Kameras, Bild-Postproduktion.... und 600 VFX-Shots

Bei einer Produktionszeit von fünf Jahren: Auf welche Kamera habt ihr da gesetzt?



Das hört sich jetzt etwas dämlich und einfältig an - aber wir haben mehr als zehn verschiedene Kameras benutzt, um den Film zu drehen. Die alle am Ende im Grading (mit Assimilate Scratch) zu matchen hat meinem Bruder Peter Hacker und seinem Kollegen Gavin Haughey ordentlich Kopfzerbrechen bereitet. Aber immerhin weiß man nach so einer Aktion, mit welchen Kameras man "cineastische Ergebnisse" erreichen kann und mit welchen nicht so.



Na jetzt sind wir natürlich gespannt, welche Empfehlungen sich hier bei euch herauskristallisiert haben...



Angefangen haben wir in Thailand mit einer FS-700-Leihgabe von SONY, danach in Berlin mit der SONY FS-100. Der Look war recht ähnlich und Slowmo brauchte ich zu selten - ich war kurz davor, mir eine zu kaufen für den Rest des Drehs, als 2014 auf einmal der Magic Lantern Raw-Hack die Semipro-Filmwelt veränderte: Denn auf einmal besaßen wir eine Kamera, die nicht nur einen Look hatte, der mit einer Arri Alexa mithalten konnte, sondern auch am Ende 10bit log Cineform-Quicktimes als Endmaterial hatte, natürlich nicht ohne einen gigantischen Post-Aufwand mit fantastisch vielen Problemen bei all den frühen Software-Versionen und den hohen Datenraten. Aber das war es wert! Daher kombinierten Kameramann Benjamin Nolde und ich meine 5DMK3 immer wieder mit anderen Kameras, u.a. der Blackmagic 2.5K und 4K, einer Canon C300, einer SONY F5 und A7s mit Atomos-Rekorder, Panasonic LX100 und für den letzten großen Drehblock kam mit Kameramann Till Beckert sogar noch eine Alexa Mini hinzu.



Alexa-Shots und die 5D raw Videodaten (mit ´Cinelog´ aus den DNGs entwickelt und in After Effects im Batchbetrieb in Cineform-MOVs umgewandelt) ließen sich problemlos mischen, von allen anderen Kameras war mir die alte Blackmagic 2.5K am liebsten. Handlichkeit war nie ihre Stärke ohne Rig und externe Monitore, aber die cineastische Bildqualität - auch lowlight - waren für den Preis damals echt spitze.


Im Nachhinein betrachtet wäre es gut angelegtes Geld gewesen, auf eine einzige oder evtl. nur zwei Kameras zu setzen, aber ich wollte das als Lernprozess anscheinend irgendwie so haben. ;)



Mystery-Thriller: INGENIUM -- Debüt von Steffen Hacker : stillpic21


Wie sah denn die Bild-Postproduktion aus - wieviel Material gab es am Ende



Wir hatten an H.264 MP4, MXF, ProRes- und Cineform-Quicktimes am Ende insgesamt 12 Terabyte (alle originalen MLVs und DNGs nicht mitgerechnet). Da ich schon ewig mit Adobe-Software quasi "verheiratet" bin, war der Schnitt in Premiere Pro CC kein Problem, alle Formate haben sich wunderbar auf der Timeline vertragen, nur bei den üblichen Updates, die ja unweigerlich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erfolgen, war ich sehr vorsichtig und habe mich oft monatelang nicht an neue Versionen gewagt, auch wenn mich ein neues Feature extrem interessiert hat. Als in Premiere CC 2015 z.B. der Morph Cut-Effekt dazu kam, war dies eine gigantische Möglichkeit, Dialog-Takes ohne einen sichtbaren Schnitt zu verkürzen - noch wenige Jahre zuvor war sowas absolute Zukunftsmusik oder hätte einen riesigen manuellen Aufwand bedeutet.



