, dass mindestens zwei Datenströme in Echtzeit dargestellt werden mussten (Balken und Blenden!). Lange Renderzeiten konnten wir also nicht gebrauchen. Neben Produkten von Canopus und Matrox erschien uns gerade die auf dem Markt gebrachte Realtime Variante der Pro-One von Pinnacle gelegen. Neben den Echtzeitmöglichkeiten schien uns auch der Analogausgang und einige Spezielfeatures, wie z.B. Stabilizer und DVD Encoding als sinnvoll.
Wir kauften einen komplett neuen Pentiumrechner mit 2,4 GHz und rüsteten ihn entsprechend der Kompatibilitätsliste von Pinnacle mit der richtigen Hardware aus. Im RTDV Pro-One Paket wurde auch gleich die neueste Version 6.5 von Adobe Premiere beigefügt. Um ein Arbeitsgefühl wie beim Avid zu bekommen, besorgten wir uns die Premieretastatur. Nach wie vor galt es, sich kreativ Zeit zu lassen, aber trotzdem ein schnelles Arbeiten zu ermöglichen. Die Beschriftung und Farbgebung der einzelnen Tasten erlaubt das. Die Belegung der Tasten ist der einer Avidtastatur sehr ähnlich.

Der Einbau der Karte war relativ einfach. Doch ein kleines Problem verzögerte dies.
Genügend Hinweiße von Pinnacle deuten auf die übergroße Baulänge der Videokarte hin. Unsere Bestellung des PCs erfolgte noch bevor die Karte da war. Der Hinweiß im PC Fachgeschäft: „da kommt eine Videokarte mit langer Bauweise hinein“, half leider nicht. Man drehte uns zuerst ein zu kleines Gehäuse an, welches dann ausgewechselt werden musste.
Der eigentliche Einbau der Karte verlief reibungslos. Ein wenig sorgfältiger mussten wir die Anleitung studieren, als es darum ging Einstellungen beim Grafiktreiber für die Realtimefunktion vorzunehmen. Das war es aber auch schon.

Das Digitalisieren erfolgte nach Sichten der jeweiligen Szene über das Crash-Recordverfahren in der Premiere Filmaufnahme. Die besten Takes wurden direkt online in voller Qualität eindigitalisiert.
Zunächst stand uns die eingebaute 120 Gb Festplatte zur Verfügung. Bei einer angestrebten Spielfilmlänge von 80 Minuten bekamen wir schon bei 70% Rohschnittfassung ein Festplattenproblem. Eine weitere Platte mit 60 Gb bauten wir darauf hin ein. Das Geld war es uns wert, kostet doch die Miete eines Avidstudios pro Tag mindestens genauso viel. Unsere Befürchtung, die Arbeitsgeschwindigkeit würde sich durch die zweite Festplatte verlangsamen, trat nicht ein.

Der Filmschnitt mit der 6.5er Version von Premiere verlief recht angenehm. Man kann sowohl im A/B Verfahren schneiden, so wie auch linear auf einer Spur, ähnlich den Profiprogrammen. Ansonsten bietet Premiere eine Fülle an Arbeitswerkzeugen, die verschiedene Arbeitsweisen erlauben.
Auch Dank der Premieretastatur greift man plötzlich verstärkt auf die Tastenvorgaben zurück und entdeckt die eine oder andere Funktion, die den Schnittablauf noch einmal beschleunigt. So benötigt man z.B. die Taste „Z“ für das Zoomen gar nicht, kann man doch mit „+“ oder „-„ direkt die Auflösungsgröße verändern. Hoffentlich ändert Adobe bis zur nächsten Premiereversion nicht wieder die Tastenbelegung.
Die neu integrierte Echtzeitfunktion von Premiere 6.5 brauchten wir allerdings nicht beanspruchen, hatten wir doch eine Videokarte, die den größten Teil der Filmeffekte in Echtzeit beherrschte und diese analog, wie digital auf den externen Monitor schickte.
Die Pro-One RTDV begleitete uns die ganze Zeit mit 16:9 Balken in Echtzeit und zeitgleichen Blenden, leichten Farbkorrekturen, Geschwindigkeitsänderungen oder unauffälligen Bildzooms. Berechnen mussten wir allerdings die Stellen, an denen ein Clip eine Blende ausführen musste und gleichzeitig einen anderen Effekt besaß, der sich auf die eigene Spur bezog. Weil Blenden eines der häufigsten Effektmittel im Filmschnitt sind, ist es schon recht ärgerlich. Aber bald fanden wir die Lösung: Legt man einen mit einer Blende versehenen Clip in die Videospur 2, kann man ja anhand des Fadens die Transparenz bestimmen und somit die Blende imitieren. Hier stört es die Videokarte nicht, dass der gleiche Clip zusätzlich zur Blende noch einen Effekt hat und über der Spur noch ein Titel liegt.
Neben dem Hollywood FX RT, das viel Schnickschnack für den Industriefilmer bereit hält, sind auch kleine Hilfsmittel wie der Stabilizer eingebaut. Wer viel mit der kleinen DV Kamera aus der Hand filmt und eine verzitterte Aufnahme korrigieren will, dem ist mit wenigen Handgriffen geholfen.
Wir sind mit dem Schnitt fast fertig und können mit dem Workflow unseres selbstgebastelten „High-End“-Rechners wirklich zufrieden sein.
Wenn man längere Filme schneidet, ist es immer ratsam in kleinen Projekten zu arbeiten. Wir schnitten also niemals an mehr als 3 Filmszenen innerhalb eines Projektes. Um den aktuellen Zwischenstand aller Szenen zu erhalten und den Film auf uns wirken zu lassen, fügten wir alle Szenen durch den Projektimport zusammen. Hier merkt man deutlich, wie solch ein riesiges Projekt den Arbeitsfluss lähmt. Schon ab einer Projektlänge von 20 Minuten mit vielen Schnitten verlangsamte sich die Arbeitsweise.

Schwierig wird es nur mit dem Ton. Eine professionelle Anbindung fehlt hier gänzlich. Es gibt nicht ein Tonbearbeitungsprogramm, dass mit den Premiereprojekt etwas anfangen kann. Ein OMF Export zu professionellen Soundprogrammen fehlt in Premiere völlig. Das zeigt, dass Premiere doch nur ein sehr gutes Schnittprogramm ist, dass auf den Home/Amateursektor abzielt.
Vielleicht holt das Premiere in den nächsten Versionen nach. Auch ein mitscrollen der Timeline wäre gut. Außerdem ist die Zuweisung des richtigen Aufnahmeordners über die Filmaufnahme in Premiere mit zu vielen Klicks behaftet. Eine Integration der Pinnacle-Captureprogramme oder eine wesentliche Verbesserung der Filmaufnahme in Premiere ist also ratsam. Will man letztenendes den Film als Master ausspielen, muss man, um die Original-DV-Qualität zu erhalten, leider alle Effektbearbeitungen rendern lassen. Somit werden auch weiterhin Mittagspausen vom Computer effektiv genutzt.

Der Schnitt ist nun beendet, es wird weiter an den Digital Shots und dem Sound gearbeitet, und das alles, damit der Teufel rechzeitig im Sommer sein Unwesen treiben kann...
[Der Autor dankt www.digitalschnitt.de für die freundliche Leihstellung der Premiere-Tastatur.]
Links: http://www.magiclandpictures.com
