Aktuelles Neue EU-Datenschutzvorschriften vs. Kunsturhebergesetz -- unsichere Zeiten für Filmer und Fotografen

Neue EU-Datenschutzvorschriften vs. Kunsturhebergesetz -- unsichere Zeiten für Filmer und Fotografen

Darf man nach dem 25. Mai, wenn die neue EU-Verordnung zum Datenschutz in Kraft getreten ist, noch Personen als Beiwerk einer Landschaft oder in einer Versammlung filmen, ohne jeder einzelnen vorher einen Rechtekatalog vorzulegen und ausdrückliche Einwilligungen einzuholen? Dies wird derzeit heiß debattiert -- allerdings gibt es mehr Fragen und Meinungen, als Antworten und Fakten...

// 10:52 Di, 8. Mai 2018von

Darf man nach dem 25. Mai noch Personen filmen, zumindest als Beiwerk einer Landschaft oder in einer Versammlung, ohne jeder einzelnen vorher einen Rechtekatalog vorzulegen und ausdrückliche Einwilligungen einzuholen? Dies wird derzeit heiß debattiert -- worum geht es?


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In etwa vier Wochen tritt eine EU-Verordnung zum Datenschutz in Kraft. Das wäre an sich weder eine Meldung an dieser Stelle wert, noch per se etwas Schlechtes, denn mit persönlichen Daten wird bekanntlich viel Schindluder betrieben, zumal sie heute meist in digitaler Form vorliegen und somit leicht zu kopieren und verbreiten sind. Geschickt miteinander verknüpft, sind personenbezogene Daten viel Geld wert, etwa in Marketingkreisen. Die neue Verordnung ist ein Versuch, die Bürger vor möglichem Mißbrauch der über sie gesammelten Informationen zu schützen, bzw. ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu stärken.



Allerdings wird vielerorts die Frage aufgeworfen, ob die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht über das erklärte Ziel hinausschießt. Speziell in Filmerkreisen herrscht große Unsicherheit darüber, ob ein aufgenommenes Abbild einer Person künftig noch als Bild einzustufen ist oder als eine Datenerhebung (siehe zB. auch in unserem Forum). Letzteres hätte schwerwiegende Konsequenzen, denn beim Umgang mit personenbezogenen Daten gibt es unter der neuen DSGVO vieles zu beachten. Sie zu erheben, speichern etc. ist in den meisten Fällen nur noch bei expliziter Einwilligung der betroffenen Person und zu spezifischen Zwecken möglich, wobei eine Einwilligung jederzeit zurückgezogen werden kann.



Sollte dieses Prozedere ab dem 25. Mai tatsächlich auch für jedes Bild gelten, auf der eine Person erkennbar ist, stünde die Branche vor einer Zeitenwende: mühselige Rechteklärungen bei gleichzeitiger Unsicherheit ob der Haltbarkeit dieser eingeholten Genehmigungen wären dann wohl die unweigerliche Folge. Während es in der Praxis in vielen Fällen kaum möglich sein dürfte, von jeder identifizierbar abgebildeten Person im Bild eine schriftliche Genehmigung einzuholen, ist allein der Gedanke, ein Protagonist könnte jederzeit seine Erlaubnis, aufgenommen zu werden, zurückziehen können, für jede Filmproduktion höchst abschreckend.





Was gilt bei Personenaufnahmen - Kunsturhebergesetz oder DSGVO?

Bisher wird in Deutschland das Recht am eigenen Bild im Kunsturhebergesetz (KUG) festgeschrieben. Dort wird bereits seit langem definiert, dass die Abbildung einer Person generell nur nach dessen Zustimmung erlaubt ist -- eben das Recht am eigenen Bild ( KUG §22). Nur in einigen Ausnahmefällen muß keine Genehmigung eingeholt werden, beispielsweise wenn es sich um eine Person des Zeitgeschehens handelt, oder wenn sie nur sogenanntes Beiwerk beispielsweise in einer Landschaftsaufnahme ist, oder nur als Teil einer größeren Menschenansammlung zu sehen ist ( KUG §23). Die große Frage lautet nun unter Filmern: wonach soll das Recht am eigenen Bild künftig geregelt werden -- weiterhin nach dem KUG, oder nach der neuen Datenschutzverordnung? Ist ein Bild noch ein Bild, oder ist es eine Datenerhebung?



