Praxis From North to South - Dreherfahrungen mit der Sony A7S II entlang eines Längengrades

From North to South - Dreherfahrungen mit der Sony A7S II entlang eines Längengrades

Zwar dreht sich bei slashCAM vieles um die Filmtechnik, doch noch spannender ist ja eigentlich, was man damit anstellen kann. Diesmal sprechen wir mit Alessandro Rovere, dessen Film From North to South aktuell im Rahmen einer Ausstellung zu sehen ist -- über das Drehen mit der Sony Alpha 7S II, über Drohnenaufnahmen, Software-Abomodelle, Sound Design, und vieles mehr.

// 14:05 Di, 4. Aug 2020von

Zwar dreht sich bei slashCAM vieles um die Filmtechnik, doch noch spannender ist ja eigentlich, was man damit anstellen kann. In unserer Gesprächsreihe rund um Praxisbeispiele aus der echten Welt geht es diesmal um einen Film, der als Teil einer Ausstellung gezeigt wird (später dann auch online).







Das Klimahaus Bremerhaven stellt bereits seit zehn Jahren mehrere Destinationen vor, die auf dem selben Längengrad wie das Klimahaus liegen (8°34´E). Für die aktuelle, multidisziplinäre Sonderausstellung "Nordsee | Südsee – Zwei Welten im Wandel" wurden zwei davon, Langeneß in der Nordsee und Samoa im Südpazifik, nochmals besucht, um herauszufinden, wie sich das Leben der Menschen vor Ort unter dem Einfluss des Klimawandels verändert hat und Gemeinsamkeiten sowie Zukunftsängste an den unterschiedlichsten Enden der Welt zu dokumentieren.



Den filmischen Part (From North to South) hat Alessandro Rovere übernommen, der seit etwa zehn Jahren als freischaffender Regisseur, Kameramann und Editor arbeitet. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie ein Film gestaltet sein sollte, um in einer Ausstellung gut zu funktionieren, über das Drehen mit der Sony Alpha 7S II, über Drohnenaufnahmen, Software-Abomodelle, Sound Design, und vieles mehr.







Film als Ausstellungsmedium

Kurz vorab zu dir – wie bist du zum Filmen gekommen?



Ich habe eine Ausbildung gemacht zum Mediengestalter Bild und Ton bei einer Werbeagentur und war danach noch 1,5 Jahre dort angestellt. Später habe ich angefangen, als Freier zu arbeiten, eigentlich übergangsweise, aber das dauert jetzt schon 10 Jahre... Dazwischen war ich aber auch ein Jahr an der Ostkreuzschule für Fotografie.



Du machst sowohl Kamera als auch Schnitt. In gleicher Gewichtung?



Präsenter in den letzten Jahren war der Schnitt, auch bedingt durch die Anfragen und die Projekte, die ich in den letzten Jahren hatte. Ich habe während der Ausbildung schon relativ viel Postproduktion gemacht. Als ich damals in 2007 anfing, vollzog sich noch der Wechsel von analog zu digital – als Praktikant habe ich noch Beta SPs kopiert und DVDs erstellt und im regen Austausch mit der Postproduktion MPEGs auf Datenträgern hin und her geschickt... Für mich war es damals leider nicht möglich, eine eigene Kamera zu kaufen und damit loszulegen, aber ich hatte von der Arbeit einen Schnittrechner und da habe ich ziemlich viel ausprobiert.



Als ich bei der Agentur aufgehört habe, habe ich mir dann eine GH2 gekauft und habe angefangen, alles mögliche mit ihr selber zu machen.



From North to South, Stills
From North to South, Stills





Dein Film "From North to South" ist ja Teil einer Ausstellung. Was ist die Rolle des Films im Ausstellungskontext?



Zu seinem 10-jährigen Jubiläum wollte das Klimahaus Bremerhaven mehrere Destinationen besuchen, um zu sehen, wie sich das Leben der Menschen, die sie seit zehn oder 15 Jahren ausstellen, im Zuge des Klimawandels verändert hat. Ins Boot geholt wurden damals Manolo Ty als Fotograf, Jana Steingässer, eine Autorin und Reisejournalistin, und ich.



