Aktuelles Videoschnitt unter Linux – NLE Übersicht 2008

Videoschnitt unter Linux – NLE Übersicht 2008

Im Bereich der Video-Bearbeitung scheint Linux einfach nicht in Gänge zu kommen. Professionelle, kommerzielle Applikationen wie Conform, Smoke oder Nuke gibt es zwar durchaus. Für freie Applikationen muss man jedoch etwas graben. Allerdings findet sich dann auch tatsächlich die eine oder andere Alternative...

// 15:16 Fr, 10. Okt 2008von

Spätestens durch den neuen Trend der NetBooks ist Linux als Desktop-Betriebssystem wieder in aller Munde: Denn gegenüber Windows (und Mac OSX) hat das alternative Betriebssystem viele Vorteile: Es ist grundsätzlich frei und kostenlos erhältlich, es kann höllisch stabil sein und es macht in vielen Bereichen mittlerweile einen Windows-Rechner völlig obsolet. Nur im Bereich der Video-Bearbeitung scheint es nach wie vor etwas düster auszusehen. Professionelle (und entsprechend teure) Applikationen wie Conform, Smoke oder Nuke gibt es durchaus. Kostenlose Alternativen sind dagegen auf den ersten Blick nur schwer auszumachen. Doch man muss jedoch nur etwas graben, dann findet man auch den einen oder anderen Edelstein...







Klotzen statt kleckern

Linux wird meistens in so genannten Distributionen ausgeliefert. Unter einer Distribution (Distro) versteht man ein ganzes Paket an Software, in dem nicht nur das Betriebssystem selbst steckt, sondern noch zahlreiche andere Applikationen wie Office-Pakete, Web-Browser, Server-Tools, Grafikprogramme etc. Während man diese Applikationen bei Windows meist gesondert hinzukaufen muss, werden sie bei einer Linux-Distribution mitgeliefert. Die meisten Zusammenstellungen sind dabei ebenfalls kostenlos im Internet erhältlich, doch bei weitem nicht jede Distribution ist dabei gleichermaßen für den Videoschnitt geeignet. Es gibt jedoch einige Distros, die sich auf Media-Bearbeitung spezialisiert haben. Die aktivsten sind:



Ubuntu Studio: Diese Distribution basiert auf dem populären Ubuntu-Linux, das bei vielen Anwender einen guten Ruf genießt. Leider findet sich gerade Cinelerra (siehe unten) nicht im Lieferumfang.



Dynebolic: Diese Zusammenstellung bringt dagegen den komplettesten Satz bewährter Linux-Video-Tools von Haus aus mit. Da es auch auch um eine so genannte LiveCD handelt, lässt sich Dynebolic sogar ohne Installation direkt von CD ausprobieren. Allerdings kostet dieses Konzept gegenüber einer echten Installation deutlich Performance. Dennoch unser Tipp für Einsteiger, die gut Englisch können.



ArtistX: Scheinbar eine sehr komplette Distro (früher MediaLinux genannt), die auf Debian beruht, und scheinbar gerade den komplettesten Funktionsumfang für Videoschnitt bietet. Wir haben jedoch noch keinerlei Erfahrungen damit sammeln können.



64Studio: Bei dieser Distribution liegt der Schwerpunkt eher auf der musikalischen Ebene. Ein paar Videotools finden sich dennoch im Lieferumfang.



Ansonsten steht es natürlich jedem Anwender frei, die entsprechenden Programme einfach aus dem Internet zu besorgen und nachzuinstallieren. Allerdings kann dies Linux-Anfänger etwas überfordern, vor allem wenn keine passenden Installationspakete für das eigene Linux vorliegen, die sich mit einem Klick installieren lassen.





Installation und Bedienung

Für die Installation eines Linux-Systems selbst benötigt man dagegen mittlerweile kaum mehr Know-How als für eine Windows-Version: Die eingebaute Hardware meistens selbständig erkannt und konfiguriert. Genauso wie bei einer Windows-Installation sind spezielle Treiber nur nötig, wenn man topaktuelle Hardware besitzt, die das Betriebssystem von sich aus nicht richtig erkennt. Bei Linux gibt es zahlreiche Bedienoberflächen, die teilweise sogar ähnlich wie Windows oder Mac zu bedienen sind. Die bekanntesten Desktop-Oberflächen sind dabei KDE und Gnome. Von der Bedienungsqualität ist Linux kaum schlechter als Windows oder Mac, eben nur etwas anders. Neueinsteiger sind jedoch regelmäßig überrascht, wie wenig Umlernaufwand bei einem Umstieg wirklich nötig ist.







