Auch zur IBC stellt Adobe mittlerweile gerne neue Versionen seiner Creative Cloud Video- und Audioapplikationen vor (Premiere Pro, After Effects, Audition und Character Animator). Und so gibt es auch dieses Jahr wieder einige Neuerungen zu verkünden. Bemerkenswert sind bei diesem Release zwei Trends:
Wie von uns schon länger prognostiziert finden vermehrt Algorithmen der künstlichen Intelligenz Einzug in die Creative Cloud. Bei Adobe laufen diese Funktionen unter dem Marketingbegriff "Sensei" und sind unter anderem für den Characterizer im neuen Character Animator zuständig. Auch die neuen Audio Cleaning Tools zum Entfernen von Raumhall basieren auf Sensei.
Zum zweiten wachsen die Applikationen ein weiteres mal stärker zusammen. So gibt es die besagten Audio Cleaning Tools sowohl unter Premiere wie auch Audition. In After Effects und Premiere finden sich gleichzeitig die neuen selektiven Farbkorrektur-Möglichkeiten oder auch die Data Driven Motion Graphics Templates. Doch was hat sich im Detail getan?
Premiere Pro CC
Premiere Pro CC hat wie schon erwähnt von After Effects die Data Driven Infographics geerbt. Hierbei können Daten für eine Animation direkt aus JSON-formatierten Datensätzen oder auch Excel-Tabellen per Drag-and Drop übernommen werden. Die Werte aus den Tabellenfeldern können anschließend praktisch jeden animierbaren Parameter dynamisch verändern. Und Änderungen in den Tabellen werden sofort in Premiere oder After Effects übernommen.
Infografiken lassen hiermit ebenso leicht aktuell halten wie der Wetterbericht im Hotelfernsehen. Auch bewegte Chart-Grafiken können hiermit deutlich vereinfacht erstellt werden. Durch die integration in Premiere über Templates dürften sich hier interessante, neue Vermarktungsmöglichkeiten für Motion-Designer ergeben.
Sowohl Premiere Pro als auch After Effects haben weitere Grading-Tools hinzubekommen. Das Selective Color Grading kennt man bereits unter anderem von Resolve: Hierbei wählt man einen Veränderungsbereich innerhalb eines HSL-Farbraumvektors (Sättigung, Helligkeit oder Farbwinkel) und bestimmt, welcher Parameter (ebenfalls Sättigung, Helligkeit oder Farbwinkel) in diesem Bereich verstärkt, abgesenkt oder verändert werden soll. Es wurden dabei alle Kombinationen integriert, die man aktuell auch in Resolve vorfindet: Hue vs. Sat(uration), Hue vs. Hue, Hue vs. Luma, Luma vs. Sat sowie Sat vs. Sat.

Mit der durchgehenden Unterstützung für VR 180 (optimierter Ingest, direktes, natives Editing und Effekte, die an monoskopische und stereoskopische Inhalte angepasst wurden) setzt Adobe weiterhin auf die Zukunft von VR-Video. Für Anmerkungen und zum wiederfinden kritischer Bereiche können "Spatiale Marker" im VR-Raum gesetzt werden. Fertige Videos können unter anderem im Google VR180-Format für YouTube oder andere Plattformen exportiert werden. Wie bei der bereits integrierten Unterstützung von 360 Grad Inhalten können VR 180-Projekte dabei komplett flach, als Zwei Augen Ansicht oder mit VR Headsets im Adobe Immersive Environment als Vorschau betrachtet werden.

Weiters wurde die Hardwareunterstützung für H.264 und HEVC-Codecs verbessert und die Engine um neue Formate erweitert: So können nun auch ARRI Alexa LF (Large Format), Sony Venice v2 sowie HEIF (HEIC)-Formate (vom iPhone 8 und iPhone X) gelesen werden.
After Effects CC
Groß herausgestellt wurden die erweiterten Authoring-Möglichkeiten für Motion Graphic Templates. Adobe sieht großes Potential, dass Motion Designer mit diesen Tools After Effects Templates für Editoren auf ihre wesentlichen Bedienelemente reduzieren können, um diese für Jedermann bedienbar zu machen. So kann nun auch die Fontkontrolle oder das Zeitverhalten von Keyframes bei Längenänderungen des Templates präziser definiert werden.