Im Rahmen eines Praktikseminars der AG DOK, bei welchem Dokumentarfilmer geschult wurden bezüglich der neuen Regelungen der EU-Datenschutzgrundverordnung und was diese für die (inner)betrieblichen Abläufe bedeuten, ging es am Rande auch um diese Problematik. Dabei gab es sowohl Positives als auch Negatives zu hören. Dazu gleich etwas genauer, doch zunächst die gute Nachricht -- sie lautet: obwohl ein Personenabbild durchaus als personenbezogene Information gelten kann, etwa in Ausweisen uä, muß es, anders als teilweise im Internet zu lesen ist, dadurch nicht auch automatisch unbedingt immer der neuen DSGVO unterliegen. Die schlechte Nachricht lautet: es bleibt dennoch Interpretationssache -- ganz sicher weiß momentan offensichtlich keiner, wie die neue rechtliche Situation ausgelegt werden soll, kann oder wird.



Wie der auf Filmrecht spezialierte Rechtsanwalt Christlieb Klages erklärte, gibt es in Fachkreisen unterschiedliche Meinungen dazu, wie sich das Kunsturhebergesetz zur neuen DSGVO verhält bzw. ob es weiterhin Geltung haben wird. Denn Artikel 85 der DSGVO stellt den EU-Mitgliedstaaten frei, Abweichungen oder Ausnahmen ua. für künstlerische Zwecke zu definieren, "um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen". Eben dies passiere im Kunsturhebergesetz (als lex specialis), weshalb es seiner Meinung nach durch die DSGVO nicht aufgehoben würde; sowohl die Regelungen als auch die bestehende Casuistik zu den Paragraphen 22 und 23 dürften im Ergebnis bestehen bleiben, sei es direkt als spezialgesetzliche Vorschrift oder über die Abwägung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit.f.





Allerdings gäbe es auch Kollegen, die anderer Ansicht seien -- letztendliche Klarheit müsse durch einschlägige Urteile von Gerichten geschaffen werden, da eine klare Stellungnahme und Einbeziehung des Gesetzgebers über bzw. zu Artikel 85 der DSGVO leider ausstehe. Verschiedene Kräfte haben bereits versucht, diesbezüglich auf den Gesetzgeber einzuwirken und versuchen dies weiterhin mit erhöhtem Druck. Sollte der Gesetzgeber jedoch nicht reagieren, beispielsweise mit einer Formalausnahme für Presse und Dokfilm, so Klages, könne die Frage nur gerichtlich geklärt werden.



Tatsächlich liest man zB. auf telemedicus die genau gegenteilige Auslegung, nämlich, dass das KGO von der DSGVO "verdrängt" würde. Welche Meinung sich vor Gericht bestätigen wird, bleibt letztlich abzuwarten; zumindest scheint es aber möglich, dass das KUG doch weiterhin gelten könnte. Immerhin steht mit Herrn Klages, der nicht nur durch seine eigene Kanzleitätigkeit, sondern auch als Lehrbeauftragter für Film- und Urheberrecht an der dffb, Herausgeber eines Buches über Filmrecht sowie als Vertragsanwalt der AG DOK mit der Materie vertraut ist, ein fachliches Schwergewicht mit seiner Prognose auf der Seite des KUG.



Doch selbst wenn man mit einer nach KUG §22 gültigen Einverständniserklärung der gefilmten oder fotografierten Personen anscheinend auch nach dem 25.5. laut Klages halbwegs ruhig schlafen kann, bleibt eine Unsicherheit wegen der differierenden Auslegungen definitiv bestehen. Und auf die direkte Frage, ob eine nicht genehmigte Aufnahme einer Person künftig nicht nur ein Verstoß gegen das KUG, sondern auch gegen die DSGVO sei, lautete die Antwort, das wäre vermutlich eine der ersten Fragen, die vor Gericht geklärt würden. Auch müssten vermutlich Model-/Protagonistenverträge uä. aufgrund der in ihnen enthaltenen persönlichen Angaben umformuliert oder ergänzt werden.



