Neues Jahr, neues Camcorderglück. Sonys Handycam-Modelle für das Jahr 2013 haben auf den ersten Blick keine revolutionären Neuerungen zu bieten. Also schauen wir mal bei der HDR-PJ650 genauer hin, die bereits den Weg in unsere Redaktion gefunden hat.
Modell-Politik
Die HDR-PJ650 ist sozusagen Sonys neues Sub-Flagschiff für 999 Euro. Es gibt mit der HDR-PJ780 noch eine Klasse darüber, für stolze 1399 Euro. Auffällig ist vor allem, dass Sony dieses Jahr keine projektorlosen Versionen dieser beiden Top-Varianten vorgestellt hat. Wer also eines der beiden technischen Flagschiffe haben will, muss den Projektor dieses Jahr mitkaufen, egal ob er ihn braucht oder nicht. Wir denken zwar, dass die zusätzlichen Produktionskosten für einen Displayprojektor heutzutage nicht mehr sonderlich ins Gewicht fallen, jedoch dürfte bei vielen Anwendern wohl das mulmige Gefühl bleiben, hier etwas mitzubezahlen, was man eigentlich gar nicht braucht.

Projektion mit HDMI-Eingang
Bei unserem ersten Sony Test-Modell 2013, der HDR-PJ650 leuchtet der Projektor bereits mit 20 Lumen, die in einem komplett abgedunkelten Raum überraschend hell wirken. Gegenüber Fernsehern oder echten Beamern fehlt es jedoch noch deutlich an Kontrast, Schärfe und Brillianz. Die Auflösung von 640 × 360 Pixeln wirkt dabei für FullHD verwöhnte Augen schon sichtlich unscharf. Das Topmodell HDR-PJ780 kommt hier immerhin auf 854 × 480 Pixel bei 35 Lumen, was einen deutlich sichtbaren Unterschied bewirken dürfte. Wer also auf eingebaute Projektoren wert legt, könnte dieses Jahr beim Top-Modell wirklich deutlich besser bedient werden.
Auffällig ist, dass sich der Projektor jetzt auch über eine zweite Micro-HDMI-In Buchse mit externen Quellen füttern lässt. Das ist einerseits natürlich ein nettes Feature, wirkt andererseits etwas anachronistisch. So benötigt man zur Nutzung mit einem Smartphone beispielsweise ein entsprechendes HDMI-Kabel vom Smartphone zum Camcorder. Eine interne Abspielmöglichkeit von systemfremden digitalen Dateien auf einer SD-Karte wäre da schon viel pragmatischer. Oder eine Anbindung/Übertragung eines Streams durch WLAN. Doch so weit geht die Funktionalität der Kamera nicht.
Ein wenig WLAN
Apropos WLAN. Sony folgt dem drahtlosen Trend, den ansonsten die gesamte Konkurrenz für 2013 aufgeschnappt hat noch nicht, bzw. nur halbherzig: So kann die Kamera nur mit einem zusätzlichen, 100 Euro teuren WLAN-Kit für den Zubehörschuh (ADP-WL1M) den drahtlosen Funk nutzen und bietet dabei dennoch nicht den mittlerweile üppigen Zusatzfunktionsumfang der Konkurrenz. In erster Linie soll damit vorerst laut Datenblatt nur Dateiübertragung und Fernbedienung per Smartphone-App möglich sein, was wir in Ermangelung des WLAN Kits nicht testen konnten.
Audio-Feinheiten
In einem Nebensatz zum WLAN Adapter erfährt man jedoch auch, dass die HDR-PJ650 somit mit dem neuen Multi Interface Shoe ausgestattet zu sein scheint. Über diesen lässt sich bei der NEX-VG30 und der NEX-VG900 auch der separate XLR-Audio-Adapter XLR-K1M anschließen. Ob dieser also auch mit der PJ650 funktionieren würde? Nachdem der Adapter selbst mit rund 800 Euro fast so viel kostet wie die Kamera selbst, dürfte sich die Frage wahrscheinlich nicht für viele Anwender stellen.
Interessant könnte der Adapter dennoch sein, denn im Audiobereich zeigt sich Sony bei der HDR-PJ650 diesmal ungewöhnlich offen. Nicht nur Miniklinken für externe Mikrofone und Kopfhörer sind vorhanden, auch eine manuelle Tonaussteuerung ist per Menü möglich. Und das sogar bei ziemlich guten Rauschwerten, wie wir im Messlabor sehen durften.
Ausstattung
Beim Sensor kommt man mit dem Top-Modell noch besser weg. So bietet die HDR-PJ780 satte 1/2,88-Zoll Sensordiagonale während sich die HDR-PJ650 mit 1/3,91 Zoll begnügen muss. Dies dürfte vor allem im Low-Light einen sichtbaren Unterschied bewirken. Jedoch weniger im Weitwinkel. Denn dank unterschiedlich gerechneter Optiken kommen beide Kameras auf ca. 26mm Weitwinkel (kb) wobei die PJ650 sogar noch 12 fach optischen Zoom liefern kann. Die PJ780 erreicht dagegen nur 10fach. Beide Modelle besitzen eine Anfangsblende von F1,8.
Formate
Aufnehmen kann die HDR-PJ650 mit 1920×1080/50p/25p/50i, sowie 1440×1080/50i und 720×576/50i mit bis zu 28 Mbit/s. Die echte 24p-Aufzeichnung behält Sony der HDR-PJ780 vor. Eine Cinematone-Gamma Funktion besitzen beide Modelle. Dies ist sozusagen die inverse Funktion einer Log-Aufzeichnung, welche die Highlights sogar noch früher ausreißen lässt und den Kontrast erhöht. Diese Funktion ist also nicht für die Nachbearbeitung bestimmt, sondern eher dafür, direkt aus der Kamera einen filmähnlicheren Look zu bekommen. Mit eher mäßigen Ergebnissen.
Sucher, Display und Bedienung
Der eingebaute Sucher löst extrem gering auf und zeigt mit seinen 201.600 Pixel eine deutlich sichtbare Wabenstruktur. Ganz anders dagegen das Display, das mit seiner Pixelanzahl wie die Vorgänger und viele Konkurrenten eine gute Auflösung bietet (921.000 Pixel Sub-Pixel bei 3-Zoll).
Wie auch schon bei anderen Modellen kritisieren wir hier die etwas klein geratenen, virtuellen Schaltflächen. Dafür lässt sich mithilfe von Peaking und expanded Focus mit dieser Kamera bequem Scharfstellen. Funktionen wie Touch Focus und/oder Touch Belichtung erleichtern dazu wieder einmal das schnelle Einstellen des Bildes. Auch eine Zebra-Funktion (aber kein Histogramm) ist mit an Bord. Und leider ist auch die Unsitte geblieben, dass sich die Kamera nicht komplett unter manuelle Kontrolle bekommen lässt. Stellt man die Blende manuell ein so springt die Verschlusszeit auf Automatik. Und stellt man die Verschlusszeit manuell ein, so springt die Blende auf Automatik. Alleine diese Verhalten dürfte viele Anwender in die Hände von Panasonic und Canon treiben, die in dieser Preisklasse volle manuelle Kontrolle bieten.
Und leider zeigt sich Sony auch dieses Jahr wieder ebenso geschlossen bei den Bildprofilen. "Take it or leave it" hört man da Sonys Marktstrategen flüstern. Und so gibt es an der Bildcharakteristik der Kamera eben nichts zu drehen. Auch auf diesem Ohr ist Sony seit Jahren taub für Kritik.
Schade, denn die Hardware hätte ansonsten das Zeug auch anspruchsvolle Filmer zu begeistern. Das kleine Drehrad neben dem Objektiv kann tatsächlich sehr feinfühlig frei definierbare Parameter wie Fokus oder Blende einstellen und kommt damit einem echten Objektivring schon ziemlich nahe.
Und der Bildstabilisator bleibt ein Sony-Alleinstellungsmerkmal, auf das die Konkurrenz tatsächlich voller Neid schielen darf. Denn der Balanced Optical Steady Shot mit seiner komplett beweglich aufgehängten Optik und Sensor-Einheit liefert Kamerfahrten aus der Hand, die man sonst nur mit deutlich teurerem Equippment hinbekommt. Und das ist immer wieder eine Freude anzusehen.
Aus dem Messlabor
Der Sweep fällt relativ spät ab, verläuft jedoch etwas unruhiger als bei Panasonics X929. Die nicht justierbare Nachschärfung hält sich dagegen in relativ engen Grenzen.
![]() |
Das ISO-Chart wird mit leichten Artefakten wiedergegeben. In den hochfrequenten Kreise geht etwas Detail verloren und es gibt auch leichte Chroma-Schleier.
![]() |
Die Farbauflösungs-Kurve fällt etwas vor der Systemgrenze ab und zeigt gegen Ende ein leichtes Chroma-Aliasing.
![]() |
Schöne gerade Linien, praktisch ohne irgendeine Verzerrung. Und das bei ca. 26mm Weitwinkel bezogen auf Kleinbild. Das ist schon schon eine bemerkenswerte digitale Korrekturleistung für Bewegtbild.
![]() |
Nachjustieren ist mal wieder nicht drin, aber auch nicht zwingend notwendig. Die Farben der Sony HDR-PJ650 sind ziemlich ausgewogen und wirken sehr natürlich, auch die Hauttöne gelingen gut.
![]() |
Das Schwachlicht-Verhalten der HDR-PJ650 ist gemessen an der Sensorgröße sehr gut und liegt ungefähr auf den Niveau des Kontrahenten Panasonic HC-X929.
![]() |
Mit manueller Nachhilfe gelingt der Kamera sogar ein auffallend helles Bild, mit den Sony-üblichen leichten blauen Chroma-Wolken.
![]() |
Würdige Ton-Sektion: Der Störgeräuschabstand des eingebauten Mikrofons ist bemerkenswert gut. Dieses kann jetzt sogar manuell ausgesteuert werden.
![]() |
Fazit
Die Technik unter der Haube der HDR-PJ650 ist absolut zeitgemäß. Die etwas suboptimale Schärfe und die leichten Skalierungsartefakte spielen bei Allerwelts-Motiven kaum eine Rolle und auch das Low-Light-Verhalten ist für die Sensorgröße erstaunlich. Kurz: Die HDR-PJ650 ist eine Kamera die im Automatik-Modus sehr gute Bilder abliefert und dazu einen einzigartigen Bildstabilisator aufweisen kann. Wenn Sony es nun noch erlauben würde etwas an den Bildprofilen zu drehen und wirklich die manuellen Einstellungen zu halten, könnten (wohl nicht nur) wir uns vollends für diese Kamera begeistern. Aber genau diese künstlichen Limitierungen dürfen vielen potentiellen Käufern ein weiteres mal den Griff zur Kamera verleiden. Denn es gibt einfach zu viele Situationen, in denen der ungewollte Eingriff einer Automatik eine gesamte Aufnahme zunichte machen kann.