Wir wussten, dass wir diese unterschiedlichen Disziplinen haben, die wir zusammen ausstellen möchten und wir wussten, dass wir bestimmte Sachen nur in bestimmten Medien zeigen können. Was daraus am Ende dann wirklich wird, also wie das finale Produkt wird, war eine Variable, eine Unbekannte. Wir hatten kein Treatment oder Drehbuch oder sowas, als wir auf die Reise gingen. Es gab auch kein Ausstellungsdesign, das ist erst im Laufe der Zeit passiert, weil wir auch teilweise nicht wussten, was uns erwartet.



Wir hatten nur einige vorab abgesteckte Interview-Termine und wir wussten, dass wir bestimmte Zugänge bekommen würden zu Orten. Tokelau war z.b. eine Destination, die ganz zu Anfang gar nicht geplant war, aber im Laufe des Planungsprozesses hinzukam. Das öffnete dann natürlich komplett neue Möglichkeiten, die man vorher nicht in die Gestaltung hätte einfließen lassen können.



Dieser ganze Planungsprozess und Entwicklungsprozess vor Ort hat dann dazu geführt, dass wir auf bestimmte Sachen den Schwerpunkt gelegt haben. Tiefgehend ist es im Buch zum Beispiel, wo auch Experten zu Rate gezogen werden. Beim Film haben wir uns darauf konzentriert, von allem ein bisschen anzureißen, auch weil wir wussten, dass der Film nur eine bestimmte Länge haben kann im Ausstellungskontext. Da sind wir mit 18:40 schon relativ lang für ein Exponat einer Sonderausstellung. Daher wussten wir, dass wir da nicht die Sachen ultratiefgehend behandeln können.



Natürlich ging es beim Film auch darum, einen allumfassenden Blick zu zeigen und vor allen Dingen auch zu zeigen, dass die Entscheidungen, die wir treffen, Auswirkungen haben auf die Orte der Erde, die wir oft gar nicht zu sehen bekommen.



Wie muss ein Film gestaltet sein, damit er in einem Ausstellungskontext funktioniert? Es ist ja ein besonderes Setting, die Zuschauer kommen und gehen...



Ich habe einerseits versucht, den Film so zugänglich zu machen, dass er auf Festivals funktioniert und dass man ihn sich im Internet anschauen kann. Im Ausstellungskontext ist es aufgrund der Punkte, die du schon genannt hast, ein bisschen anders. Ich habe daher versucht, Inseln der Aufmerksamkeit zu bauen, also nicht zu lange an einem Punkt zu verharren, weil dann ist jemand gezwungen, sich hinzusetzen, um sich alles genau anzugucken und es ist nicht so einfach möglich, in den Film hineinzukommen, wenn man mittendrin dazukommt. Also habe ich versucht, kleine Aufmerksamkeits- und Themencluster zu bauen und zwischendrin Atmosphäre zu erzeugen. Das passiert z.b. mit Sound Design, atmosphärischen Aufnahmen, Drohnen-Shots, alles mögliche...



Die Musik hat von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt, da habe ich auch von Anfang an eng mit zwei Berliner Komponisten zusammengearbeitet. Wir haben versucht, da eine schöne Atmosphäre zu erzeugen, die auch durch den Film trägt. Im Großen und Ganzen ist es aber prinzipiell eine Herausforderung gewesen, dass wir nicht einen Protagonisten haben, der sich durch den Film zieht, sondern wir haben unterschiedliche Menschen, deren Geschichten wir erzählen, und die Menschen alleine sind dabei nicht ausschlaggebend, sondern der Lebensraum, in dem sie sich bewegen. Deswegen war es ein buntes Potpourri aus unterschiedlichen Schwerpunkten – die Destinationen waren wie eigene Protagonisten.






Technisches zum Dreh (mit der Sony A7S II / DJI Mavic Pro 2)

Wie lange habt ihr gedreht auf den Inseln?



Wir waren 4-5 Tage auf Langeneß und ungefähr knapp zwei Wochen auf Samoa und Tokelau unterwegs. Auf Samoa waren die Drehbedingungen noch am einfachsten, weil wir uns total flexibel fortbewegen konnten. Tokelau war eine extreme Herausforderung. Die Reise von Samoa nach Tokelau dauert 24 Stunden und es gibt keinen Tourismus. Tokelau wird nur alle zwei Wochen angefahren von einem Versorgungsschiff. Es ist die einzige Möglichkeit dorthin zu kommen



Tokelau besteht aus drei Archipelen, die auch noch mal ein paar Stunden voneinander entfernt sind. Das Versorgungsschiff konnte nicht auf uns warten – die haben angelegt, ihre Güter be- und entladen, und wenn wir zu spät gekommen wären, dann wären die ohne uns abgefahren und wir dort zwei Wochen festgesessen. Das heißt wir wussten, in Tokelau treffen wir den Regierungschef, den Bürgermeister von Fakaofo, und sind vom Schiff runter und los in einem Affenzahn, ein paar Schnittbilder machen, bestimmte Menschen treffen, bestimmte Orte sehen.



