Die richtige Einstellung

// Wieviel von den Bildern kommt denn von dir, und wieviel von deiner Kamerafrau?



Die Szenen auflösen tue ich, von der Kamerafrau ist die Kadrage im Kleinen. Aber im Grunde ist das bei jedem Film anders. Bei dem Film davor (bei dem Tanja Häring auch die Kamera gemacht hat) war ich nur am Stellen die ganze Zeit. Wir hatten ja wie gesagt nicht die Möglichkeit zu schneiden, daher mußten wir die ganze Zeit ballettartige Choreografien mit Kamera tanzen. Auch wenn man das nachher nicht so sieht – der ganz Boden war voll von Schrittzeichen.



Bei diesem Film haben wir das alles mit Montage gemacht. Aber die Kamera ist immer in Bewegung – das ist ja auch ein Hauptthema im Film: Fortbewegen, Dynamik. Zu 70-80% war das reine Dolly-Fahrerei.



// Und um eine Szene in verschiedene Einstellungen auflösen, wie gehst Du da vor?



Schwer zu sagen, weil so viele Unbekannte in der Aufgabe stecken. Man kann das natürlich vom Brett reißen, aber die schwierige Frage ist ja: wie fügt sich die Szene in ein Gesamtkonzept ein? Natürlich weiß man, wer die Hauptfigur ist, wer trägt das, wo ist der Punkt der höchsten Spannung. Bloß manchmal verschiebt sich das. Klar hat man ein Muster, man sagt, ich schneide von der auf die in genau dem Moment, dann hab ich den so, dann ist die Kamerabewegung da, und dann hör ich so mit der Szene auf, und dann gibts eine Überleitung zu einer anderen Szene, die dann so und so aussieht. Das muß man natürlich im Kopf haben, und das habe ich auch.



// Du sieht das dann vor dir, wenn Du ein Drehbuch liest?



Ja, wenn es ein toll geschriebenes Drehbuch ist. Ein Drehbuch ist dann toll, wenn so wenig wie nötig drin steht, finde ich, aber alles irgendwie klar ist. Die wissen, wo man schneiden muß, aber geben einem das Gefühl, daß man das selber entdeckt hat. Das ist wie ein kleines Spiel, das man da spielt.





Schnitt und Musik

// Hat sich der Film dann nochmal sehr verändert während des Schnitts, verglichen mit dem Plan, den du hattest?



Ja, schon. Durch eine Parallelmontage verändert sich immer sehr viel. Man rhythmisiert anders, und ein paar Sachen sind weggefallen



// Die Parallelmontage war nicht von Anfang an geplant?



Teilweise schon, aber es ist sehr schwierig, eine Parallelmontage eins zu eins aufs Blatt zu schreiben. Vor allem, wenn dann noch ein anderer kommt und sagt: das hat einen anderen Rhythmus, oder: wir gehen gegen den Rhythmus. Teilweise sind wir auch mit der Musik total dagegen gegangen und haben viele Sachen ausprobiert. Ich weiß nicht, wieviele Temp-Tracks ich bei diesem Schnitt gewälzt habe. Übrig geblieben ist dann Johann Sebastian Bach, der viel zu dem Film beigetragen hat :-)



Wir haben jetzt ein Bach-Motiv in dem Film, das sozusagen geremixed ist. Thomas Mehlmann, ein Ex-Akademie-Student, hat das immer wieder variiert, vor allem auf Piano, teilweise noch mit Schlagzeug, manchmal eher Blues-artig, manchmal klassisch. Das hat sehr viel Spaß gemacht.



// Wie lange habt ihr denn geschnitten?



Ich saß ziemlich lange mit einer Kollegin im Schnitt, wobei ein Hauptteil der Arbeit bei mir lag. Ich habe auch mit Unterbrechungen schneiden müssen, weil ich kein Geld hatte. Also habe ich zweigleisig geschnitten, einmal Kohle-Jobs und einmal Blindflug. Am Stück müssen es 2 oder 3 Monate gewesen sein, die ich mit meiner Mitstreiterin dran saß.



// Geschnitten habt ihr aber digital, oder?



Ja, klar. Ich war einmal dabei bei einem 16mm Schnitt für einen Kurzfilm, und ich hab schier das Kotzen bekommen, immer die Reste an den falschen Galgen gehängt und so. Das ist total schön, wenn man sich das anguckt, und das Schneiden geht auch relativ schnell, aber dieser ganze Wust an echtem Material, das ist vollkommen undurchschaubar. Ich bin halt anders aufgewachsen, das ist eine andere Generation.



Am Anfang hab ich auch beim digitalen Schneiden nichts geordnet, aber mittlerweile bin ich total pedantisch. Alles muß ganz genau beschriftet werden, mit Schlagworten versehen, im richtigen Ordner liegen und so. Und am traditionellen Schneidetisch hat man gar nichts, da hat man einen Galgen, da steht nix dran, und da hängt dann ein Rest von der-und-der Klappe. Ich bin da durchgedreht, ich bin das einfach nicht gewohnt.



Berlinale Spezial: Ben von Grafenstein über seinen Film Blindflug : lottehenrik




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Anonymous  //  14:28 am 10.2.2007
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