Frage von Axel:Wer sagt, er habe einen Roman von Thomas Pynchon gelesen, der hat auf jeden Fall gelogen. Diese bombastischen, gelehrten, witzigen, ekstatischen, sarkastischen, poetischen Ergüsse kann man nicht lesen. Man kann Joyce lesen, Pynchon nicht. Der Autor kommt vom Hölzchen auf's Stöckchen, und ob sich in dieser genialen Sprachlawine jemals ein Faden wiederfinden lässt? Ich
habe zwei Pynchon-Romane ("V" und "Mason & Dixon"), und ich bereue die Stunden nicht, die ich darin geschmökert habe. Aber ich bleibe dabei: Unlesbar.
P.T. Anderson (Boogie Nights, Magnolia, There Will Be Blood, The Master) war nun offenbar der Ansicht, dieser spezielle Roman sei zumindest ver
filmbar.
Ein Freund schleppte mich hinein. Bis auf die Pynchon-Vorlage hatte ich keine Ahnung, was mich erwartete. Mein Freund erzählte, Anderson habe uraltes, überlagertes 35mm-Material verwendet.
Der Film beginnt in den ersten Einstellungen als eine hard boiled Detektivgeschichte mit recht simplen Bildern, die im 70er-Stil grobkörnig sind, der Film spielt auch in den 70ern. Privatdetektiv Doc Sportello (Phoenix) soll einen möglicherweise entführten Baulöwen finden. Er ist aber ständig bekifft. Recht schnell wird die Handlung unüberschaubar kompliziert. Und absurd. Und klar eine Komödie. Das Publikum lacht und klopft sich auf die Schenkel. Doc rafft zwar nicht viel, aber anscheinend mehr als wir. Alle fünf Minuten (so scheint es) kriegt er einen zusätzlichen Auftrag, zusätzliche absurd klingende Namen werden erwähnt, und alles erweckt den Anschein, irgendwie zusammenzuhängen. Der Polizeidetektiv "Bigfoot" (Josh Brolin) gibt den Coolen (Off-Erzählerin, eine mysteriöse Freundin Docs: "Das Glitzern in seinen Augen schreit Bürgerrechtsverletzung"), hat aber keinen Plan und hängt sich an Doc, um dessen Ermittlungen zu "teilen". Verschwörerisches Getue, bekifftes Verschwörungsgefasel, das geheimnistuerisch intervenierende FBI verkompliziert die Dinge zusätzlich.
Als hätte man Coen-Filme mit Austin Powers (im Massagesalon: "Sind sie von der Polizei?" Offensichtlich bekiffter Hippie: "Nein." - "Dann hätten Sie nämlich gratis Muschilecken gekriegt.") in einen Mixer getan. Und anderes. Noch ein kräftiger Schuss von Namensvetter Wes Anderson (die bizarren Figuren), auch ein bisschen Hitchcock (die Musik zum Beispiel erinnert teilweise an Bernard Herrmann).
Was mir bei Pynchon nicht gelang, gelang Anderson bei mir: Für mich hatte der Film einen Sinn. Da sich der Film aber besonders über Platitüden lustig macht, möchte ich hier keine weitere hinzufügen, indem ich hier wie ein Schüler eine Interpretation liefere.
Antwort von cantsin:
Trotz der bekifften Verwirrung gibt es doch eine überdeutliche Metaphernebene in Roman und Film: Die Immobilienentwickler als Blutsauger ("golden fang"), die die gegenkulturelle Utopie der kalifornischen 60er Jahre wörtlich zubetonieren. Der einzige, der Reue zeigt und Wohnraum an alle freigeben will, wird verschleppt. Sehr deutlich auch die Szene, in der Doc einen leeren Platz wiederbesucht, der sich dann als neu bebaut (und als Mafia-Hauptquartier) entpuppt.
Als der Roman herauskam, war eine häufige Reaktion, dass Pynchon eine neue Version von "The Big Lebowski" geschrieben habe. Man merkt dem Film von P.T. Anderson deutlich an, dass er probiert, eine ganz andere Filmsprache als die Coen-Brüder zu finden.
Antwort von Axel:
Ja, an (scheinbaren) Metaphern ist der Film nicht arm. Ich fühlte mich sowohl an Magnolia als auch an A Serious Man erinnert. Die Frage ist, ob sie jemals auf etwas Tatsächliches verweisen ("Nein, das ist kein Hakenkreuz, es ist ein altes indisches Glückssymbol"). Nehmen wir Golden Fang. Ist es nun ein Schiff? Offensichtlich, wir sehen es mit roten Segeln wie ein Flashback am Horizont. Der Name klingt chinesisch ("multo penne keiko! multo penne keiko!"). Ist es ein Drogenkartell? Es wird mal irgendwann behauptet, und Evidenz für Kokainhandel ist lächerlich unübersehbar. Ist es gar eine Verschwörung von Vampiren (Doc untersucht den Hals seiner Freundin nach Bisswunden). Ist es tatsächlich eine Immobilienmafia? Was haben die Nazis und das straight coole Irrenhaus damit zu tun? Ist es (oh, ja!) eine Metapher für den bösen Kapitalismus?
Auch die Liebe ("ein überstrapaziertes Wort") entzieht sich der Deutung. Hier empfinde ich Anderson als deutlich romantischer (vor allem in den Bildern) als die Coens.
Antwort von Schleichmichel:
Cool! Läuft also schon.... Ich bekomme seit ich Papa bin nichts mehr mit...