Alles in allem war der Drehzeitraum etwa zwei Monate mit An- und Abreisen zu den Inseln und Vorbereitung. Der Postproduktionszeitraum war dann deutlich länger.



Mit welcher Kamera hast du gefilmt?



Ich hatte mir die Sony a7s II in 2017 gekauft für eine Asienreise. Als zweite Kamera bei den Interviews hatten wir die a7r III (oder IV) von Manolo, außerdem hatten wir noch eine Mavic Pro und eine GoPro, ich glaube die 7, auf jeden Fall mit Hyper-smooth. Von der habe ich aber nachher beim Schnitt gar nichts verwendet.



Dreh Langeneß
Dreh Langeneß




Hast du intern oder extern aufgezeichnet mit der Alpha?



Intern – der Hauptaugenmerk bei dieser Reise war aufgrund der Größe des Teams möglichst klein und kompakt zu bleiben, um sich möglichst auf den inhaltlichen Schwerpunkt zu konzentrieren und nicht unfassbar viel technisches Geraffel dabei zu haben. Ich hatte einen externen Monitor, den habe ich auf Langeneß zweimal benutzt und auf Samoa einmal, und dann ist er nicht mehr zum Tragen gekommen. Wenn man in einer Interviewsituation ist, etwa auf Tokelau, wo man eine Stunde Zeit hat, dann ist jedes Aufbauen und jedes Anschließen zu viel...



Und in welchem Modus hast du gedreht?



Ich habe manchmal – eher selten – in S-Log2 aufgenommen, meistens habe ich in Cine 2 oder Cine 4 aufgenommen. Je nachdem, welche Helligkeitsabstufungen im Bild sind, hat man mit S-Log2 Banding Probleme wegen der 8 Bit. Ich habe daher immer spontan entschieden, welchen Aufnahmemodus ich verwende. Das ist zwar nicht unbedingt von Vorteil nachher im Grading, weil das nicht nur eine Art Footage gibt, aber es war von Vorteil, weil ich in manchen Situationen optimierte Aufnahmemodi wählen konnte. Ich habe mir die unterschiedlichen Modi auf die Hotkeys gelegt und mit einem schnellen Klick gewechselt.



Du kennst die Kamera und weißt, was dich wann erwartet?



Ja, aber ich habe viel ausprobiert, auch auf der Reise. Man ist am anderen Ende der Welt mit ganz anderen Lichtsituationen konfrontiert - mitten im Pazifik hat man, wenn die Sonne scheint, so ein helles Licht, das ist fast unmöglich... Obwohl ich einen variablen ND Filter hatte.



Dann hattest du wahrscheinlich auch kein Licht mit?



Wir hatten zwei kleine LEDs, Aladdin Pocket Lights, die sind auch diverse Male als Aufheller zu Nutze gekommen, aber einen Lichtkoffer hatten wir nicht. Beim nächsten Mal nehme ich einen Reflektor mit, aber auch da braucht man auch wieder eine Person, die ihn hält… Den Ton haben wir einerseits geangelt, andererseits angesteckt, wenn möglich dann beides. Wenn sich da zusätzlich noch jemand ums Licht hätte kümmern müssen, das wäre nicht möglich gewesen.



Hast du den Ton in der Kamera aufgenommen?



Zum einen habe ich den Ton über ein Sennheiser Aufsteckmikro in Kamera aufgenommen, dann haben wir über einen externen Field Recorder, Tascam DR70, den Ton einmal mit Richtmikro und einmal mit AVX Funkstrecken aufgenommen.



