Death and depth -- The Mortician
Laut Regisseur Gareth Maxwell Robert stellt "The Mortician" seines Wissens das erste in 3D gedrehte Indie-Drama dar. Wie auch Wenders Pina behandelt der Film die Themen Tod, Trauer und Erinnerung, allerdings auf ganz andere und zT. recht explizite Art und Weise. Der Totengräber (übrigens gespielt vom Rapper The Method Man, was der Ticketnachfrage sicherlich nicht abträglich war), der nach seiner täglichen Arbeit mit den doch recht zahlreich eingelieferten Toten des Ghettos sein Gehalt mit dem Präparieren von abgelebten (Haus-)tieren aufbessert, hat -- wie man im Laufe des Films durch Rückblenden erfährt -- seine Mutter als Kind verloren, und wird hier durch die Verkettung einiger Zufälle mit seiner Vergangenheit konfrontiert.

Düster wie ein Großteil der Geschichte sind auch die Bilder, vieles spielt nachts; insofern stört der 3D-bedingte Lichtabfall eigentlich nicht, der ja sonst bei heiteren Streifen etwas unpassend wirkt. Erfreulich ist bei diesem Film ferner, daß sich nicht das Gefühl aufdrängt, er und seine Story seien nur ein Vehikel, um räumliche Bilder zeigen zu können. Das war auch ganz klar die Absicht des Regisseurs, der seinen Film als einen 3D-Film der nächsten Generation sieht, wo die dritte Dimension nicht als Gimmick eingesetzt wird, sondern als subtiles, dramaturgisches Mittel. Roberts und sein Team sehen die Stärke von 3D vor allem darin, die Zuschauer emotional in den Film hereinzuziehen. Da allerdings sind wir uns nicht so sicher, ob dies gelungen ist. Zunächst muß man sagen, daß manche der gezeigten Bilder derart abstoßend sind, daß sich sensible Naturen wohl eher zurückziehen möchten, als einzutauchen. Außerdem kommt erschwerend hinzu, daß wir diesen Film leider aus der 4. Reihe anschauen mußten, also definitiv zu weit vorne saßen, um ein komfortables 3D-Erlebnis zu haben, und vielleicht auch um die Wirkung differenziert beurteilen zu können. Von den elaborierten Tiefenvariationen, von denen der Regisseur in einem Email-Interview spricht, kommt zumindest in suboptimalen Betrachtungssituationen wenig an:
"With my director of photography, Mike McDonough, and sterographer Keith Collea, we worked out a depth script, where we mapped out the depth and position of the 3D effect in relation to the ´window´ (screen) either in negative or positive paralax scene by scene, in accordance to the emotional world of the scene - whether we were in The Mortician´s inner world, or the social world, and then used this as a blueprint."
Als besonders immersiv erachet der Regisseur die dreidimensionele Darstellungen mit positiver Parallaxe, also solche, die scheinbar hinter der Leinwand liegen (wie auch bei Pina, siehe oben). Das Drehen mit positiver Parallaxe hat auch den klaren Vorteil, daß einige der Einschränkungen beim 3D-Dreh wegfallen. Auf die Frage, ob er das Gefühl hatte, in seiner Kreativität eingeschränkt zu sein, antwortete uns Robert:
"No is the simple answer. Most of the 3D rules are frankly bullshit, and are only really relevant when working in negative paralax, i.e. pushing objects out form the screen. We found that working in positive paralax is far more elegant and emersive, and none of the ´rules´ were relevant. Most of the ´rules´ have been developed by theorists and not practicioners."
Die Regeln, die hier angesprochen werden, umfassen zB. das Diktum, daß die 2-dimensionalen Tiefenhinweise nicht mit den stereoskopischen kollidieren dürfen. Um ein klassisches Beispiel zu nennen: Objekte, die aus dem Filmfenster scheinbar herausragen, können "eigentlich" nicht von den Bildgrenzen angeschnitten werden, was viel Sorgfalt beim bestimmen der Bildausschnitte erfordert. Liegen nun praktisch alle Inhalte hinter der Leinwand, ist dies natürlich kein Thema mehr.
Während diese Aussagen im Vorfeld recht erfrischend und entspannt klangen, stellt sich uns jetzt wie gesagt doch die Frage, ob die Herangehensweise vielleicht etwas zu lax war, die ein oder andere Regel möglichweise zu einem angenehmeren 3D beigetragen hätte. Ob der Film dem prüfenden Auge von Wenders Stereograph Stand hält, wagen wir zu bezweifeln (allein schon wegen der recht häufig eingesetzten Unschärfen...). Aber wie gesagt, 4. Reihe... Wie auch immer, wir hatten eh den Eindruck, dieser Film hätte genauso in 2D gezeigt werden können, ohne daß tragende Elemente verloren gegangen wären. Eine Inszenierung im Raum, die nur in der dritten Dimension ihre Wirkung entfalten konnte, ließ sich nicht entdecken. Übrigens entbehrt auch die Story einer gewissen Tiefe. Trotzdem geben wir dem Filmemacher noch einmal das Wort:
"Some bad films will be made in 3D, and masterpieces will be made in 3D. As film makers and audiences we need to look beyond spears flying out of the screen and pirahnas snapping at the audience, and embrace the diversity of its potential. Ask yourself this, what film maker ever sets out to make their film flat? Every film maker wants depth and perspective. Every film maker wants their film to be multi dimensional."
Das Berlinale-Publikum schien das übrigens trotz aller Unkenrufe, die seit einiger Zeit in Punkto 3D zu hören waren, ähnlich zu sehen: die Karten zu den 3D-Filmen waren hart umkämpft, und auch wenn dies zweifelsohne zu großen Teilen auf prominente Namen wie Wenders und Herzog zurückzuführen ist, so ist es dennoch auch ein Indiz für ein weiterhin bestehendes Interesse an stereoskopischen Darstellungen -- sofern auch inhaltlich etwas geboten wird, zumindest.
PS. Ein Kollege konnte Karten für die zwei weiteren 3D-Filme im Berlinale-Programm ergattern, und hat kurz seine Eindrücke zusammengefasst: Cave of forgotten Dreams (Werner Herzog) / Les Contes de la Nuit
*** zitiert nach Schivelbuschs höchst lesenswerten "Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert" mehr Info