Wissen Warum RAW?

Warum RAW?

Im Netz keimt immer wieder die Diskussion auf, welche Vorteile das Filmen in RAW eigentlich tatsächlich hat. Wir versuchen einmal den Stand der Dinge in grundsätzlicher Form zu diskutieren. (Sponsored by SAE)

// 15:18 Do, 28. Jan 2016von

Im Netz keimt immer wieder die Diskussion auf, welche Vorteile das Filmen in RAW eigentlich tatsächlich hat. Wir versuchen einmal den Stand der Dinge in grundsätzlicher Form zu diskutieren.





Was ist RAW

In der (semi-)professionellen Fotografie gehört RAW schon seit langem zum guten Ton. Gegenüber JPEG sollten in einem RAW File so gut wie unverfälscht alle exakten Messwerte landen, die jedes einzelne Sensorpixel (=Sensel) bei der Aufnahme erzeugt hat. Nachdem praktisch alle relevanten Kamera-Sensoren heute mit einem RGGB-Bayerpattern arbeiten, bekommt man bei einer RAW-Aufnahme pro Pixel einen einzigen Messwert geliefert, der entweder hinter einem roten, grünen oder blauen Filter gemessen wurde.



Beim RGGB-Bayerpattern kann jeder Sensorpixel nur entweder rot (R), grün (G) oder blau (B) messen.
Beim RGGB-Bayerpattern kann jeder Sensorpixel nur entweder rot (R), grün (G) oder blau (B) messen.


Eben diese einzelnen Messwerte werden unverändert in einem RAW File gespeichert. Vertiefendes zu diesem Thema haben wir einmal hier geschrieben.



Letztendlich entsprechen diese einzelnen Messwerte einer einfachen Zählung, wie viele Photonen während der Zeit der Belichtung auf dem Sensel auftreffen:



Ein Sensel (Sensorpixel, hier grün) "zählt" die eintreffenden Photonen und wandelt diesen Wert in Strom um.
Ein Sensel (Sensorpixel, hier grün) "zählt" die eintreffenden Photonen und wandelt diesen Wert in Strom um.


Die kleinste theoretische Einheit, die ein Sensel zählen kann, ist dabei also ein Photon, die maximale Kapazität eines Sensels liegt dagegen bestenfalls im Bereich von 105 Photonen. Treffen mehr Photonen auf, als das Sensel erfassen kann, so können diese nicht mehr gezählt werden und das Sensel ist übersteuert, was einer Überbelichtung gleichkommt. Dieses Limit eines Sensels nennt man auch FullWell.



Da es limitierende Messfaktoren (u.a. diverse Rauschformen) gibt, liegen die in der Praxis genutzten Signale eines Sensor-Sensels im Filmbereich aktuell bei maximal 16 Bit-Aufzeichungsbreite, was 65.536 Werten entspricht. Es könnten also in einer RAW-Datei pro Pixel/Sensel maximal Messwerte zwischen 0 und 65.535 landen. (In der Praxis sind es meistens deutlich weniger).



Um nun ein UHD/4K-Bild in 16 Bit RAW zu speichern, braucht man folglich (3840 x 1920 x 16 Bit =) 14.745.600 Bytes, bzw. rund 15 MByte. Bei 24 Bildern pro Sekunde also 360 MByte pro Sekunde.



Und genau hierin liegt der größte Nachteil des RAW-Formates: Die hohen Datenraten machten es bis vor wenigen Jahren extrem teuer, in RAW zu filmen. Doch mittlerweile sind nicht nur Flash-Speichermedien ziemlich günstig geworden. Auch andere Kniffe versuchen den Vorteil der RAW Speicherung mit diversen Kompressions-Ideen zu verbinden, um damit den Speicherverbrauch zu senken.





So zeichnen die meisten Hersteller RAW nur mit 12 oder 14 Bit auf, was die unkomprimierte Datenrate schon einmal auf 315 bzw 270 MB/s verringert. Durch weitere Kompressionstricks lässt sich das Material visuell mehr oder weniger verlustfrei weiter eindampfen. Allerdings entfernt sich damit mancher Hersteller gleichzeitig immer weiter von der ursprünglichen Idee, mit RAW wirklich die "rohen", also unberührten Daten des Sensors zur Verfügung zu stellen.





Was ist der Vorteil von RAW

Der Vorteil von RAW sollte somit auch klar sein: Jede nur mögliche Entscheidung, wie das Sensor-Bild später aussehen soll, wird von der Kamera in die Nachbearbeitung ausgelagert. Denn wenn eine Kamera nicht in RAW filmt, muss sie viele, nachträglich nicht mehr zu ändernde Entscheidungen über das Aussehen des Bildes treffen: Das fängt beim Debayering an (also wie aus den RGGB-Senseln durch Interpolation RGB-Pixel werden). Und betrifft in der Regel auch, wie die 12-16 Bit Sensordynamik für die interne 8-10 Bit Speicherung zusammengefasst wird.



Der Weißabgleich ist ebenfalls von großer Bedeutung, weil auch dies eine Kamera-interne Entscheidung ist, mit welcher Gewichtung die "rohen" RGGB-Sensel zusammengerechnet werden sollen. Bei echtem RAW ist ein Weißabgleich dagegen weder nötig noch sinnvoll. Auch eine digitale Nachschärfung des Bildes sollte besser vor der Kompression erfolgen und daher im Nicht-RAW-Fall schon in der Kamera nach den eigenen Zielvorgaben eingestellt sein.