Da gab es übrigens eine Situation auf Langeneß, das werde ich nie vergessen. Da haben wir Ark, der für den Küstenschutz arbeitet begleitet, als er mit der Lore eine tote Robbe reingeholt hat. Er ist vorgelaufen und ich mit der Kamera hinterher. Ich hatte mir den Fieldrecorder angehängt und habe ihn die ganze Zeit abgehört, mit der einen Hand die Kamera gehalten vorne am Objektiv und mit der anderen Hand den Ton gepegelt. Aber ich hatte keine Möglichkeit, in dem Moment etwas abzugeben. Das war an der Grenze des Machbaren…



Dreh Langeneß
Dreh Langeneß


Welche Optiken hattest du an der Kamera?



Ich hatte eine Sony 24-70mm F2.8 und eine Canon 50mm 1.4. Außerdem hatte ich eine Sony 10-18mm, die eigentlich keine Vollformat Optik ist, dabei für den Gimbal, einen Zhiyun Crane 2. Da habe ich hin und wieder die Sony Optik darauf benutzt – wenn ich die ein Stückchen reinzoome, ich glaube so auf 13 oder 16mm, hat man kaum Vignettierung.



Mit der 24-70mm Optik auf dem Gimbal hatte ich tatsächlich Probleme, was ich komisch fand. Das war vielleicht witterungsbedingt – im Watt ist mir der Gimbal ständig ausgegangen, trotz voll geladener Batterien. Mit dem Crane 1 hatte ich nie Probleme, auch in Indonesien bei 32 Grad und 80% Luftfeuchtigkeit mitten im Dschungel nicht. Aber der Crane 2 ist mir mitten im Watt einfach ausgegangen. Es waren so zwei, drei, vier Grad über Null. Er war perfekt ausbalanciert - ich kann es mir nicht erklären.



Der stabilisierte Sensor hat dir nicht gereicht?



Für ein paar Sachen schon, aber es ist halt doch noch mal ein bisschen was anderes. Ich komme ja ursprünglich von Panasonic und habe festgestellt, der Stabilisator in der GH5 funktioniert sehr gut, bei der Sony habe ich dagegen das Gefühl, man sieht immer den Moment, wenn der Stabilisator anpackt und manchmal gibt es ganz bestimmte Ruckler. Ich filme recht viel aus der Hand und das ärgert mich dann einfach. Wenn ich bestimmte Kamerafahrten mache, dann bevorzuge ich es mit dem Gimbal.



Tokelau aus der Luft gesehen
Tokelau aus der Luft gesehen





Das Filmen mit der Kameradrohne hast du dir selber beigebracht?



Ja, ich hatte die Drohne tatsächlich erst kurz davor gekauft und auf Langeneß das erste mal eingesetzt. Auf dem Tempelhofer Feld habe ich sie vorher ein paar mal Test fliegen können - bis die Wächter kamen. Im Internet steht zwar, dass man dort auf dem südlichen Teil fliegen kann, aber die Information stimmt wohl nicht...



Ich muss sagen, von der Mavic 2 Pro bin ich richtig begeistert. Ich habe lange Zeit immer gesagt, ich brauche keine Drohne und will nicht noch mehr mit mir rumschleppen - das Internet ist sowieso schon so übersättigt von Drohnen-Shots. Hinterher war ich aber richtig froh, dass ich sie dabei hatte, weil es einfach gerade auf Tokelau und Samoa ganz besondere Perspektiven ermöglicht hat.



Die liegen ja auch so im Wasser, dass man es kaum glauben kann...



Technisch war ich auch richtig begeistert. Man hat ja bei der Mavic 1 gerade bei Baumwipfeln und sowas ganz viele Pixel-Artefakte gesehen, aber bis auf wenige Ausnahmen war ich von der 2er da richtig begeistert.



Der Trailer besteht auch aus einer einzigen Drohnenaufnahme, die sich so subtil dreht, das einem richtig schwindelig wird. Ich nehme an, das ist Absicht.



Ich hatte ursprünglich einen anderen Trailer geschnitten, wo Bildmaterial von allen Destinationen zu sehen war, aber irgendwie hat es mir nicht gefallen. Ich hatte das Gefühl, dass man so etwas zu oft gesehen hat und ich mag lange Einstellungen, wenn Dinge auch wirken können. Und das Konzept beim Trailer ist, wir gehen da von Schwarz/Weiß zu Farbe, von Problemen zu Hoffnung, von der kalten, rauhen Nordsee zum warmen, farbigen, lebhaften Pazifik und diese Drehung sollte das Taumeln und die Orientierungslosigkeit in diesem großen, gigantischen Problem, in dem wir uns befinden, aufgreifen.






