Frage von Steppenwolf:Hallo miteinander,
mir wurde von einigen Leuten, die sich
mein Video aus Libyen angesehen haben, gesagt, ich soll unbedingt versuchen, das Material irgendwo zu vermarkten bzw. versuchen, es wo zu verkaufen.
Weiß jemand von euch, an wen ich mich in solchen Fragen wenden sollte? Bzw. wer Interesse an solchem Material haben könnte?
Ich danke für jeden Hinweis.
Antwort von Kameramensch:
Hallo,
die Aufnahmen sind gut. Darf ich fragen wie deine Ausrüstung aussieht? Und wie bist du an die Rebellen rangekommen? Und dann noch Krisengebiet mit dem nicht geringen Risiko in einen Hinterhalt zu geraten oder schlicht und ergreifend erschossen zu werden. Respekt.
Zum Thema Vermarktung:
Naja, ich bin ein bisschen im Onlinejournalismus tätig und ich sehe keinen Markt für diese Aufnahmen. Sie sind schon längst aus dem news cycle raus. Die Aufnahmen wären vermutlich nicht mal mehr am 27. August zu verkaufen gewesen und sie sind auch nicht so spektakulär, dass sie zeitlos sind.
Ich sage es gleich vorne weg. Ich betrachte das aus der Richtung des Journalismus, der immer auf News und Bilder ausgerichtet ist. Das ist nicht meine Arbeitsmethode, aber die Frage drehte sich um die Vermarktung und das ist die Erfahrung, die ich bei den meisten potentiellen Abnehmern gemacht habe.
Ich glaube aus folgenden Gründen lässt sich das im Journalismusbereich nicht vermarkten:
- Es geht um keine große Stadt, die da befreit wird und das Prestigeobjekt Tripolis wurde schon befreit. Und selbst wenn, wäre es viel zu lange her.
- Es ist ein verlassenes Haus. Kein Bumm Bumm und keine Verhaftung, nichts. (Was ja grundsätzlich gut, weil sicher ist. Und vielleicht will man gar nicht in die Situation geraten, dass die Rebellen einen vermeintlichen Loyalisten fangen und dann wer weiß was anstellen)
- Derartige Aufnahmen gibt es schon zu Hauf.
- Die Funde im Lagerraumsind auch nicht die überwältigend. Also Reifen und Kartons, wo der Betrachter nicht weiß, was darin ist. Könnte genauso gut Altpapier sein.
Das nächste Mal solltest du auf den einen Rebellen hören, der sagte, du sollst ihn auf Al Jazeera bringen. Hätte aber noch in der Woche passieren müssen, in der die Aufnahmen entstanden.
Wie gesagt, alles aus dem Blickwinkel des schnelllebigen Newsgeschäfts.
Allerdings ist es potentiell verwertbar für Reportagen. Das Video zeigt:
- Rebellen gehen gut mit Zivilisten um.
- Rebellen freuen sich
Das nächste Mal am gleichen Tag die einschlägigen Sender oder Nachrichtenagenturen anrufen, bzw. schon davor anbieten und sehen wie sie reagieren. Konkrete Kontakte kann ich aber auch nicht benennen.
Antwort von Kameramensch:
Ich habe nochmal drüber nachgedacht und mal nach ein paar Reportagen zum Thema gesucht (viele gibts ja nicht auf deutsch) und jemanden angerufen. Auch da ist das Thema eigentlich schon durch. Jetzt ist Aufbau in Libyen angesagt. Keiner will mehr Kämpfe sehen. Da müsste schon Gaddafi persönlich durch Bild spazieren.
Deshalb glaube ich, dass du deine Aufnahmen nicht mehr los wirst. Zumindest wenn das alles ist, was du hast.
Um solche Sachen etwas langlebiger zu gestalten, sollte man immer die Leute interviewen (hast du ja vielleicht gemacht), so dass man auch O-Töne hat. Aber auch so ist man schnell aus dem news cycle raus.
Falls du weiter im Bereich des Journalismus tätig sein willst, schaue dir auf jeden Fall zuerst viele Nachrichten an. Es geht dabei aber nicht um die Nachricht an sich, sondern versuche herauszufiltern, welche Nachrichten von welchen Bildern unterstützt werden bzw. welche Bilder welche Nachricht produzieren. Falls es ein größeres NAchrichtenthema ist, schaue wie sich die Berichterstattung und damit die Bilder über die Tage/Wochen ändern.
Deine Bilder oder Teile deiner Bilder wären, nach meiner Einschätzung, für folgende News interessant gewesen:
- Rebellen marschieren in "Name der Stadt, welche ich gerade vergessen habe" ein.
- Rebellen beschlagnahmen Geräte von Gaddafitruppen
- Rebellen suchen nach Gaddafitreuen
- Gaddafitruppen auf dem Rückzug. Rebellen dringen in verlassenes "Name der Stadt" ein.
- Rebellen evakuieren Anwohner aus der umkämpften Region.
- Freude bei Rebellen, weitere Stadt eingenommen.
Wie gesagt, dass hätte alles am 27. oder 28. August passieren müssen. Als Einzelner hat man da, rein zeittechnisch gesehen, wenig Chancen. Ich meine, wann warst du denn das nächste Mal bei einem Internetzugang, der so fett war, dass er dein HD-Material auf einen Server hätte hochladen können?
Aber vielleicht hat ja noch jemand anderes Ideen.
Viele Grüße.
Antwort von Steppenwolf:
Hallo,
erstmal vielen Dank für deine Antwort!
Mir ist völlig klar, dass ich das Material jetzt nicht mehr loswerde, das hätte ich vielleicht dazuschreiben sollen.
Meine Frage bezog sich eher darauf, wie ich das in Zukunft machen solle.
Dass ich große Agenturen diesbezüglich nicht anfragen muss, weiß ich aber eigentlich jetzt schon - da ist die Antwort immer die gleiche: "Wir haben dafür unsere eigenen Korrespondenten".
Nur: Ich habe im Fernsehen oder auf auf Webvideos bisher tatsächlich nie Rebellen irgendwas plündern gesehen.
Und ja, du hast Recht. Während ich in Libyen war, gab es nicht ein einziges Mal ausreichend gutes Internet, um IRGENDWAS hochzuladen. Es hat, wenn überhaupt Internet da war, gerade mal so gereicht, um Mails abzurufen.
Die Satellitenmodems für sowas haben halt nur die Vollzeit-Korrespondenten.
Antwort von Kameramensch:
Hallo,
erstmal vielen Dank für deine Antwort!
Mir ist völlig klar, dass ich das Material jetzt nicht mehr loswerde, das hätte ich vielleicht dazuschreiben sollen.
Ah ja, das war mir in der Tat nicht klar. Ich hoffe meine Antwort ist nicht falsch rübergekommen. Ich wollte auch nicht belehrend rüberkommen. Wenn ich meine Antwort jetzt aber nochmal lese, kann man das schon denken. Wie gesagt, das war aber nicht meine Intention.
Zur Vermarktung als kleiner Videojournalist:
Vorher überall anfragen und sagen, was du machen willst. Muss natürlich schon was besonderes sein, z.B. "Mit den Rebellen auf Gaddafis Spuren." oder "Ein Tag mit den Rebellen" oder was weiß ich. Wenn man vorher so etwas klar hat, hat man hinterher keine Probleme das loszuwerden. Ich habe übrigens eine 90%ige Absagequote, wie auch viele meiner Kolleg_innen. Keine Ahnung, ob das für andere "normal" ist aber ich mache das auch nicht hauptberuflich und bin sehr auf bestimmte Themen spezialisiert und da ist es nun mal die Frage, ob diese Themen gerade gefragt sind oder nicht.
Wenn man keine Kontakte hat, lohnt es sich immer solche Reportagen Zeitungen anzubieten, welche die dann auf ihrer Homepage verwursten können. Das bedeutet aber meistens viele O-Töne. Außerdem wird es verdammt schlecht bezahlt. Also ein Flug nach Lybien würde man so wohl eher nicht zusammenkriegen. ;)
Viel Erfolg.
Antwort von Kino:
Philipp, Du hast Post.