Videosoftware

Während vor kurzem noch keine Videoschnittsoftware unter Linux einigermaßen brauchbar war, stehen mittlerweile mehrere kostenlose Applikationen zur Verfügung, die durchaus schon für eigene Projekte eingesetzt werden können. Auf die bekanntesten wollen wir im folgenden näher eingehen.






Cinelerra

Mächtig, aber nicht leicht zu installieren- Cinelerra 4
Mächtig, aber nicht leicht zu installieren- Cinelerra 4


Dieses Schnitt- und Compositing-Programm ist mit Sicherheit das komplexeste in der Linux Open Source-Szene: Es glänzt mit einem beachtlichen Funktionsumfang und einigen Besonderheiten wie vollem Multi-Prozessor-Support mit Netzwerkrendering und extrem professioneller Audio-Bearbeitung (Bis zu 8:1 Channel, 24 bit, 196 khz Audio Output). Dazu gibt es zahlreiche brauchbare Filter und echte Compositing-Funktionen wie Vektormasken. Neben den üblichen 8-Bit Farbräumen YUV und RGB, sind auch 10- oder 16-Bit Farbräume möglich. Leider hat das Programm auch ein paar dicke Pferdefüße: Der Programmierer scheint nicht gerade umgänglich zu sein und lässt fremde Updates im Programm nur widerwillig zu. Auch die breite Kompatibilität mit vielen Systemen scheint ihn eher kalt zu lassen. So läuft das Programm am stabilsten unter debianlinux, andere Distros/Kernel werden nicht richtig unterstützt. Dies macht einerseits die Installation sehr schwer und andererseits gilt das Programm daher auch als unstabil. Wir haben jedoch schon sehr stabilen Schnitt mit Cinelerra erlebt. Da auch die Bedienung etwas ungewöhnlich ausgefallen ist (am ehesten noch mit Avid vergleichbar), findet das Programm nicht wirklich viele Freunde. Doch Rettung ist in Sicht: So hat sich ein neues Programmiertem der Sache angenommen, die das Programm unter dem Namen Lumiera bedienfreundlicher und kompatibler machen wollen. Doch das kann leider noch etwas dauern.





Kino

Einfach, stabil, aber nur für DV-Schnitt geeigenet -Kino 1.3
Einfach, stabil, aber nur für DV-Schnitt geeigenet -Kino 1.3


Auf den ersten Blick wirkt Kino gegenüber den übrigen Programmen etwas unterentwickelt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Kaum ein anderes Linux-Programm im Videobereich erreicht bereits eine derartige Stabilität. Gerade die DV-Capturing und Ausspielmöglichkeiten über Firewire suchen ansonsten ihresgleichen. So kann man sich beim Capturen beispielsweise das DV-Format frei aussuchen (DV-Avi Type1-, Type2-, Quicktime oder RawDV-AVI). Auch einfache Schnitte oder Übergänge sind mit Kino jederzeit möglich. Besonders der Tastatur- und Jog-Shuttle-Schnitt werden ausgiebig unterstützt. Kino besitzt allerdings nicht mehrere Video- oder Audio-Tracks und wird auch in absehbarer Zeit keine HD-Formate unterstützen. Mittlerweile kommt die Engine (MLT) von Kino bei einem großen indischen Fernsehsender als Playout-Server zum Einsatz. Ein Zeichen für die enorme Stabilität von Kino.





Kdenlive

HDV-Videoschnitt mit Mehrspurtimeline - Kdenlive 0.7
HDV-Videoschnitt mit Mehrspurtimeline - Kdenlive 0.7


Wer dagegen auch HD-Videos bearbeiten will und dabei eine Oberfläche wünscht, die an typische Windows Programme erinnert, sollte unbedingt einen Blick auf Kdenlive werfen. Dieses Programm setzt ebenfalls auf die Kino-Engine MLT auf. Zu Redaktionsschluss stand gerade die Veröffentlichung einer neuen Version auf dem Plan, die auch direktes Capturing von Webcams oder vom Bildschirm ermöglicht, Jog Shuttles unterstützt und überhaupt deutlich beschleunigt wurde. Neben einer Art Hintergrund-Rendering können Effekte auch live (also während des Abspielens verändert werden). Auch HDV wird bereits direkt unterstützt.