Ebenfalls große Erweiterungen gab es bei der Puppet Engine, mit der sich statische (Vektor-)Grafiken animieren lassen. Erweiterte Pins definieren die eigene Position, Skalierung und Drehung wodurch sich die Verformung des Netzes um die jeweilige Nadel besser steuern lässt. Mittels "Biegestiften" lassen sich dann auch mit wenigen Klicks organische Bewegungen wie eine atmende Brust oder ein wedelnder Schwanz erzeugen.

Der Mocha Tracker wurde tiefer in After Effects integriert und arbeitet nun als natives Plugin GPU-beschleunigt. Dieses Plugin eignet sich gut in Kombination mit den neuen Tiefenmaskierungs-Tools, die 3D-Tiefeninformation von 3D-Elementen verwerten können. Ein solcher Z-Kanal kann genutzt werden, um beispielsweise Nebel oder schwindende Transparenz in der Tiefe automatisch zu erzeugen.
Nicht zuletzt wurden wieder ein paar Effekte für die GPU optimiert: Diesmal sind dies Fill, Curves, Exposure, Noise and Color Balance (HLS).
Adobe Audition CC
Bei Audition hat Adobe große Änderungen an der Engine vorgenommen. Diese soll nun auf einer herkömmlichen "Workstation" (was Adobe nicht genauer spezifiziert) locker 128 Spuren gleichzeitig abspielen können. Und wer sich an ein Multirtrack-Recording mit Audition wagt, soll bis zu 32 Spuren ohne spezielle DSP-Zusatzhardware aufzeichnen können. Wir denken, solche Anforderungen dürften die wenigsten Anwender ausreizen können, aber eine entsprechende Leistungsfähigkeit spiegelt sich ja gleichzeitig in sehr angenehmen Reaktionszeiten der Oberfläche wieder. Denn mit einem System "am Limit" ist das Arbeiten meistens unentspannt.

Mit Spannung erwarten wir dagegen erste Eindrücke eines neuen Noise-Filters, der auch Hall aus einer Aufnahme entfernen können soll. Der DeReverb-Algorithmus dürfte dabei mit 99 Prozentiger Sicherheit auf neuronalen Netzen beruhen, da man in den letzten Jahren hier mehrere interessante Forschungsergebnisse zu diesem Thema bestaunen durfte. Die Jahre davor galt es noch als faktisch unmöglich, den Raumhall aus einer Aufnahme zu entfernen. Wir sind daher sehr gespannt, wie gut die Ergebnisse des DeReverb-Filters letztlich klingen werden.
Adobe Character Animator CC
Zentrale neue Funktion des Charakter-Animators ist der Characterizer, der bereits auf einer Adobe MAX Sneak Peek vorgestellt wurde. Hierbei handelt es sich eigentlich auch um nichts anderes, als um die üblichen Style Transfer Modelle, die man in KI-Kreisen schon seit zwei Jahren gut kennt und untersucht. Hierbei kann der Stil eines Bildes auf andere Bilder übertragen werden.

Der Characterizer nutzt diese Funktion nun, um beispielsweise eine Bildersammlung von einem Anwender in einen Cartoon-ähnlichen Charakter zu überführen. Dies funktioniert nun kinderleicht, nachdem man den Kamera-Anweisungen folgt und ein paar Kopf-, Gesichts- und Mundbewegungen scannen lässt. Anschließend lässt sich der neu geschaffene Charakter speichern und direkt in Character Animator nutzen.
Mit neuen Tools lassen sich zudem gelungene Takes wiederverwerten und mittels Magneten können Objekte physikalisch mit anderen definierten Punkten zusammenwirken.
Erscheinungstermine
Die neuen Creative Cloud Updates werden noch nicht zur IBC fertig sein, sondern sollen "später in 2018" erscheinen. In einer Präsentation für die Presse trugen einige Beta-Versionen schon den Titel-Zusatz "CC 2019", was eher auf einen Launch-Termin zum Jahresende hindeutet (aber vielleicht auch gar nichts zu bedeuten hat). Wie immer können CC-Abonnenten die neuesten Versionen sofort mit Erscheinen herunterladen.