Das gebeugte Licht
// Video hat ja schon einen sehr eigenen Look, verglichen mit Film – die große Schärfentiefe und der geringe Kontrastumfang machen es einem wie gesagt nicht gerade leicht, ein schönes, interessantes Bild hinzubekommen. Bei dem engen Spielraum denkt sicher so mancher, das lohnt sich gar nicht, überhaupt anzufangen mit Licht, solange ich was erkennen kann, reicht mir das...
Also ich denke, wenn man nicht rein dokumentarisch dreht, macht es für die Bildqualität immer Sinn, Licht zu setzen, weil du dadurch eine gewisse Kontrolle hast, und bestimmte Dinge heller oder dunker machen kannst. Das Bild ist dann nicht der vorhandenen Situation ausgeliefert, sondern du kannst darauf Einfluss nehmen.
Oder andersrum, wenn du weißt, du hast diese Möglichkeiten nicht, weil vielleicht die Mittel nicht zur Verfügung stehen für Lichttechnik und Beleuchter, dann mußt du dein Motiv danach aussuchen. Da ist man dann eben sehr abhängig von dem gegebenen Licht, und um so wichtiger ist es, jedes Motiv vorher zu besichtigen. Du mußt wissen, was dich dort erwartet, ob das vorhandene Licht ausreicht. Bei Film würde man einen Lichtmesser mitnehmen, bei Video nimmt man einfach die Kamera mit und macht ein paar Probeaufzeichnungen, um zu sehen, was die Kamera sieht. Und darauf kann man reagieren, etwas zum Aufhellen mitnehmen, einen Reflektor zum Beispiel.
Man sollte überhaupt immer etwas dabei haben um Licht zu formen, Basics, die immer Sinn machen -- ein Rahmen, der Licht weniger macht, oder weicher, oder ein Reflektor, der Licht umlenkt. Es geht ja bei Licht auch ganz oft darum, daß man das vorhandene Licht nutzt, und es z.B. über einen Reflektor umleitet, damit ein Gesicht auf der einen Seite eine Aufhellung bekommt. Wir nennen das dann "das gebeugte Licht".
// Gibt es eigentlich einen Trick, wenn man mit Reflektoren arbeitet, oder auch mit Lampen, daß man die Schauspieler nicht zu sehr blendet dabei?
Das ist tatsächlich manchmal ein Problem. Es ist aber auch unterschiedlich, wie Menschen darauf reagieren. Beim Theater ist es ja auch so, daß die Schauspieler auf der Bühne voll im Licht stehen, was man unter normalen Bedingungen als sehr störend empfinden würde. Aber das ist leider so, daß sie das aushalten müssen, das gehört zum Job. Es kommt aber schon gelegentlich zu Konflikten. Ein Kameramann läßt das Licht aufbauen, und der Schauspielerin ist das zu hell -- da muß man dann einen Kompromiß finden, und das entspricht dann oft nicht mehr genau dem, was der Kameramann sich vom Bild und Lichtkonzept her vorgestellt hatte. Aber man muß ja auch sagen, daß es kein Sinn macht, auf eine Lichtsituation zu bestehen, wenn die Schauspieler darin nicht gut spielen können, weil sie die Augen zusammenkneifen.
// Das hängt ja auch sehr davon ab, genau aus welcher Richtung das Licht kommt, wie sehr es blendet.
Ja, wobei man bei Film, anders vielleicht als bei der Fotografie, eher vermeiden möchte, daß das Licht aus der Kameraachse kommt, denn das sieht sehr flach und langweilig aus. Man ist eher bestrebt, das Licht kantig, so im 90-grad-Winkel, oder spitz, von schräg oben oder hinten kommen zu lassen, das ist meist stimmungsvoller.
// Man läßt das Hauptlicht von hinten auf die Schaupieler kommen?
Ja, das kann oft so sein, das man leicht gegenlichtig arbeitet, mit Konturen. Man braucht dabei natürlich eine Aufhellung von vorne, aber die ist dann nicht so stark wie das Gegenlicht.
// Da muß man bei Video aber höllisch aufpassen...
Stimmt, da wäre der Beleuchtungskontrast zu stark.
Um zum Hauptlicht zurückzukommen: da geht es in der Regel mehr um das Motiv, und nicht um die Person. Die Personen kriegen dann immer noch einzeln Licht -- gebeugtes Licht vom Hauptlicht über einen Reflektor, oder mit einer zusätzlichen Lampe.
// Sind die Personen nicht meist das wichtigste in einem Motiv, sodaß sich das Hauptlicht nach ihnen richten sollte?
Das kann man so nicht sagen, es ist ja auch davon abhängig: was passiert denn in der Szene? Wenn eine Person durch einen Flur läuft, dann kann es ja sein, daß sie teilweise sehr wenig Licht bekommt, das würde auf einem Einzelfoto komisch aussehen, aber in dem Verlauf einer Szene kann das sehr wohl funktionieren.
// Hauptsache der Anfang und/oder das Ende stimmt?
Genau, wenn die Person dann im Endbild vor der Kamera zum Stehen kommt, um etwas zu sagen, macht es natürlich wenig Sinn, wenn sie im Dunklen steht, da braucht sie Licht. Aber trotzdem kann sie ja im Flur durch absolut schwarze Teile gehen. Das muß man in der Gesamtheit sehen.
// Das würde wahrscheinlich sogar seltsam aussehen, wenn die Lichtsituation überall gleich perfekt wäre, weil es dem natürlichen Sehen widerspricht.
Ja, das ist auch mein Problem mit einigen Hollywood-Filmen -- die sind einfach so perfekt geleuchtet, daß es langweilig aussieht. Da paßt einfach immer alles.
// Oder wenn es nicht paßt, dann ist es immer gleich hoch dramatisch...
... sodaß es ganz betont nicht paßt...
Ich meine, was nützt es einem denn, wenn ein Film perfekt geleuchtet aber total langweilig ist? Licht für sich genommen ist überhaupt kein Kriterium für die Qualität eines Films.
// Nenn doch mal einen Film, denn Du lichttechnisch besonders interessant findest?
Seven -- um ein eher neues Beispiel zu nennen[1995 / R: David Fincher -- IMDB-Info]. Den fand ich sehr gut geleuchtet, aber auch extrem aufwändig gemacht. Das war immer sehr, sehr weiches und zugleich aber kontrastreiches Licht.

// Weich und kontrastreich -- schließt sich das nicht aus?
Nein. Es sind insgesamt einfach sehr dunkle Bilder, was dem Film mit seiner düsteren Geschichte ja sehr zuträglich ist, die aber ganz weich geleuchtet sind. Der Kontrast liegt zwischen Vorder- und Hintergrund. Das ist aufwändig zu bauen, weil man sehr große reflektierende Flächen braucht, die man aber wiederum ganz stark begrenzen muß mit riesigen Abdeckfahnen, um das Licht zu kontrollieren. Das ist aufwändig aber das Ergebnis ist auch sehr eindrucksvoll.
// Vermutlich siehst Du als Beleuchter sowieso nicht nur Filme ganz anders, sondern hast auch einen anderen Blick auf die Umwelt, auf alles um uns herum.
Man muß als Beleuchter schon eine gewisse Sensibilität gegenüber Licht entwickeln. Wenn man sich durch die Welt bewegt, gibt es ja immer wieder bestimmte Effekte, die mit Licht zu tun haben, die Natur-gegeben sind, oder meinetwegen Stadt-gegeben. Die kann man sich dann merken und überlegen, wie man diesen Effekt nachbauen kann. Für einen Wasserreflex etwa, dafür braucht man eine Lampe, die man auf Wasser richtet, aber das reicht nicht, weil wenn ich eine Glasschale mit Wasser nehme, dann passiert nicht viel, man muß eine schwarze Schale nehmen, damit das Licht nur von der Wasseroberfläche reflektiert wird. Und noch besser ist es, wenn man nicht nur eine Wasseroberfläche nimmt, sondern wenn man in die flache, schwarze Schale mit dem Wasser noch Spiegelscherben reinlegt, weil die reflektieren das Licht noch mal besonders zurück.
Das, was das Auge sieht, ist wie gesagt für den Film noch nicht visuell stark genug, man muß das eben noch verstärken...