Viele Anwender lesen Fachmagazine oder auch unsere Seite, um sich über die Qualität eines Camcorders zu informieren. Nicht umsonst nehmen Camcorder-Tests einen nicht unwesentlichen Raum in den einschlägigen Postillen ein. Doch reine Messergebnisse scheinen nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Ansonsten gäbe es schließlich klare Gewinner und Verlierer, die jedem Heft – egal von welchem Verlag- die selben sein müssten. Warum Messen an sich nicht so einfach ist und warum es einen objektiven Camcordertest eigentlich nicht geben kann, versucht dieser Artikel zu analysieren.
Die Bildqualität
Das wohl wichtigste Kriterium für den Kauf eines Camcorders ist und bleibt sicherlich die Bildqualität. Diese lässt sich grob in vier Parameter unterteilen: Schärfe, Farben, Low-Light und Verzeichnung.
Auf den ersten Blick scheinen all diese Parameter messbar und damit auch objektiv beurteilbar. Doch die Realität sieht leider etwas komplexer aus...
Die Schärfe eines Camcorders wird auch heute noch klassischerweise mit einem sogenannten Sweep in einem Testchart getestet. Dabei handelt es sich um schwarze Linienpaare vor weißem Hintergrund, die immer dünner werden und immer enger beieinander stehen.
Ab einer gewissen Stelle im Sweep kann der Camcorder den Spalt zwischen zwei Linien nicht mehr scharf abbilden. Statt Schwarz/Weiß zeigt er ab dieser Stelle nur noch Grau. Hierbei handelt es sich in der Theorie um die Grenzauflösung von Optik und/oder CCD.

Doch leider hat dieses Verfahren mehrere Schwachstellen. So gibt es viele Parameter, die die Messung beeinflussen. Das A und O ist zuerst die 100prozentige Ausrichtung des Camcorders vor dem Testbild. So muss jeder Camcorder exakt den gleichen Bildausschnitt des Testbildes zu sehen bekommen. Wenn der Rand nur ein paar Millimeter über den eigentlichen Bildauschnitt ragt, wird dadurch eine exakte Messung der Linienpaare zu ungenau. Doch kann man eine Kamera überhaupt so genau einrichten?
Eine Idee wäre, die exakte Bildmitte zu finden, und dann darauf hinzuzoomen, bis das Testchart das Bild komplett ausfüllt. Kleinere Probleme machen dabei noch Sucher-Displays, die nicht den wahren Bildausschnitt zeigen. Denn das lässt sich durch eine rein digitale Abnahme am Firewire-Port umgehen.
Der richtige Bildausschnitt
Viel schlimmer ist jedoch, dass die Schärfe von der Brennweite abhängt. Um Kameras zu vergleichen ist es daher ratsamer, den Abstand der Kamera zum Testchart ohne Zoom einzustellen. Und da lauert schon das nächste Problem: Die Kameras haben meistens verschiedene Weitwinkel-Eigenschaften. Und das bedeutet, dass jede Kamera eine andere Entfernung vom Testchart haben muss. Am ehesten funktioniert das noch, wenn man die Kameras im bestmöglichen Weitwinkel per Hand vor dem Testchart ausrichtet, was jedoch immer eine gewisse Ungenauigkeit mit sich bringt. Schon das leichte Drehen einer Stativschraube verändert hier Welten. Aber dies beeinflusst die Schärfe noch am wenigsten.
Konstante Helligkeit?
Schon schwerer wiegt, dass die Kameras verschiedene Lichtempfindlichkeiten besitzen. Bleibt das Testchart konstant hell, müsste man also mit der Blende nachregeln um faire Verhältnisse zu schaffen. Doch genau das wäre wiederum unfair. Denn die Blende beeinflusst die Schärfe oft signifikant. (Wohlgemerkt, hier ist nicht von der Tiefenschärfe die Rede).
OK. Theoretisch könnte man nun die Helligkeit des Testcharts durch die (hoffentlich vorhandene) Hintergrundbeleuchtung des Lichtkastens anpassen, jedoch ist es dann fraglich, was man hier eigentlich misst. Schließlich sollten ja alle Kameras an dem selbem Motiv getestet werden, um vergleichbar zu blieben. Wenn sich das Motiv ändert, ist der Vergleich je eigentlich für die Katz. Nicht zuletzt wird die Schärfe nämlich auch durch das Hintergrundlicht des Lichtkastens mitbestimmt. Je nachdem wie sehr der weiße Hintergrund überstrahlt, bekommt man andere Ergebnisse.
Ein kurzes Zwischenfazit: Wenn zwei Camcorder nicht absolut gleiche Brennweiten-Bereiche besitzen, muss man andere Parameter anpassen, welche alle die Schärfe direkt beeinflussen.
Doch selbst wenn es uns gelingt alle Parameter in den Griff zu bekommen und wir zwei Testcharts über Firewire in den Rechner gezogen haben, kommen die nächsten Probleme: Legt man diese in einer Bildbearbeitung übereinander, so sieht man dass die Objektive unterschiedlich stark zu Randverzerrungen neigen. Tendenziell ist dabei die weitwinkligere Kamera im Nachteil (s.u.).
Dazu wird in einem solchen Vergleich oft sichtbar, dass manche Kameras einen starken Schärfe-Unterschied zwischen den Randbereichen und der Bildmitte aufweisen. Andere Modelle sind der Bildmitte nicht so scharf, fallen aber zum Rand auch nicht so drastisch ab. Welche Schärfemessung soll dann gelten? Die Mittenschärfe, oder die Kamera mit dem ausgewogeneren Gesamtbild, die in der Mitte aber nicht so scharf ist?
Und was ist mit den sogenannten Chromatischen Aberrationen, die sich oft in den Randbereichen zeigen. Ist es besser wenn ein Objektiv hier einfach unscharf wird, oder wenn der bessere Schärfeeindruck durch auslaufende Farben getrübt wird?

Künstliche Schärfe
Selbst wenn man hierfür noch eine Lösung finden würde, versaut einem spätestens dann noch die sogenannte Contour die Messergebnisse signifikant. Denn jeder fast Camcoder setzt heute eine Art künstliche Schärfung ein, bevor das Bild aufgezeichnet oder ausgegeben wird. Und natürlich beeinflusst eine solche Contour auch direkt die Schärfemessung. Je mehr Contour, desto besser das Messergebnis auf dem Papier.
Dies führt dann zu Ergebnissen, dass eine Sony-HC1 zwar in der Messung deutlich schärfer ist, als eine FX1, jedoch im direkten Bildvergleich subjektiv eher schlechter aussieht. Zwar lässt sich die Contour meistens manuell einstellen, jedoch sollte man sie nicht komplett abstellen: Ein Schuss wohl dosierte Contour macht jedes Bild knackiger, jedoch ist es reine Geschmackssache, wie viel der Hersteller hier als Standard-Einstellung wählt.
Signalverstärkung
Auch die grundsätzliche Helligkeit ist ein Problem: Dies soll durch die Frage illustriert werden, wie sich eine gute Kamera eigentlich bei wenig Licht verhalten soll. Was ist besser? Ein eher scharfes Bild mit schwachen Farben oder ein verrauschtes Bild mit guten Farben. Und wie soll die Kamera eingestellt sein, wenn die Schärfe bei verschiedenen Lichtsituationen gemessen wird? Mit 0db Verstärkung oder mit optimal eingestelltem Gain? Das Bildrauschen setzt oft erst in der letzten Gainstufe einer Kamera drastisch ein. Das ist bei manchen Modellen schon bei 12dB bei anderen aber erst bei 18dB der Fall. Gain ist eben nicht gleich Gain.
Bevor wir uns aber in diesem schon zugegebenermaßen fast esoterisch anmutenden Bereich geistig verirren, dürfte mittlerweile klar sein, was das größte Problem eines Camcorder-Testers ist:
Eigentlich müsste man unzählige Tests in noch unzähligeren Kombinationen machen und die einzelnen Parameter wie Brennweite, Blende, Contour oder Gain jedesmal dazu nennen. Statt einer Zahl, gibt es Zahlenkolonnen, die nur noch die informiertesten Leser entschlüsseln könnten, um sich ein Bild von der Schärfeleistung der Kamera zu machen.
Die Lösung?
Vor diesem unüberschaubaren Aufwand kapitulieren die meisten Tester und machen das, was erst einmal am vernünftigsten erscheint: Sie machen alle Tests mit den Werkseinstellungen der Kamera, bzw. im Automatik-Modus. Dass hierbei nicht unbedingt die aussagekräftigsten Werte herauskommen, dürfte indes jetzt klar sein. Weshalb gibt man denn 1500 Euro oder mehr für einen Camcorder aus? Eben um genau in jeder Situation durch die manuelle Veränderung von Brennweite, Blende, Contour oder Gain das beste aus einem Motiv herauszuholen. Und genau diese Fähigkeiten einer Kamera fallen bei einem Test im Automatik-Modus unter den Tisch.
Noch nicht genug?
Wer nun denkt, das betrifft ja „nur“ die Schärfe einer Kamera irrt. Denn wenn man die Farben zwischen Camcordern vergleichen will, wird die Sache fast noch schlimmer. Viele semiprofessionelle Modelle können die Farbdarstellung der Kamera in weiten Teilen vor der Aufnahme zu beeinflussen. (Auch in der Postproduktion lässt sich theoretisch noch jede gewünschte Farbe nachträglich hinbiegen.) Das macht eine objektive Farbbeurteilung nicht nur schwer sondern oft auch obsolet. Praktisch jede Kamera kann die typischen 6 Punkte im Vektorskop problemlos treffen, wenn man sie auf die Situation richtig einstellt. Viel wichtiger wäre daher eine Messung, welche Farbnuacen eine Kamera noch darstellen kann oder wie gut feinste Farbunterschiede noch erkannt werden können. Bei einer Kombination aus ca. 16 hoch 2 Millionen Farb-Möglichkeiten keine leichte Aufgabe. Zumindest ist mir keine Farbnuancen-Messung aus der Messtechnik bekannt. Doch ohne eine solche Messung kann man im Messlabor eigentlich nicht mal einen Einchipper von der hochgelobten Dreichip-Technik unterscheiden.
Einen kleinen Hinweis liefert natürlich die Messung des Kontrastumfangs, aber der ist natürlich wieder extrem von der Blende und Gain abhängig und je nach Lichtsituation gänzlich verschieden. Ein Wert, gemessen im Automatik-Modus erscheint da mehr als willkürlich.
Selbst Dinge, wie die die Verzeichnung eines Objektivs sind zwar eigentlich leicht messbar, bleiben aber schwer zu benoten: So fällt beispielsweise bei Sonys FX1/Z1-Serie auf, dass diese im Weitwinkel eine merkliche Kissenverzerrung aufweist. Ein Testfoto ohne Vergleich zu allen anderen Camcordern abzudrucken, würde jedoch von vielen Lesern sicherlich falsch interpretiert werden. Denn kein anderer momentan erhältlicher HDV-Camcorder hat einen so großen Weitwinkelbereich. Sobald die Sony in die Brennweitenregionen der anderen Camcorder eintritt, sind die Verzerrungen nicht mehr sichtbar.
Auch beim Ton und anderen Camcorderbereichen stößt man auf ähnliche Probleme einer objektiven Bewertung einer Messung. Allerdings möchte ich an dieser Stelle nun nicht mehr darauf eingehen. Stattdessen will ich mich noch kurz den sogenannten weichen Faktoren widmen. Das sind von vornherein subjektive Eigenschaften, wie z.B. die Bedienung einer Kamera. Klar will niemand sich minutenlang durch Untermenüs hangeln, da sind sich alle Tester einig. Doch bei vielen Details scheiden sich schnell die Geister. So gibt es Anwender, die die Bedienungsphilosophie der Canon XL-Serie lieben, während andere schon wegen der Form und der Kopflastigkeit mit diesem Kamera-Konzept überhaupt nichts anfangen können.
Noch schwieriger wird schließlich die Interpretation: Kann zum Beispiel die Kopflastigkeit die Möglichkeit für Wechselobjektive aufwiegen?
Die Punktevergabe
Denn genau das führt uns zum letzten Problem, was mir persönlich immer schwer im Magen liegt: Ein Punkte-Bewertungs-Schema. Letztendlich entscheidet immer die Gewichtung der einzelnen Testergebnisse und Austattungsmerkmale über das Ranking. Nur ist es gerade die Gewichtung, die von Käufer zu Käufer unterschiedlich ist. Der eine braucht eine Wechseloptik, der andere nutzt sie nie. Auch die Anzahl der möglichen Punkte ist meistens willkürlich. Bringt jetzt eine wechselbare Optik einen oder zehn Zusatzpunkte? Oder wie groß ist der sichtbare Unterschied zwischen einer Bildqualität von 72 zu 74 Punkten in der Praxis wirklich?
Es gibt einfach keine objektiven Antworten auf diese Fragen. Ich selber habe dies gemerkt, als ich immer wieder versucht habe, faire Punkte- und Benotungssysteme für Camcorder zu entwickeln. Doch was ist die Alternative? Viele Leser lieben eine klare Aussage, wie „Bildqualität = 23 Punkte“. Sozusagen auf den Punkt gebracht. Dass Ihnen damit für ihre individuellen Ansprüche eigentlich wenig geholfen ist, wollen die meisten gar nicht wissen.
Umgekehrt hatten wir mal bei slashCAM angedacht, dass jeder Leser aufgrund eines Fragenkataloges seine eigene Gewichtung erstellen kann. Diese Gewichtung erzeugt dann aus einer Datenbank mit diversen Testwerten ein persönliches Camcorder-Ranking. Jedoch wurde die ganze Sache schnell so komplex, dass sie kaum jemand bedient hätte (immerhin ist die Idee noch nicht ganz tot).
Es sei auch noch die Frage erlaubt, ob Messlabore wirklich der Weisheit letzter Schluss sind. Ein geschultes Auge gibt meistens eine bessere Einschätzung der Bildqualität wieder, als ein 100.000 Euro Testlabor. Außerdem kann schon allein der Vorschaumonitor eine Kamera bevorzugen oder benachteiligen. Doch wer kann alle Kameras mit allen Monitoren testen?
Zu guter letzt sind die Bildunterschiede zwischen den einzelnen Modellen mittlerweile gar nicht mehr so groß, nur im Low-Light-Bereich gibt es noch echte Unterschiede zwischen den Welten.
Ohne auf diese letzten drei Punkte auch noch näher einzugehen, ist es glaube ich an der Zeit, dass ich Schluss mache. Ich denke es ist klar geworden, dass es eine wirklich objektive Beurteilung einer Kamera niemals geben kann. Und wahrscheinlich ist das auch gut so. Denn auch bei slashCAM wird es weiterhin HDV-Camtests geben, allerdings gezwungenermaßen subjektive. Da ist leider nicht dran zu rütteln...
Euer
Rudi Schmidts