Schaut man sich die Produktzyklen einiger Hersteller an, stellt sich manchmal die Frage, wann denn überhaupt noch entwickelt wird. Und so sind auch die Veränderungen der neuen HC85 gegenüber der Vorgängerin TRV60 moderat.

Pünktlich zur Urlaubssaison hat Sony seine Camcorderflotte runderneuert. Die seit langer Zeit etablierte TRV-Serie hatte aber mittlerweile so viele Nummern dahinter, dass dies kein Mensch mehr durchblickte. Vielleicht heißen daher ab jetzt alle neuen Camcorder HC. Wer allerdings vermutet, dass sich dahinter vielleicht "HochCompact" oder ähnliches verbergen könnte, wird zumindest von der HC85 eines besseren belehrt. Das Gehäuse hat sich gegenüber der schon fast klassischen Bauform der TRV60 kaum verändert.
Bedienung
Und das ist auch gut so, denn kaum ein anderer Mini liegt so gut in der Hand. Platz bleibt dabei neben dem Fokusring für ein großes 3,5"-Display, dieses Jahr anscheinend eher die Ausnahme in der Einchip-Riege. Ein großes Display ist bei der HC85 aber auch nötig, denn der Trend des Touchscreens setzt sich fort. Außer Fokus- und Backlighttaste gibt es keine externe Eingriffsmöglichkeit im Videobetrieb. Das Menü lässt sich recht flott bedienen, allerdings fragt man sich manchmal, warum sogar Videokameras heute Animationen a´la XP und OSX können. Beim Durchtippen der einzelnen Punkte fällt ein Begriff ins Auge: "Direkt" steht als vierte Möglichkeit beim Weißabgleich. Da ist doch glatt der Griff zur Bedienungsanleitung nötig um mit Freude zu sehen, dass Sony klammheimlich wieder einen manuellen Weißabgleich eingeführt hat. Dafür fehlt dem HC85 jegliche Spielerei a´la Bluetooth, Email oder sonstiges. Manchmal hegt man als Tester ja fast die Hoffnung, dass im fernen Japan der ein oder andere Entwickler tatsächlich auf die Anwenderschaft hört. Und scheinbar hat der ein oder andere Entwickler sein Produkt sogar mal etwas länger ausprobiert, denn am Display gibt es jetzt eine zweite Rekordtaste! Damit lässt sich auch im Zweihand-Betrieb die Aufnahme starten, ohne dass es einen Wackler gibt. Und die Display-Backlight-Funktion gleich noch daneben, so soll es sein. Damit gehört die HC85 wieder zu den sinnvoll ausgestatteten Einchip-Kameras sehr schön.
Technik
In den technischen Daten des Aufnahmebereichs hat sich nichts verändert, was gleichzeitig heißt, es hat sich auch nichts verschlechtert. Gerade bei Modellen die günstiger werden, geht das oft zu lasten des CCDs. Die HC85 hat, wie ihre Vorgängerin, einen 1/3,6"-CCD mit insgesamt 2Megapixel Auflösung. Die stehen leider nur im Fotomodus zur Verfügung, bei Videoaufnahmen bleiben nur etwa 1.080.000 Pixel übrig. Für ein scharfes Bild braucht man auch nicht unbedingt mehr, diese Eigenschaft geht aber zu Lasten des Weitwinkels. So kommt die HC85 nur auf etwa 52mm (Fotobrennweite), für Innenraumaufnahmen sehr wenig. Beim Kauf sollte also neben dem bei Sony grundsätzlich fehlenden externen Ladegerät ein Weitwinkelkonverter gleich mit eingeplant werden. Das ändert sich bei Aufnahmen in 16:9. Es kommt rechts und links Chipfläche dazu, was gleichzeitig Weitwinkel und Schärfe verbessert. Konsequenterweise nimmt die HC85 daher auch anamorph auf.
Bildtest
Im Bildtest liefert die HC85 eine für Einchip-Camcorder saubere Schärfe. Auch feinere Details sind gut zu erkennen, bei der Konkurrenz keine Selbstverständlichkeit. Das Messlabor bestätigt den guten Schärfeeindruck, zumindest horizontal reizt die HC85 ihren Chip ziemlich aus. Dabei kommt kaum eine künstliche Kontur zum Einsatz, so soll es sein.

Wem die Schärfe nicht reicht oder weichere Bilder aufnehmen möchte, kann die Kontur im Menü beeinflussen - in Einchippern eine seltene Funktion.
Bei Tageslichtaufnahmen produziert die HC85 neutrale bis leicht warme Farben, die im Display aber allesamt zu schwach wirken. Das liegt an der Grundeinstellung des Displays, im Menü kann man hier durchaus mehr Farbsättigung einstellen. Auf dem Band kommen sie richtig an. Störend wirkt sich die Tendenz zu etwas hellen Bildern aus, je nach Motiv kann das kontrastarm wirken. Sony bietet dafür schon seit längerem die Beeinflussung von Fokus und Blende über den Touchscreen an. Darauf wird ein Bereich ausgewählt, der die Referenz sein soll und per "SpotMeter" bzw. "SpotFokus" eingestellt. Mit ein bisschen Übung geht das ganz gut, wünschenswert wäre trotzdem die Funktion "AEShift" zum korrigieren der Autoblende.
In Innenräumen hält die HC85 sehr schön die Farbneutralität, sogar die Trennung von Rot und Rosa-Tönen gelingt ihr gut. Die Farbintensität nimmt bei Lowlight ab, auch eine Folge des kleinen CCD-Ausschnitts. Trotzdem sind die Bilder erstaunlich rauschfrei und selbst bei 18dB Verstärkung noch zu gebrauchen. Bei 20Lux ist aber auch die beste Verstärkung am Ende.

Wer es ganz duster hat, z.B. bei Nachaufnahmen, kann den Nightshot Plus zu schalten. Eine kleine Infrarotlampe an der Vorderseite liefert dann die Beleuchtung, Farbe ist damit aber prinzipbedingt nicht möglich.
Fazit
Evolution statt Revolution, aber das durchaus sinnvoll. Einziger Kritikpunkt bleibt der geringe Weitwinkel und evtl. die etwas zu helle Blendenautomatik. Ansonsten ist der Verzicht auf Netzwerk-Spielereien und die Rückbesinnung auf wichtige Videofunktion der Schritt in die richtige Richtung. Da der direkte Konkurrent, die Canon MVX150i, nicht mehr hergestellt wird, erhält die Sony HC85 unsere Kaufempfehlung in der 1250Euro-Klasse.

