Kurz gesagt:



Der entscheidende Vorteil für RAW ist, dass man dadurch Entscheidungen in die Postproduktion verlagert und mögliche Kamera-Fehlerquellen beim Dreh von vornherein ausschließt.



Zeichnet man in 8 oder 10 Bit auf und stellt die Kamera theoretisch schon exakt so ein, wie man sein Bild später haben will, hat man zwar faktisch keinen Vorteil von RAW. Doch das ist wirklich ein perfekter Idealfall. Will oder muss man jedoch einzelne Bilddteile in der Postproduktion noch um ein paar Blendenstufen absenken oder anheben, dann kommt es mit 8 Bit-Aufzeichnung meistens schnell zu sichtbaren Fehlern im Bild. Der nachträgliche Spielraum bei RAW geht dagegen soweit, dass man quasi beliebig virtuell Licht setzen kann, ohne dass es künstlich wirken muss.




Und was ist mit Log?

Log ist der Kompromiss zwischen den Extremen. Denn mittels Log kann man ebenfalls die hohe Sensordynamik in einen 8- oder 10-Bit-Farbraum quetschen und durch geschickte Umverteilung der Helligkeitswerte einiges an Information für die Nachbearbeitung retten. Problematisch ist jedoch die damit verbundene Kompression und Farbraumwandlung der Daten. Denn bei jedem uns bekannten Log-Format wird nicht die RGGB-Sensorstruktur erhalten, sondern es wird schon in der Kamera ein Debayering vorgenommen. Und in diesem Zuge kommt es hier zwangsweise zu einer Umrechnung des Farbraums mit einem anderem Chroma-Luma-Verhältnis (meistens nach YUV 4:2:0 oder 4:2:2). Damit muss sich die Kamera auch zwingend auf einen Weißpunkt festlegen, was im Falle einer notwendigen Korrektur wichtige Dynamik kosten kann.



Im Prosumerbereich entsteht meistens noch ein weiterer großer Nachteil durch 8 Bit Log Profile, die eigentlich zu wenig Helligkeitsdifferenzierungen bieten, um in der Nachbearbeitung sinnvoll zu sein. Erst ab 10 Bit macht Log eigentlich wirklich Sinn. Und selbst hier können kritische Augen meist noch einen Unterschied zu RAW erkennen. Allerdings vor allem deswegen, weil bei der zusammenfassenden Kompression der meisten Log-Formate kleine Makroblöcke oder ähnliches entstehen.



Kritisch sehen wir dazu eine 4:2:2 LOG-Aufzeichnung, weil diese gegenüber RAW viel zu viel redundante Information speichert. Denn ein RGGB-Sensor kann für ein präzises Debayering eigentlich nur 4:2:0 Daten anliefern. Mehr “echte” Farbinformation kann nicht sinnvoll aus der Pixelanordnung interpoliert werden, solange im Anschluss aus jedem Sensel ein Pixel wird. Oder anderes gesagt: Jede Information, die hierbei zusätzlich gespeichert wird, kann auch beim RAW-Debayering in der Postproduktion erzeugt werden und erzeugt bei der Speicherung in der Kamera somit unnötiges Datenvolumen.



Dies kann dann zu etwas abstrusen Spezifikationen bei einigen Herstellern führen, bei denen eine interne ProRes 4:2:2 Aufzeichnung des gleichen Signals mehr Datenrate benötigt, als die entsprechende RAW-Aufzeichnung. "Besser" als RAW kann das Signal aber niemals aufgezeichnet werden. Auch nicht, wenn man die Datenrate erhöht…



Ein eher selten genannter Vorteil von RAW ist auch nicht zu verachten: Die Datensicherheit. Sollte einmal ein Byte auf einer SSD umkippen (also kaputtgehen) merkt man bei RAW in der Regel gar nichts davon. Und sollte einmal ein größerer Speicherbereich defekt sein, verliert man hierdurch meistens höchstens einen einzigen Frame. In einem hoch komprimierten Strom kann dagegen schon ein fehlerhaftes Byte den kompletten Clip zerreißen und unbrauchbar machen.








RAW für Jedermann

Auch wenn man es vielerorts noch liest, ist ein RAW Workflow heute eigentlich nicht mehr außergewöhnlich aufwendig. Während der Aufzeichnung kann man oft in einem Vorschaumonitor mit einer entsprechenden LUT das Bild schon so kontrollieren, als würde man beispielsweise in REC709 filmen. Und im Schnitt kann man ebenfalls mit LUTs von der Stange arbeiten, ohne sich zu tief in das Thema Color Grading einarbeiten zu müssen. Man gewinnt jedoch den Vorteil, dass man man in jeder Aufnahme viel mehr retten bzw nachträglich gestalten kann.



Das Debayering selbst ist dabei heutzutage mit einer Mittelklasse GPU und einer schnellen SSD in Echtzeit möglich, weshalb auch hier die Argumente gegen RAW etwas dünn werden. Einzig die Datenraten nageln das Format noch auf eher szenische Projekte fest. Denn wenn man dauernd den Finger am Kameraauslöser hat und Stunden von Rohmaterial produziert, können die generierten Datenmassen dann doch schneller ausarten, als einem lieb ist.



Arbeitet man jedoch szenisch, dann gibt es wohl kaum einen Grund nur das zweitbeste Log-Format zu wählen. Nicht nur wegen der Qualität. Denn wenn zudem die Zeit am Set deutlich teurer als die Zeit in der Nachbearbeitung ist geht die Rechnung noch schneller für RAW auf. Vor allem weil man die Kamera nicht so sorgfältig einstellen muss. Das klingt zwar erst mal irgendwie unprofessionell, ist aber wirklich das genaue Gegenteil.



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