Open Movie Editor

Ohne eigene HD-Codecs, dafür satter Funktionsumfang inklusive Node-Compositing - Open Movie Editor
Ohne eigene HD-Codecs, dafür satter Funktionsumfang inklusive Node-Compositing - Open Movie Editor


Während Kdenlive von der Oberfläche stark an Windows Einsteiger-Programmen ausgerichtet ist, bringt der Open Movie Editor eine Reihe echter Profi-Features mit, die erst einmal beherrscht werden wollen. Neben einer Unzahl an (teilweise recht professionellen) Filtern gibt es sogar einen Node-basierten Filterbaukasten, der an professionelle Compositing-Systeme angelehnt ist. Da der Open Movie Editor jedoch keine HD-Codecs mitbringt muss das Capturing und die Transcodierung noch in anderen Programmen vorgenommen werden. Dennoch: Am Funktionsumfang gemessen sicherlich das interessanteste Linux-Schnitt-Programm nach Cinelerra/Lumiera.





LiVES

Editing und VJ-Tool in einem -  LiVES
Editing und VJ-Tool in einem - LiVES


Wer nicht auf ausgetretenen Pfaden wandeln will, könnte sich für LiVES begeistern. Denn dieses Programm vermischt den klassischen Videoschnitt mit VJ-Live-Perfomance-Tools. Das Programm kann also sowohl fürs Editing als auch für Video-Live-Performances eingesetzt werden, was die Bedienung etwas eigenwillig erscheinen lässt. Gerade im Bereich Experimentalfilm findet man hier eine Spielwiese, die in der Windows-Welt ihresgleichen sucht.





Jahshaka

Tolles Konzept, aber immer noch unausgereift - Jahshaka
Tolles Konzept, aber immer noch unausgereift - Jahshaka


Jahshaka war einst der Hoffnungsträger unter allen Linux-Video-Tools. Das Killerfeature waren OpenGL-Echtzeitefekte wie bei Apples Motion. Dabei nutzt das Programm die Rechenleistung der Grafikkarte und erzielt dadurch Beschleunigungen zwischen 30 und 400 Prozent. Das funktioniert zwar in Demonstrationen der diversen Beta-Versionen vorzüglich, zum echten Arbeiten ist das Programm jedoch immer noch zu unvollständig. Stattdessen gibt es Dauerquerelen unter den Programmierern, was die Glaubwürdigkeit des Projektes stark beeinflusst. So behauptete der Gründer des Projekts kürzlich von der Code-Entwicklung ausgesperrt worden zu sein, weil der Hauptsponsor nun die neue Version 3.0 ohne offene Entwicklung vorantreiben wolle. Warum und wie das mit einem Open-Source-Projekt überhaupt funktionieren konnte, blieb jedoch etwas im Dunkeln. Seit kurzem scheint wieder etwas Bewegung in die Entwicklung gekommen zu sein, jedoch bleiben wir eher skeptisch.








Ausblick

Scheinbar sind nach wie vor die „großen“ Softwarehersteller nicht daran interessiert ihre Schnittlösungen unter Linux zur Verfügung zu stellen. Doch Linux wäre niemals Linux geworden, wenn man immer bereitwillig auf die Unterstützung der etablierten Softwarehäuser gewartet hätte. Im Gegenteil: Seitdem die Videobearbeitung am PC ihren unaufhaltsamen Siegeszug angetreten hat, finden sich immer mehr kostenlose Linux-Programme, die Adobe, Canopus, Corel, Sony oder Ulead vielleicht schon etwas nervös machen sollten. Denn grundsätzlich funktioniert der Videoschnitt unter Linux bereits ziemlich gut.


Ähnliche Artikel //
Umfrage
    Welche Streaming-Dienste nutzt Du?













    Ergebnis ansehen

slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash