Aktuelles Transformers: Spektakel für die Massen oder... Avantgarde?

Transformers: Spektakel für die Massen oder... Avantgarde?

Michael Bay gilt für viele quasi als Personifizierung schlechter Filmregie, gleichzeitig aber ist er einer der kommerziell erfolgreichsten Regisseure in Hollywood. Das ist natürlich nur ein scheinbarer Widerspruch; jedenfalls ist es ziemlich interessant, sich anläßlich eines weiteren Transformer-Films ein bißchen mit dem Phänomen zu beschäftigen.

Michael Bay gilt für viele quasi als Personifizierung schlechter Filmregie, gleichzeitig aber ist er einer der kommerziell erfolgreichsten Regisseure in Hollywood. Das ist natürlich nur ein scheinbarer Widerspruch; jedenfalls ist es ziemlich interessant, sich anläßlich eines weiteren Transformer-Films ein bißchen mit dem Phänomen zu beschäftigen.





Kassenschlager mit lukrativen Nebeneinnahmen...

Der neueste Film aus der Transformers-Reihe ("Transformers 4: Ära des Untergangs") ist erneut ein großer kommerzieller Erfolg. Die Produktionskosten lagen zwar bei gewaltigen ca. 210 Millionen Dollar (gefilmt wurde in IMAX 3D), doch bereits im ersten Monat wurden 967 Millionen Dollar eingenommen; weltweit werden die 4 Teile der Transformers Serie bald 4 Milliarden Dollar eingespielt haben. Allein in China hat der -- übrigens chinesisch ko-produzierte -- Transformers 4 mit einer Startwoche von 90 Millionen Dollar und einem Einspielergebnis von 222 Millionen Dollar Rekorde gebrochen und ist schon jetzt der erfolgreichste Film in China jemals - die Einnahmen stehen denen in den USA nur wenig nach. Kein Wunder, zielt er doch ganz absichtlich*?* auf das gewaltige Reservoir dortiger Kinogänger mithilfe spezieller Cameo-Auftritte chinesischer (Sport- und Musik-)Stars. Dazu zeichnet er ein düsteres Bild der Institutionen der Vereinigten Staaten und schmeichelt gleichzeitig auch noch der chinesischen Führung - all das, ohne das westliche Publikum dabei allzu sehr zu irritieren. Kritiker sehen in Transformers 4 sogar zwei Filme in einem - einen für China (die letzten 40 Minuten) und einen für den Rest der Welt - was auch seine extreme Überlänge von 2 3/4 Stunden (165 Minuten) erklärt. In wenigen Jahren soll der chinesische Kinomarkt der größte der Welt geworden sein - und der derzeitige Erfolg von Transformers 4 dort weist Hollywood den Weg.



Transformers: Spektakel für die Massen oder... Avantgarde? : PIC1


Zu den reinen Ticketverkäufen kommt noch das Geld hinzu, die die ins Auge stechende, offensive Produktwerbung im Film (unter anderem für Chevrolet, Oreo, Ueber, Budweiser, Tom Ford sowie eine Vielzahl weiterer (auch chinesischer) Unternehmen) eingebracht hat. Und auch die Einnahmen aus dem Merchandising werden respektabel sein - ist ja der Vermarktungsgedanke der Vater aller Transformers-Filme, ebenso wie schon in den 80er Jahren die entsprechende animierte Transformers-Serie und die Comics vor allem verkaufsunterstützend für die Spielfiguren wirken sollten. Und das tut er gut:



Transformers - Kinoeinnahmen vs Einnahmen durch Spielzeugfiguren
Transformers - Kinoeinnahmen vs Einnahmen durch Spielzeugfiguren






... und vernichtenden Kritiken

Doch die Kritik fällt dieses Mal noch vernichtender aus, als bei Michael Bays letzten Transformers Filmen - die professionellen Filmkritiker zerreißen ihn in der Luft: ("unendlich dumm", "langweilig, dumm und seelenlos", "Ein durch und durch korruptes Machwerk", "einer der qualvollsten Filmerfahrungen überhaupt", "endloses Sperrfeuer aus Nonsens und Lärm","Der vierte Teil der Transformers-Reihe besteht hauptsächlich aus Geschrei und einigen Sonnenuntergängen in Texas") - während das Publikum abermals in Massen in die Kinos strömt.



