Die auffälligste Änderung gegenüber der Vorgängerversion liegt nicht im Programm selbst: Der neue Firmenname Grass Valley deutet auf den vorangegangenen Aufkauf der Firma Canopus. An den bisherigen Distributionswegen soll sich allerdings vorerst nichts ändern. Auch Updates von alten Versionen sind problemlos möglich. Die Preisgestaltung liegt ebenfalls im Bereich der Vorgänger-Versionen, derer es wieder zwei gibt: Edius Pro (ca. 500 Euro) und Edius Broadcast (ca. 1000 Euro). Die rund doppelt so teure Broadcast-Version unterscheidet sich kaum von der Pro Version, fügt aber noch zusätzliche Format-Module hinzu. Diese erlauben das Capturing, Bearbeiten und die Ausgabe der folgenden Formate: Panasonic DVCPRO 50, Panasonic DVCPRO HD, Panasonic VariCam, Panasonic P2, Sony XDCAM. Für HDV-Filmer dürfte die hier getestete Pro-Version völlig ausreichend sein. Ein Upgrade zum Differenzpreis steht zudem jederzeit zur Verfügung. Zusätzlich schnürt die Firma immer wieder interessante Paket-Angebote mit diversen Hardware-Schnittkarten, die eine direkte Vorschau auf einem externen Monitor ermöglichen.
Neue Funktionen im Schnittbereich
Wer Videos "nur" schneiden will, konnte dies schon mit den alten Versionen von Edius vorzüglich erledigen. Schaut man sich jedoch bei der Konkurrenz um, entdeckt man echte Featuritis: Firmen wie Avid oder Adobes Premiere haben mittlerweile mit vielen (teilweise auch ziemlich praktischen) Sonderfunktionen die Möglichkeiten eines typischen Schnittprogramms deutlich aufgebohrt.
Kein Wunder, dass auch die vierte Reinkarnation von Edius daher wieder zahlreiche neue Funktionen zu bieten hat, um den Anschluss nicht zu verlieren:

Viele Anwender sehen einen harten Schnitt oft als triviale Aufgabe. Zu unrecht. Schließlich sind 99,9% aller Schnitte hart und nun einmal die Hauptaufgabe jedes Cutters. Einen Übergang durch einen harten Schnitt wirklich fließend und unauffällig zu gestalten erfordert neben Gefühl auch viel Trial-and-Error. Damit die verschiedenen Versionen schnell schnell erstellt und beurteilt werden können bieten professionelle Schnittprogramme hierfür meist ein spezielles Trim-Werkzeug, in dem sich die Aneinanderreihung von zwei Szenen bildgenau anpassen lässt. Und eben so ein Trim-Fenster findet sich nun auch in Edius Pro. In diesem Modus bekommen die Vorschaumonitore eine neue Bedienleiste, mit der sich die In- und Out- Punkte der zwei Clips (auch gleichzeitig) bildweise verschieben und im Loop abspielen lassen.
Ebenfalls neu und in Schnittalltag kaum noch wegzudenken ist das sogenannte "Nesting". Hierbei lässt sich im Programm nun gleichzeitig mit mehreren Timelines arbeiten. Das Besondere ist jedoch, dass sich diese ineinander verschachteln lassen. So lässt sich ein Projekt als einfacher Clip in ein anderes Projekt einfügen, was die Übersichtlichkeit drastisch erhöht und auch die Möglichkeit für den bequemen Schnitt mit mehreren Versionen bietet. Offensichtlich beachtet das Programm beim Nesting jedoch nicht einen eventuellen Alpha-Kanal. Dadurch sind verschachtelte Compositings hiermit nicht möglich.
Wer Live-Events oder Hochzeiten mit mehreren Kameras filmt, freut sich über den neuen Multikamera-Schnittmodus. Hier kommt die excellente Geschwindigkeit der Green Valley/Canopus-Codecs voll zum tragen. Denn während bei der Konkurrenz die Vorschau von mehreren Videoströmen schnell in nerviger Ruckelei endet, zeigt Edius Pro 4 die Vorschau zeitgleicher Kameraaufnahmen noch ruckelfrei an. Auf potenten Systemen sogar in HD, wenn man den hauseigenen intermediate HQ-Codec benutzt (s.u.).

Integrierte Keyframebearbeitung
Lange erwartet, und nun endlich verfügbar: Das Programm unterstützt jetzt die Einstellung von Spline-basierten Keyframes. In der aktuellen Version gibt es diese Funktion allerdings nur in der Farbkorrektur. Die Integration der Keyframes hat uns allerdings nicht vollends überzeugt: So bringt jeder einzelne Parameter seine eigene "Timeline" mit, was auf dem Desktop viel Platz verbraucht und bei komplexen Einstellungen schnell in Scroll-Orgien ausartet. Applikationen wie After Effects oder Motion haben hier in letzter Zeit gezeigt, wie sich Funktionskurven von mehreren Parametern auch bequem in einem einzigen großen Fenster einstellen lassen. Hier könnte Grass Valley daher die Bedienung vielleicht noch etwas praxistauglicher gestalten.

Neue visuelle Effekte kamen gegenüber der Vorgängerversion nicht hinzu, jedoch besitzt Edius Pro 4 jetzt eine ausgewachsene Time-Remapping-Funktion. Hiermit lassen sich Clips nun nicht nur langsamer oder schneller abspielen, sondern auch während der Wiedergabe dynamisch beschleunigen oder abbremsen. Und das in Echtzeit bei erstaunlicher Qualität.
Große Kleinigkeiten
Wer genauer hinsieht findet in Edius 4 noch weitere Detailverbesserungen die sich im Schnittalltag als recht nützlich erweisen:
Der Canopus-HQ-Codec unterstützt nun einen integrierten Alpha-Kanal. Dadurch lassen sich 3D-Animationen und ähnliches speichersparend zwischen Applikationen austauschen. Das funktioniert auch mit After Effects oder 3D-Programmen ziemlich gut. Nur der Export mit Alpha-Kanal aus Edius selbst wollte uns nicht gelingen.
Das Vektorskop und der Waveform-Monitor erlauben zur Analyse das Hineinzoomen in die Anzeige und unterstützen direkt den HDV-709-Farbraum. Schade nur, dass sich das Fenster selbst nicht über seine Standardgröße vergrößern lässt. Wer das Tool zu einer wirklich detaillierten HD-Analyse einsetzt muss dauernd an den Scrollbalken herum schieben.

Wer seine Werke wieder im HDV-Format auf die Kamera zurückspielen will, freut sich über den nun integrierten "EDIUS Speed Encoder for HDV". Hiermit lässt sich die m2t-Encodierung eines Projektes besonders effektiv auf mehrere Prozessorkerne verteilen. Diese Optimierung reduziert die Zeit, die für das Encoding von nativen HDV MPEG-2 Transport-Streams von der Edius Pro Timeline benötigt wird, dramatisch. Außerdem ist das Programm nun in der Lage, natives Windows Media Material - inkl. WMVHD - zu editieren und mit jedem anderen unterstützten Format in der Timeline zu kombinieren. Wohl gemerkt ohne Rendering oder vorheriges Bearbeitung des Materials. Und wer öfters Material von kommerziellen DVDs oder JVCs Everio Camcordern importieren möchte, freut sich jetzt über die Möglichkeit Dolby Digital Audio AC-3 ohne Umwandlung importieren zu können.
Performance
Betrachtet man die Performance des Programms zeigt Edius 4 der Konkurrenz die Rücklichter. Bereits beim Schnitt mit nativen HDV-m2t-Dateien fühlt sich das Programm deutlich flüssiger an als jeder Mitbewerber. Sobald man die Videos jedoch im Intermediate-HQ-Codec speichert, kommt Edius erst richtig zur Sache. Auf aktuellen Dual-Core-Prozessoren sind bei voller HDV-Auflösung mehrere Videoströme mit zahlreichen Effekten wie Farbkorrektur oder Bild im Bild kein Problem. Wir haben auch einmal den Gegentest gewagt, um zu sehen wie wenig Prozessorpower eigentlich nötig ist, um ein HDV-Projekt nur mit harten Schnitten ohne Ruckler bearbeiten zu können. Und siehe da: Selbst auf einem Celeron Single Prozessor System mit gerade einmal 2 GHz, 256 Kb Cache und 512 MB RAM lies sich eine HDV-Videospur (im HQ-Codec) ruckelfrei wiedergeben. Natürlich waren dabei dann keinerlei Echtzeit-Effekte mehr möglich. Doch harte Schnitte und kurze weiche Blenden gelangen. Und das ohne teure Zusatzhardware! Hut ab, vor dieser Perfomance.
Workflow
Der Workflow des Programmes selbst wurde etwas weiter an Windows angepasst. So "zerfällt" das Programm zwar nach wie vor in diverse Fenster, die Menüs sind nun jedoch an einer einheitlichen Stelle am oberen Fensterrand zu finden. Leider gibt es auch nach wie vor eine Trennung zwischen normalen Effekten und den Keyern. Letztere sind nach wie vor nicht in einer beliebigen Reihenfolge kombinierbar, sondern kommen immer nach den Filtern. Dadurch ist es weiterhin nicht direkt möglich eine Farbkorrektur auf ein gekeytes Objekt anzuwenden. Da beim Nesting kein Alpha-Kanal übernommen wird, lässt sich dieses Problem auch nicht durch die neuen Nesting-Funktionen lösen. Und da uns -wie erwähnt- auch der Export mit Alpha-Kanal nicht gelang, konnten wir den ziemlich guten integrierten (H)DV-Keyer auch nicht in anderen Programmen weiterverarbeiten. Schade, denn gerade aufgrund seiner enormen Geschwindigkeit wäre Edius 4 gerade für schnelle Quick-And-Dirty-Compositings hoch interessant.
Fazit
Als reines Schnittprogramm setzt Edius 4 schon allein durch seine Geschwindigkeit weiterhin Maßstäbe. Die neu hinzugekommenen Funktionen wurden dabei konsequent auf pure Videoschnitt-Bedürfnisse angepasst. Wer sich in erster Linie auf den klassischen Schnitt - besonders mit HDV - konzentrieren will, findet momentan keine leistungsstärkere Lösung auf dem Markt. Doch schon bei kleineren Compsitings oder sonstigen Spielereien ist Schicht im Schacht: Denn im Programm findet sich nach wie vor keine durchgehende Keyframeverwaltung wie in Compositing-Programmen, kein 5.1 Surround-Mix, kein integriertes DVD-Authoring und keine 100 Effekte von der Stange. Wer solche Funktionen unter einer Oberfläche sucht ist mit Premiere, Vegas oder Edition nach wie vor besser aufgehoben. Wer den Einstieg in das Programm einfach einmal versuchen will, findet auf der Webseite des Unternehmens eine voll Funktionsfähige 30-Tage Testversion. Neueinsteiger sollten außerdem auf immer wieder auftauchende Bundles mit einer passenden Hardware-Karte achten. So kostet beispielsweise die Kombination Edius 4 Pro mit der DVX-Karte für eine hochqualitative SD-Vorschau momentan kaum mehr als das Programm selbst.