UPDATE 14.5.:: Der Bürgerservice des Bundesministeriums des Innern teilt in einer Stellungnahme mit, dass die neue Datenschutz-Grundverordnung das Kunsturhebergesetz (KUG) nicht außer Kraft setze. Es ergeben sich laut BMI aus der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und den diese ergänzenden nationalen Gesetzen "keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage bei der Anfertigung und Verbreitung von Fotografien". Das KUG füge sich als "deutsche Anpassungsgesetzgebung" in das System der DS-GVO ein, eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes sei somit nicht erforderlich.



Das Kunsturhebergesetz regelt allerdings die Verbreitung von bildlichen Aufnahmen, nicht die Anfertigung. Für letzteres galt laut BMI bisher die alte EU-Datenschutz-Richtlinie und ab dem 25.5. die neue Datenschutz-Grundverordnung, welche ein widerrufbare Einwilligung erfordert, jedoch auch "alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO)" vorsehe. Zu den kompletten Ausführungen des BMI



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Alle Unternehmer sind von den neuen Datenschutzvorschriften betroffen

Denn keine Unklarheit besteht in einem anderen Punkt: wer beruflich personenbezogene Daten erhebt und verabeitet, beispielsweise von Kunden oder Interessenten, festen oder freien Mitarbeitern, Schauspielern, Models, Komparsen usw. muß sich ab dem 25.5. an die Bestimmungen der DSGVO halten. Diese schreiben vor, wie mit Informationen, die sich auf eine identifizierbare, natürliche Person beziehen, umzugehen ist. Prinzipiell muß die Person der Verarbeitung ausdrücklich zustimmen, und zwar für einen oder mehrere bestimmte Zwecke. Aber nicht nur das: Die Person muß in leicht verständlicher Weise bei der Einwilligung darüber aufgeklärt werden, was genau wie lange gespeichert wird und wofür, dass ein Widerruf der Einwilligung jederzeit möglich ist und wie das Recht auf Auskunft oder Löschung funktioniert. Wer die Daten erhebt, muß eindeutig nachweisen können, jeweils eine solche gültige Einwilligung eingeholt zu haben. Jedoch auch ohne Einwilligung kann die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig sein, etwa wenn sie zur Erfüllung eines Vertrages mit der betroffenen Person benötigt wird, oder "zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich" ist -- letzteres birgt durchaus einen weiten Deutungsspielraum, wann welche Interessen oder Grundrechte überwiegen (Güterabwägung).



Die Einzelheiten der neuen Vorschriften sind zahlreich und ihre Auslegung und Implikationen teilweise noch unklar -- an dieser Stelle ist es nicht möglich, ausführliche und konkrete Ratschläge zu geben. Lediglich auf zwei Punkte sei noch hingewiesen: es muß, wenn personenbezogene Daten (regelmäßig) verarbeitet werden, zwingend ein sogenanntes Verarbeitungsverzeichnis geführt werden, in dem ua. spezifiziert wird, welche Art Daten erhoben werden und wozu, wer dafür verantwortlich ist und wie die Daten abgesichert werden. Und wer die Daten auch an Dritte weitergibt, etwa an ein Lohnbüro, muß sich außerdem vertraglich zusichern lassen, dass auch dort gesetzeskonform mit den Daten umgegangen wird (Stichwort Auftragsverarbeitung).





Leider ist es selbst für Kleinstunternehmer unerlässlich, sich über das Thema zu informieren und die eigene Praxis zu prüfen und ggf. anzupassen, denn wer gegen die DSGVO verstößt, muß sowohl mit empfindlichen Bußgeldern der Datenschutzaufsichtsbehörde als auch möglichen Schadensersatzansprüchen der Betroffenen rechnen. Da Zuwiderhandlungen nicht nur von den Betroffenen selbst, sondern auch von Dritten bei den Behörden gemeldet werden können, dürfte das Thema Datenschutz sicherlich auch im Marktrecht relevant werden: wer mit personenbezogenen Daten nicht korrekt umgeht, verschafft sich dadurch möglicherweise einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz (unlauterer Wettbewerb). Es muß auch mit Abmahnwellen gerechnet werden.



Einen Einstieg ins Kleingedruckte bieten beispielsweise die Kurzpapiere der unabhängigen Datenschutzbehörden zur DS-GVO.





Die normative Kraft des Faktischen?