Mystery-Thriller: INGENIUM -- Debüt von Steffen Hacker : stillpic16


Schon bei "Kampfansage", einem frühen Film, bei dem du vor Jahren maßgeblich mitgewirkt hast, habt ihr mit einer Canon XL1s und Mini35-Adapter auf MiniDV gefilmt und ungewöhnlich viele Effekte in die Postproduktion verlagert. Dabei habt ihr schon damals Szenen primär in der Post entstehen lassen, in denen gelegentlich nur noch die Akteure aus echten Videoaufnahmen extrahiert wurden, der Rest der Szene waren letztendlich After-Effects Layer. Wie es scheint seid ihr diesmal sogar noch einen Schritt weiter gegangen.



Wir haben mit dem Üblichen angefangen - die feinen kleinen After Effects-Comps, die z.B. so oft in David Fincher-Filmen zu finden sind, wenn er mehrere Performances aus verschiedenen Takes zusammenbauen lässt. Das ist natürlich schon auch Arbeit, aber wir haben´s noch ein bisschen weiter getrieben: Bei uns waren Darsteller in ihren Spielszenen oftmals sogar nicht im gleichen Raum oder gar Land. Zum einen mussten wir Szenen aus Thailand mit neuen Dialogen belegen, dafür haben wir Esther Maaß aus den alten Thailand-Aufnahmen herausretuschiert und dann mit ähnlichem Winkel und so-gut-es-geht-matchender-Brennweite (schließlich waren die Original-Aufnahmen Jahre zuvor aufgenommen worden und nie als VFX-Shots gedacht gewesen) neue Szenen vor Green gedreht, die zusammencomposed schließlich eine neue Dialogszene ergeben haben.



Mystery-Thriller: INGENIUM -- Debüt von Steffen Hacker : greenscreen




Zum anderen haben wir auch logistische Probleme mit Effekten gelöst - Schauspieler Augustin Kramann konnte zu einem bestimmten Drehtag z.B. nicht bei uns in Stuttgart sein, also haben wir seine Performance gedoubled und später in seinem Wohnzimmer vor Greenscreen nachgestellt. Desweiteren hatten wir digitale Stuntmen und ´3D-Darsteller´ (wir wollten uns z.B. keine Polizeiuniform leisten und haben mich daher als Stand-In mit einem digitalen Polizisten ersetzt), 3D-Polizeiautos und komplette 3D-Autocrashes und noch eine mehrminütige Sequenz auf dem Berliner Dom, die komplett vor Greenscreen spielt. Jeder der Artists in der Firma hat mich dabei unterstützt und in endlosen Nachtschichten und freien Minuten hunderte von Shots gekeyed und getracked, damit wir ein in 3DSmax erstelltes Environment in Nuke in all die Shots einbauen konnten. Das war im Grunde auch gleich die größte technische Herausforderung des Filmes, weil wir uns nur zwei Tage Greenscreen-Studio leisten konnten und somit Kampfsequenzen gleichzeitig mit drei verschiedenen Kameras und daher verschiedenen Looks gedreht haben - der Alptraum eines jedes Compositors und auch Coloristen. ;)



Mystery-Thriller: INGENIUM -- Debüt von Steffen Hacker : stillpic26


Unzählige andere der 600 VFX-Shots im Film werden wahrscheinlich nie jemandem auffallen - so habe ich Ausstattung von allen Sets aus Zeit- und Kostengründen gar nicht erst real am Set angedacht, wir hatten wirklich niemand, der sich um Ausstattung gekümmert hat. Was irgendwo an den Sets herumstand, wurde kurzerhand in die Szenen hinein improvisiert, was nicht vorhanden war, kam nachträglich aus dem 3D-Programm hinzu. Die Szenen sehen damit total glaubwürdig aus und keiner würde Verdacht schöpfen - bis man mal das Rohmaterial gesehen hat und eindeutig so einiges fehlt.




VFX Shot vorher und nachher




Ähnliche Artikel //
Umfrage
    Welche Streaming-Dienste nutzt Du?













    Ergebnis ansehen

slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash