Seit Monaten fiebert die Video-Gemeinde dem Open-Source-Schnittprogramm Lightworks entgegen. Am Montag wird Hersteller Editshare den kostenlosen Download freigeben, aber noch nicht den Quelltext. Wie uns James Riching von Editshare mitteilte, ist man dort zuversichtlich, den Zeitplan einhalten zu können. Lediglich der Shop für Plugins, Codecs, Hardware und Zusatz-Optionen könnte ein paar Tage später kommen.
Achim Wagenknecht hat für uns schon einmal die aktuelle Beta vom 15.11. unter die Lupe genommen, der er das Videomaterial mit Hilfe von Codecs von Matrox und Mainconcept zuführte. Hier seine ersten Eindrücke:
Filmprofis, die analoge Schneidetische kennen, werden das Programm lieben, denn die Schnittfunktionen orientieren sich daran: Mit "Join" und "Unjoin" werden Filmschnipsel in der Zeitleiste, dem "Strip View" aneinander geklebt oder wieder getrennt.
Vom Schneidetisch übernommen wurde auch eine andere Besonderheit: Das Programm greift zur Montage zum Teil auf die Transport-Funktionen zurück. Wenn man zum Beispiel das rechte Ende eines Clips in der Timeline löst (Unjoin) und dann auf "Play" drückt, so wird dieser Filmschnipsel verlängert, der darauf folgende entsprechend gekürzt. Benutzer von Premiere Pro kennen das als "Rollen".

Besonders praktisch wird das natürlich mit dem passenden Jog Shuttle, das Editshare als "Console" anbietet. Man kann den Programmfunktionen aber auch beliebige Tastenkombinationen zuordnen. Umsteiger können so ihre gewohnten Tastaturbefehle beibehalten. Die Tastenbelegung für Avid wird mitgeliefert. Zusätzlich lassen sich die Tasten der Konsole zum Anklicken auf dem Bildschirm anzeigen. Alle Elemente lassen sich auf dem Bildschirm frei anordnen und in der Größe ändern. Die Anordnung merkt sich Lightworks automatisch und stellt sie beim nächsten Mal wieder her. Wie sich das Programm überhaupt alles merkt: Lightworks-Cutter brauchen nie zu speichern! Das Programm sichert den Zustand des Schnittprojektes immer. Jederzeit. Wieso ist eigentlich sonst noch keiner auf diese geniale Idee gekommen?
Workflow
Der Workflow ist professionell konzipiert: Material einlesen, in Galerien und Log-Datenbanken ordnen, In- und Out-Punkte setzen, montieren, Feinschnitt, Effekte setzen, Grafiken einbinden, ausgeben.
Im Test klappte der Import von einer DV-Kamera per Firewire problemlos. HD-Material in AVCHD und MPEG2 mussten wir konvertieren, um es in die Beta einlesen zu können. Hier wird man wohl je nach Bedarf den passenden Codec im Shop kaufen müssen.
Benutzer exotischer Effekt-Programme können immer auf Einzelbildfolgen als Universal-Schnittstelle zurückgreifen: Diese importiert Lightworks automatisch als Sequenz. Beim Import können die Videos referenziert, kopiert oder transkodiert werden. Auch eine Umwandlung der Framerate von 24 auf 25 fps ist vorgesehen.
Ein regelrechtes Storyboard gibt es nicht, aber um die Clips in die richtige Reihenfolge zu bringen, lassen sich die Galerien gut nutzen. Die Zahl der Spuren in der Zeitleiste ist nicht begrenzt. Jeder Videoschnipsel bekommt seine eigene Farbe. Vorschaubilder sind nicht vorgesehen. Mit dem horizontalen Scrollbalken kann auch gezoomt werden. Spuren können gruppiert werden, so dass jede Montage und jeder Effekt sich auf die ganze Gruppe auswirkt. Montierte Abschnitte lassen sich aus einer Sequenz (Edit) in eine andere übertragen. Diese erscheinen dann aber nicht als Gesamtheit (wie z.B. in Adobe Premiere), sondern als einzelne Elemente.
Zeitlupe und Zeitraffer lassen sich für jede Spur in beliebigen Prozentwerten angeben. Negative Werte lassen die Spur rückwärts laufen. Mit Alt-V passt Lightworks die Länge eines Clips automatisch an die Lücke in der Timeline an, die der Clip füllen soll. Dabei ändert sich die Geschwindigkeit entsprechend. Vektorscope- und Waveform-Monitore analysieren das Videosignal.

Die Farben kann man nicht nur für Schatten, Mitten und Lichter einstellen, sondern man kann auch festlegen, welche Helligkeitsbereiche die Schatten, Mitten und Lichter umfassen sollen. Zudem lässt sich der Schwarz-, Weiß- und Grauwert definieren. Farbregler für HSV und RGB ergänzen die Farbkorrektur.

Effekte
Im Effektbereich gibt es alles was man braucht - bis auf Titel. Diese werden von einem Plugin zugeliefert. Das Videobild lässt sich schärfen, weichzeichnen, verpixeln, einfärben oder in Schwarzweiß umwandeln. Beim Schwarzweiß-Effekt kann man fein einstellen, wie die RGB-Kanäle gewichtet werden und welchen Kontrast sie haben sollen. Auch ein Negativ-Effekt, Tri-Tone, Two-Tone und Splitscreens sind vorhanden.
Position, Größe und Ausrichtung des Bildes ändern die "DVE"-Effekte in zwei oder drei Dimensionen. Schlagschatten farbige Hintergründe lassen sich ebenso machen wie Grafik-Einblendungen und Keying-Tricks mit Chroma-, Luma- oder Image Key. Effekte wie Dissolve, Wipe oder Squeeze werden automatisch zu Überblendungen, wenn sie auf die Nahtstelle zwischen zwei Clips angewendet werden. Equalizer, Mischpult, verschiedene Filter und eine Schnittstelle für Audio-Importe versorgen die Tonspur. Die Effekte lassen sich mit Keyframes steuern, mit einem knotenbasierten (Node-)Editor zu komplizierten Effektketten verknüpfen, per Zwischenablage übertragen, speichern und laden.

Was will man mehr?
3D-Schnitt und Teamfunktionen sind der Bezahlversion vorbehalten. Teams können im Netzwerk zu mehreren am gleichen Projekt arbeiten. Die passenden Netzwerk-Speicher, Zuspiel- und Ausspiel-Server bietet Editshare ebenfalls an - was entscheidend zum wirtschaftlichen Erfolg von Lightworks beitragen dürfte.
Hier noch einige Screenshots von Lightworks:
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