Um abschließend noch einmal auf die Problematik mit der Abbildungserlaubnis und dem Recht am eigenen Bild zurückzukommen: Sollte künftig tatsächlich jede nicht ausdrücklich bewilligte, erkennbare Abbildung einer Person eine Gesetzesübertretung nach DSGVO darstellen, fragen wir uns, wie die Verfolgung dieses Tatbestands in der Praxis eigentlich ablaufen soll. Denn in einer Zeit, in der beinahe jeder eine Smartphone-Kamera zur Hand hat und von dieser in der Regel ausgiebig im öffentlichen Raum Gebrauch macht, um die Fotos und Videos daraufhin auf Facebook, Instagram, YouTube und Co. zu veröffentlichen, käme dies aus unserer Sicht einer Kriminalisierung breiter Bevölkerungsschichten gleich. Denn häufig sind ja auch Unbeteiligte im Bild, was übrigens bereits jetzt laut KUG ohne Erlaubnis meist nicht zulässig ist, allerdings de facto kaum verfolgt wird. Dass aufgrund der neuen Bestimmungen nun plötzlich keine Bilder mehr erstellt und geteilt werden, ist nicht sehr wahrscheinlich. Zwar findet die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten "durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten", doch sowie dabei Daten an nicht-natürliche Personen, etwa Konzerne wie Facebook & co. fließen, dürfte die Verordnung sehr wohl gelten.



Und natürlich liegt genau hier der Hund begraben: es ist beinahe unmöglich, als Person nicht ungewollt in irgendwelchen Aufnahmen aufzutauchen, doch aufgrund immer ausgefeilteren Techniken der Gesichtserkennung ist eine Identifizierung von abgebildeten Personen automatisiert möglich und wird auch praktiziert, etwa bei Facebook. Ein ausgiebiges Tracking und Profiling ist möglich, vor allem ggf. auch mit Hilfe der zusätzlich verfügbaren Bildmetadaten. Über all diese Datenspuren hat die versehentlich oder unwissentlich abgebildete Person jedoch keine Kenntnis oder Kontrolle.


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Dem in irgendeiner Form Einhalt zu gebieten, wäre sicherlich nicht schlecht -- bleibt nur abzuwarten, ob die neue DSGVO hier tatsächlich die gewünschte Wirkung bringt, indem das Verknüpfen oder Weitergeben der Daten erschwert wird, oder ob sich aufgrund von Sonderbestimmungen einzelner Staaten (gemäß Art. 85) oder des weiten Interpretationsspielraums in Punkto "Wahrung der berechtigten Interessen" desjenigen, der die Daten erhebt, hinter den Kulissen letztlich wenig ändert.



In diesem Fall brächte die neue Richtlinie hauptsächlich viel zusätzlichen Aufwand, beispielsweise in Form von mehr Datenschutzinformationen, die schon jetzt kaum jemand liest, und wie es scheint aufgrund der unklaren Auslegung auch zunächst größere Rechtsunsicherheit. Dass beispielsweise nicht eindeutig ist, in welchem Rahmen die Anfertigung von filmischen und fotografischen Aufnahmen von Personen per se zulässig sein wird, bzw. in welcher Form das Einverständnis der abgebildeten Personen eingeholt werden muß/sollte (nach KUG oder nach DSGVO), ist ein unhaltbarer Zustand.



Und sollte am Ende die DSGVO greifen, wäre vielleicht eine Abbildung manchmal doch zu rechtfertigen, nämlich zur Wahrung eines „berechtigten Interesses“ als Filmschaffender, zB. bei der Dokumentation von (Sport-)Events, Konzerten, Hochzeiten? Wäre es sinnvoll und möglich, eine Erlaubnis zur Abbildung einer Person künftig immer als expliziten Vertrag aufzusetzen, da eine Datenverarbeitung „zur Erfüllung eines Vertrages mit der betroffenen Person“ anscheinend zulässig ist (Art. 6 / 1b), und somit eine Löschung der Bilder vielleicht nicht nachträglich gefordert werden kann? Fragen über Fragen – verbindliche Antworten scheint es derzeit leider kaum zu geben.



Wie das Recht am eigenen Bild und der damit verknüpften Datenspur (informationelle Selbstbestimmung) sich künftig zur Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit verhalten soll, wird durchaus spannend zu sehen.



HINWEIS d. Redaktion: Dieser Artikel bietet lediglich allgemeine Informationen zum Thema und kann eine rechtliche oder fachliche Beratung nicht ersetzen.


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