![]() |
Viele Anwender erzielen eher ernüchternde Ergebnisse, wenn sie das erste mal versuchen einen Bluescreen zu erstellen. Ein neues Produkt aus England verspricht perfektes Keying, ohne großen Aufwand. Wir haben ein Testmuster in Deutschland ergattert und wollten wissen, wie gut Chromatte wirklich ist.
Eigentlich gibt es die ersten Prototypen von Chromatte schon etwas länger. Die Firma Reflecmedia tüftelt nämlich schon seit der Jahrtausendwende mit der britischen BBC an einer neuen Methode, um das Freistellen von Objekten einfacher zu gestalten. Im professionellen Umfeld hat sich das Material bereits bewährt. So wurde es erst kürzlich bei Produktionen wie dem „Herr der Ringe“ oder in „Harry Potter“ erfolgreich eingesetzt. Nach diesen gelungenen Bewährungsproben gibt es das Wundermaterial jetzt auch regulär für jedermann zu erwerben.
Chromatte selbst ist ein Spezialstoff, der aus Millionen kleiner Glasfasern besteht. Diese verhalten sich im Prinzip wie kleine Katzenaugen und können Licht reflektieren. Daher staunt man auch nicht schlecht, wenn man den Stoff das erste mal sieht. Denn ohne weitere Beleuchtung sieht der Stoff für das menschliche Auge einfach nur Grau aus.

Hier kommt nun die zweite Komponente des Systems ins Spiel: Der sogenannte LiteRing. Hierbei handelt es sich um einen massiven Ring, der mit blauen oder grünen Leuchtdioden bestückt ist. Angeschlossen wird dieser an einen 12V-Transformator, der die Helligkeit der Leuchtdioden regeln kann. Da die Leuchtdioden sehr effektiv sind und zusammen gerade einmal 5W benötigen, könnte der LiteRing daher mit etwas Bastelarbeit auch einfach vom Kameraakku mitversorgt werden, wenn der Camcorder keinen externen Stromanschluss bietet.

Dieser Ring wird über das Objektiv des Camcoders montiert und leuchtet daraufhin immer in der Blickrichtung des Objektivs. Sieht man nun mit dem Auge oder mit der Kamera durch diesen Ring erscheint der Chromatte-Stoff plötzlich in einem gleichmäßigen Blau. Dies bietet gegenüber einem herkömmlichen Bluescreen-Verfahren deutliche Vorteile:
Zeitersparnis
Einen Bluescreen komplett aufzubauen kann seine Zeit dauern. Da Chromatte auch unter dem Namen Chromaflex mit einem selbstspannenden Rahmen geliefert wird, zieht man es einfach aus der Transporttasche und lehnt es an freie Wand. Da das Material selbst reflektiert und somit im Stoff kein Schattenwurf entsteht, stören auch kleine Knicke im Stoff oder ein schräger Aufprallwinkel des Lichts nicht.