Der Schnitt (Abo-Modelle, Sound Design, Flow)

Womit hast du denn geschnitten?



Premiere – leider...



Wieso leider?



Grundsätzlich schneide ich gerne mit Premiere, aber ich mag die Abo-Modelle nicht. Ich bin da kein Freund von – ich wäre auf AVID umgestiegen, aber da ist es mittlerweile genauso, und DaVinci Resolve ist für mich als Schnittprogramm noch keine richtige Alternative zu Premiere, allein schon aufgrund der Tatsache, dass ich auch oft im Austausch mit anderen Cuttern schneide und da ist das gängige AVID oder Premiere. Ganz selten noch mal Final Cut.



Ja, es gibt eigentlich gar nicht so viele professionelle Alternativen... Wobei sich ja Resolve so langsam mausert.



Ich habe es in der 14er oder 15er Version ausprobiert, als sie es das erste Mal als großes Schnittprogramm vermarktet haben. Ich weiß, dass sich mittlerweile auch vieles verändert hat – vielleicht probiere ich es noch mal aus, aber dann wäre es eher etwas für eigene Projekte, denn wegen dem Austausch mit anderen Cuttern bleibt es auf absehbare Zeit erstmal bei Premiere oder AVID. Vor allem in den Werbeagenturen ist es intern einfach häufig Premiere...



Aber ich finde als Tool hat es sich sehr gut entwickelt. Ich schneide jetzt seit ungefähr neun Jahren. In der Ausbildung habe ich noch auf Final Cut 7 gelernt, das wird ja teilweise immer noch verwendet! Ich habe auch schon mit Fotografen zusammengearbeitet, die verwenden noch Photoshop CS2... Und das ist genau auch der springende Punkt: Ich finde, mit dem Abo-Modell entmündigt man die Leute zu sagen, ich bin mit dieser Version zufrieden und mit der arbeite ich.



Aber man muss ja nicht die Software updaten...



Nein, aber ich muss ja trotzdem weiter zahlen. Und auch wenn ich nicht updaten will, werde ich bei Apple beispielsweise jeden Tag daran erinnert, dass ich updaten könnte. Das ist schon fast eine Farce: ich klicke jeden Tag "Morgen erinnern" und ich weiß, am nächsten Tag geht es von vorne los...



Wie viel Videomaterial hast du von den Inseln mitgebracht?



Ich wusste, dass die Frage kommt, aber ich habe keine Ahnung – echt nicht. Ich habe mich nie hingesetzt und das alles zusammengefasst, weil ich relativ schnell angefangen habe mit der Selektion und mit der thematischen Sortierung der Footage. Es war auch ein dynamischer Prozess, denn daraus hat sich auch noch ein weiterer Film für die Dauerausstellung ergeben, weil ein Tokelau-Raum eröffnet wurde. Aber es war einiges an Material, ich hatte ja die Drohne, zwei Kameras, die GoPro...



Still / Langeneß
Still / Langeneß


Still / Samoa
Still / Samoa




Wie hast du aus dem ganzen Material ausgewählt, was letztlich in den Film soll?



Als wir fertig gedreht hatten, wusste ich noch nicht, was für ein Film es werden würde. Das hat sich erst herauskristallisiert, als wir anfingen, die Interviews zu transkribieren. Ich stelle bei mir immer wieder fest: es ist schwierig, als 1-Mann-Armee sich auf alles zu konzentrieren und ich war froh, dass ich bei diesem Job mich nicht auch inhaltlich damit befassen musste. Das funktioniert durchaus, ich habe es oft genug gemacht, aber es ist trotzdem besser, wenn man sich nur auf das Bild konzentrieren kann, auf Satzabschlüsse und wie ich das schneiden will - auch für die anderen.



Wir haben 22 Interviews insgesamt gemacht und wenn man dann zurückkommt, ist man vollgeladen mit Impressionen. Das allererste, was ich gebraucht habe, war Distanz. Dann die Transkription und die inhaltliche Auseinandersetzung, dann wieder Distanz und dann ans Material rangehen und gucken, was gibt mir das Material denn überhaupt. Einerseits ästhisch, andererseits auch inhaltlich. Dann geht man die Transkription durch und sieht bestimmte Sachen, die auf dem Papier funktionieren, aber schaut man sich das Interview an, funktioniert es doch nicht, und so war das ein ständiges Hin und Her. Viele Sachen haben sich während des Schnitts ergeben und waren so gar nicht beabsichtigt.