Manche Filmtheoretiker versuchen sich daran, diesen scheinbaren Widerspruch aufzuklären und haben sich das Werk Michael Bays genauer angeschaut. Besonders analysiert wird sein ganz spezieller Stil der Choreographie von Actionszenen: "Bayhem" - eine Verballhornung der Wörter aus Mayhem ("Chaos") und Bay - also den für ihn typischen Actionsequenzen, die extrem chaotisch geschnitten sind und den Zuschauer aktiv desorientieren. Sie sind ein ganz treffendes Beispiel für den vom Filmtheoretiker Matthias Stork in seinem Videoessay als "Chaos Editing" bezeichneten Editing-Stil.






Tony Zhou hat sich in diesem Video Michael Bays Einstellungen und Kameraarbeit näher angeschaut - seine Erkenntnis: typisch ist für Bay die ständige Bewegung aller Ebenen in einer Szene. Die Kamera bewegt sich um die Schauspieler (oder Bots), welche sich ebenfalls bewegen - zusätzlich zur Action im Hintergrund. Und auch typisch: Bay versucht, in jeder Einstellung immer die maximale Dynamik und Ästhetik einer visuelle Wucht zu erzielen - egal, ob sie der Szene angemessen ist oder nicht. Alles natürlich überwiegend im angesagten aquamarin/orange Look.








Reine Emotion statt Verstand, könnte das womöglich Kunst sein?

Der Filmkritiker A.D. Jameson erkennt in seiner Analyse die Absicht von Michael Bay, den Verstand des Zuschauers durch eine Unmenge von Zusammenhangslosigkeit (sei es in der Story, der Abfolge der Schauplätze, der Charaktere oder dem Editing), schnellen Schnitt, Auslassungen und eine Reizüberflutung schachmatt zu setzten, um ihn nur mit einem Stakkato aus Sound und Bild-Eindrücken zu überwältigen. Er will das Publikum desorientieren - wird die nächste Szene dramatisch sein oder komisch? Wo wird sie spielen? Auf jeden Fall wird sie krass anders als die vorhergehende sein.



Jameson geht sogar so weit, zu behaupten, dass Bay in der Tradition einer anti-rationalen Avantgarde-Bewegung in der Kunst steht, im Willen den Verstand außer Kraft zu setzen und den momentanen Impuls herrschen zu lassen. Dafür spricht auch der improvisierte, fragmentarische und sprunghafte, immer auf den schnellen Affekt ausgerichtete Charakter von Bays Filmen, denen Handlungslogik und Kohärenz der Story und ihrer Form ganz zuwider erscheint - eigentlich untypisch für Mainstream Hollywood Filme.



Doch was ist der treibende Impuls hinter allem? Vielleicht beschreibt der Filmkritiker A.O Scott den treibenden Impuls hinter allem treffend: "It reminds you what these movies are really about: a boy at play, reveling in the creative and destructive power, and the glorious uselessness, of his own imagination." -- "Es erinnert einen, worum es in diesem Film wirklich geht: ein Junge der spielt, der sich berauscht an der schöpferischen und zerstörerischen Gewalt und der herrlichen Nutzlosigkeit seiner eigenen Vorstellungskraft".



Und das wäre auch eine gute Antwort auf die Frage, wie ein so irrwitziges Werk ein so großes Publikum finden kann: Menschen (Jungs) die genau diesen spielerisch kindischen Impuls nachempfinden - ganz jenseits der Rationalität. Die Zusammensetzung des Publikums jedenfalls ist wie zu erwarten: 55% sind unter 25 Jahren, 32% unter 18, 64% sind männlich. Und das erklärt auch eine Lehre aus der Transformers-Reihe: je mehr Explosionen, desto mehr Einnahmen.



Nicht zuletzt ist die "Transformers"-Serie auch ein gutes Beispiel für den Trend in Hollywood, auf bekanntes und damit sicheres zu setzten - sei es die Verfilmung von Comics (Spider-Man, X-Men, Avengers), Spielzeug oder einfach die unendliche Weiterführung von einmal erfolgreich Etabliertem. Ziel ist die Erschaffung von Themenuniversen (wie z.B. das "Marvel Cinematic Universe"), in denen die dort versammelten Helden und Schurken beliebig kombiniert Stoff für immer weitere Fortsetzungen ergeben. Der 5te Teil der Transformers Reihe jedenfalls kommt 2016.


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