Lichtersparnis
Während normaler Stoff oder Farbe Licht absorbiert, wird das Licht bei Chromatte reflektiert. Dadurch entfällt eine aufwändige und kostspielige Ausleuchtung. Aus diesem Grund muss auch das Objekt im Vordergrund nicht mehr so stark ausgeleuchtet werden, weshalb sich bereits mit einem sehr einfachen Lichtaufbau sehr gute Ergebnisse erzielen lassen.
Raumersparnis
Da bei Chromatte das Licht von Hinten reflektiert wird, gelingen die Keys um so besser, je näher das Objekt am Hintergrund steht. Beim traditionellen Verfahren ist dagegen ein Mindestabstand von 2 Metern zur Wand nötig, um problemlos keyen zu können. Dadurch spart Chromatte auch enormen Platz. Selbst kleine Räume lassen sich bequem und schnell zu einem Bluescreen-Studio umfunktionieren.
Flexibilität
Chromatte lässt sich leicht überall aufbauen. Um beispielsweise bei wichtigen Interviews einen geeigneten Hintergrund zu schaffen, kann man schnell irgendwo ein Chromatte-Tuch spannen. Doch was ist, wenn der Interviewpartner unglücklicherweise im blauen Hemd auftaucht? Dann spannt man einfach den grünen LiteRing auf die Kamera. Reflecmedia arbeitet bereits an einem Universalring, der mit roten, grünen und blauen Leuchtdioden bestückt ist. Dadurch kann man dann vor Ort eine beliebige Hintergrundfarbe aus dem RGB-Farbspektrum zum Keyen wählen.
In der Praxis
Mich hat natürlich brennend interessiert, wie sich Chromatte in der Praxis schlägt. Um das Material in einer Extremsituation zu testen habe ich einen besonders einfachen Lichtaufbau gewählt. Zur Beleuchtung meiner Wenigkeit habe ich nur zwei handelsübliche Neonröhren benutzt, die ungefähr 1 Meter seitlich von der Chromatte-Wand befestigt waren. Bei so viel Licht war meine alte Panasonic NV-DX100 gerade noch in der Lage ohne Restlichverstärkung einigermaßen passabel zu belichten. Dann drehte ich den LiteRing langsam auf und stellte mich nahe vor den Stoff.
Das Ergebnis konnte wirklich schnell überzeugen. Der Hintergrund wirkte sehr gleichmäßig ausgeleuchtet, während der Vordergrund sich tatsächlich mit einem extremem Kontrast abfilmen ließ, ohne das blaue Licht des LiteRings einzufangen. Allerdings kam es -wie bei klassichen Verfahren auch- zu einem leichten Blue-Spill. Darunter versteht man den Effekt, dass das blaue Licht von der Rückseite sich an den Objektkanten wiederspiegelt. Allerdings lässt sich dieser Effekt mit einem guten Keyer nachträglich am Rechner herausrechnen.
Messung
Als nächstes interessierte natürlich, ob sich der subjektiver Lichteindruck der gleichmäßigen Verteilung auch objektiv messen lässt. Aufgrund der Beleuchtung wurden eigentlich deutliche Schatten auf den Stoff geworfen, die bei abgeschalteten LiteRing sichtbar waren. Daher analysierte ich die Verteilung des Blaus mit dem Vektorskop und dem Waveformmonitor einer Canopus Storm.

Hier bestätigte sich der subjektive Eindruck. Die Farbe des Blaus war bei eingeschaltetem LiteRing äußerst konstant und entspricht schon einer guten Ausleuchtung eines normalen Bluescreens. Mit dem Unterschied, dass der sporadische Lichtaufbau eine Lichtsituation provoziert hat, die mit klassichen Mitteln undenkbar wäre. Mit etwas sorgfältigerer Ausleuchtung ließ sich die Farbkonstanz noch deutlich verbessern, jedoch genügte der einfache Lichtaufbau bereits, um mit praktisch keinem Aufwand gut keyen zu können. Trotz LowLight-Rauschen und starker Contour der Testkamera ließ sich sofort ein brauchbarer Key erstellen.

Fazit
Chromatte hat auf Anhieb überzeugt, allerdings muss man auf den ersten Blick bei den verlangten Preisen schlucken. Der billigste Vorhang kostet mit 2,5m x 2,5 m bereits 1600 Euro. Und ein LiteRing mit Kontroller und Netzteil kostet noch einmal über 500 Euro. Immerhin gibt es günstigere Setpreise (z.B.: Selbstspannender Rahmen mit 2,1m x 2,1m Chromatte-Bespannung mit einem LiteRing (Blau oder Grün), Controller und Netzteil für 1595 Euro.)
Für Filmer, die häufiger Blue-Screen Aufnahmen machen, kann sich die Investition jedoch schnell wieder amortisieren. Verglichen mit den Mietpreisen eines guten Blue-Screen Studios wirkt Chromatte relativ günstig. Zumal man mit diesem Produkt auch schnell vor Ort arbeiten kann, ohne sich groß um die Ausleuchtung zu kümmern. Und vielleicht erbarmt sich Reflecmedia in naher Zukunft noch kleinere Tücher für ambitionierte Hobbyanwender in den Vertrieb zu bringen.
Wer es günstiger will, könnte natürlich auch über einen Nachbau sinnieren. Schließlich ist die kreisförmige Anordnung von ein paar blauen oder grünen Leuchtdioden und einem regelbaren Trafo für einen Anwender mit etwas Elektronikkentnissen sicherlich kein Problem. Und offensichtlich gibt es ähnliche Stoffe auch in der Leinwandtechnik (Stichwort: Retroreflexive Stoffe), die zumindest auf dem Papier vom Prinzip sehr ähnlich klingen. Vielleicht hat ja der eine oder andere Leser Lust, in dieser Richtung mal zu forschen und uns die Ergebnisse mitzuteilen...
In Deutschland erhält man Chromatte übrigens über den Distibutor yello, der Anfragen an die entsprechenden Endkundenhändler der Region weiterleitet (http://www.yello-digital.com , Tel.: 0611-97 00 44 0). Ausführliche Produktinfos gibt es direkt beim Hersteller unter http://www.reflecmedia.com .