Ich habe auch nicht chronologisch geschnitten, sondern teilweise relativ weit hinten angefangen im Film, ohne zu wissen, wo soll das Ganze nachher überhaupt platziert sein. So habe ich mich Stück für Stück durch den Film gearbeitet und die Punkte miteinander verknüpft, und habe geschaut, dass ich eine Verbindung schaffen kann zwischen allen Elementen. Wo sind die Anknüpfungspunkte in den unterschiedlichen Themen, und wie schaffe ich den Sprung zwischen den Destinationen.



Gab es denn keine Vorgaben?



Nein – es gab eine Themenbesprechung im Klimahaus, bei der wir geguckt haben, wo wollen wir den Schwerpunkt legen, aber jeder hatte in seiner Disziplin vollkommene kreative Freiheit.



Ein paar Sachen hätte ich auch gerne tiefergehend erzählt, aber mit 18 Minuten 40 wäre das zu viel Input zusammen mit den Texten und Bildern der Ausstellung. Man muss es ja auch verarbeiten können als Besucher.



Du könntest jetzt ja noch einen 50 Minuten zusammenschneiden...



Ja, die Footage würde es auf jeden Fall hergeben und es gibt noch viele Themen, die wir hier nicht anschneiden konnten.



Lass uns abschließend noch kurz über einen älteren Clip von dir reden, Alive, der im Gegensatz zum Ausstellungsfilm auch online zu sehen ist - er war sogar Vimeo Staff Pick:







Er wurde auf einer Himalaya-Reise gedreht und es fällt auf, dass keine Drohnenbilder zu sehen sind... Wie du schon sagtest, sind die mittlerweile inflationär geworden. Sie sind oft beeindruckend, aber auch immer sehr ähnlich und sie bringen häufig eine komische Perspektive, die einen eher rausholt aus dem, wo man ist.



Wir hatten damals überlegt, eine Drohne mitzunehmen, aber die erste Mavic Pro fand ich qualitativ wie gesagt noch nicht so gut und alles Größere war nicht machbar, auch finanziell nicht. Ich war in dem Team auch der einzige Filmer und habe alles selbst gemacht. Dazu kam aber auch, dass wir nicht wussten, ob eine Drohne in diesen Höhen bis 4860 m überhaupt fliegen kann. Wir hatten das also kurz besprochen und dann war es vom Tisch



Ich finde, wenn es über die ästhetische Motivation hinaus keinen anderen Grund gibt für einen Drohnenflug, dann überlege ich mir dreimal, ob ich den Zeitaufwand betreibe – und nachher überlege ich mir in zweiter Instanz beim Schnitt, ob ich es überhaupt mit rein nehmen will. Ich erlebe da immer wieder die „Kill your darlings“-Situation: man findet irgendetwas toll, Bilder oder eine Musik, die gut zu den Bildern passt, und dann schneidet man ewig lange drum rum und versucht, es in den Schnitt zu integrieren, und eigentlich merkst du: es funktioniert einfach nicht, weil es keine Motivation hat, außer der ästhetischen.



Bei Alive fand ich auch das Sound Design ziemlich besonders. Er ist ja nicht direkt erzählend und die Sound-Ebene bekommt eine wichtige Rolle, um die Bilder zusammen zu halten.



Sound Design hatte ich als ich anfing selbständig zu arbeiten gar nicht so auf dem Schirm. Ich hatte auch oft Situationen, wo ich dachte, warum muss ich da jetzt Sound Design machen, ich habe ja die Musik. Aber im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, in dem Moment wo man Sound Design hat, es kann auch ganz subtil sein, verleiht es der Footage eine gewisse Lebendigkeit.



Interessant beim Sound Design finde ich den Aspekt, dass man Elemente miteinander kombinieren kann, die vielleicht gar nicht wirklich aus dieser Welt entstammen. Beispielsweise, ich habe ein Bild von einem Baum – was für ein Geräusch höre ich, wenn ich einen Baum angucke? Da kann man auch abstrakt werden und sich überlegen, was könnte für ein Gefühl transportiert werden? Wie kann ich dieses Gefühl mit Ton untermalen. Ich bin kein Sound Designer in dem Sinne, dass ich draußen selbst Töne aufgenommen und dann in der Postproduktion bearbeitet habe oder so, aber ich versuche, die Sachen miteinander zu verknüpfen, weil ich glaube, egal ob ein Film Story-getrieben ist oder ein kurzer Clip wie Alive funktioniert über eine Art Flow-Prinzip. Ich muss vom ersten Moment, wo ein Zuschauer den Film anschaut bis zum Ende ihn beim Flow halten, und das funktioniert abwechselnd einerseits durch die Geschichte, durch ein Narrativ, andererseits durch die Bilder oder durch den Ton oder durch die Musik. Mal ist das eine im Vordergrund, mal das andere, aber wichtig ist es immer, durch diesen Flow zu begleiten und dabeizubleiben. Man merkt es einfach, wenn ein Film einen Punkt erreicht, wo das bricht, weil dann verliert man die Aufmerksamkeit.



Ich glaube, es war David Fincher der gesagt hat, der Zuschauer will nicht die Wahrheit sehen, er will belogen werden. Weil wir sind ja täglich mit der Wahrheit konfrontiert – wenn wir Filme gucken, dann wollen wir eine andere Form von Realität haben. Manchmal ist es wirklich so, im Sound Design in diesem Fall, dass man ein Ton unter ein Bild packt, das eigentlich das „richtige“ ist, aber irgendwie passt es nicht dazu, weil es ein anderes Gefühl transportiert.





Um den Bogen zurück zum Anfang zu spannen: Insofern wäre Film ja eigentlich kein gutes Ausstellungsmedium, wenn man sagt, man geht in eine Ausstellung, um etwas über die echte Realität zu lernen.



Letzten Endes ist der Film, der jetzt ausgestellt wird, auch nur meine Interpretation von der Situation, die wir dort vorgefunden haben. Wenn ich den Film anders geschnitten hätte, wäre wieder eine andere Botschaft drin gewesen. Mit jedem Statement, das ich reinnehme oder das ich rausnehme, ändert sich die Botschaft. So hat jeder in seiner kreativen Art und Weise die Verantwortung, auch darüber zu entscheiden, welche Botschaft man hinterlässt. Wenn man so wie ich bei diesem Film die Möglichkeit hat, in einen anderen kulturellen Kontext einzutauchen, wo Menschen mir praktisch die Tür geöffnet haben und mich an ihrem Leben haben teilhaben lassen, wenn ich das jetzt einbette in einen Film, erzähle ich damit etwas, dabei kenne ich diese Kultur eigentlich nicht. Es ist immer eine Gratwanderung.



Wenn man es so wie hier in Verbindung mit einer Ausstellung und einem Buch macht, dann relativiert sich das wieder etwas, weil jeder seine Perspektive mit rein bringt und man kann sich als Besucher eine Schnittmenge bilden. Das ist ja auch der Vorteil bei einer interdisziplinären Ausstellung, dass es nicht so monoperspektivisch ist.



From North to South - Dreherfahrungen mit der Sony A7S II entlang eines Längengrades : north south title


Nachher steht der Film aber für sich.



Ja, deswegen habe ich ihn auch so angelegt, dass er vor allem zum Nachdenken anregt. Nicht, dass man den Finger auf etwas zeigt und sagt, ihr macht es falsch, sondern dass man zeigt, die und die Alternativen gibt es. Ich habe bei dem Film in seiner relativen Kürze versucht zu erreichen, dass man einen kurzen Einblick in eine Welt bekommt, die man sonst nicht sieht, um vielleicht mal zu hinterfragen, was kann ich tun, um in meinem Leben etwas zu verändern. Der Regierungschef von Tokelau sagt ja am Ende, „This is not only for Tokelau but for all of humanity“ und ich glaube, darum geht es letzten Endes. Ich glaube es geht nicht darum, dass es Tokelau ist oder Langeneß, sondern das geht uns alle an. Und es geht auch nicht nur um den Klimawandel, sondern es geht um die grundsätzliche Frage, wie gehen wir mit diesem Planeten um.




Darüber lohnt es sich in der Tat, nachzudenken… Alessandro, vielen Dank für das Gespräch!





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Der Film From North to South ist in der Sonderausstellung Nordsee | Südsee - Zwei Welten im Wandel noch bis 1.11. zu sehen, ab November dann auch im Netz zugänglich.



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