An die Knappheit bzw. den extrem hohen Preisanstieg von leistungsstarken Grafikkarten aufgrund des erneuten Cryptowährungs-Booms hat man sich ja schon beinahe gewöhnt, aber jetzt droht auch noch eine Verteuerung der für die Arbeit mit Video besonders wichtigen HDDs und SSDs.

Denn die neue Cryptowährung Chia des Bittorrent-Erfinders Bram Cohen setzt zur Generierung, dem sogenannten Farming (bei Bitcoins: Mining), nicht wie die unterschiedlichen Bitcoin-Varianten auf die Rechenleistung von Grafikkarten oder spezialisierten ASICs, sondern auf das Vorhandensein von freiem (und zT. möglichst schnellem) Festplattenspeicherplatz. Durch das neue Prinzip soll der hohe Energieverbrauch bei der Erschaffung neuer virtueller Währungseinheiten vermieden werden, aber es führt logischerweise zu einer gesteigerten Nachfrage nach Speicherplatz in Form von SSDs und auch HDDs.
Wie das Farming von Chia Coins / XCHs funktioniert
Chia basiert auf einer kryptographischen Technik namens "Proof of Space and Time" im Gegensatz zu Bitcoin, das ein sogenanntes "Proof of Work"-Modell nutzt. "Proof of Space" kann man sich dem Chia FAQ zufolge einfach als eine Methode vorstellen, um zu beweisen, dass ein User einen Teil seines Festplattenspeichers ungenutzt läßt.
Benutzer der Chia-Blockchain "säen" auf dem ungenutzten Festplattenspeicherplatz eine Sammlung von kryptographischen Zahlen in Form von sogenannten "Plots", die relativ lange brauchen um generiert zu werden und deswegen schneller abgefragt werden können, wenn sie schon vorgeneriert auf der Festplatte vorliegen. So präferiert der Chia Algorithmus die Größe des Speicherplatzes anstatt der Rechenpower wie bei Bitcoins.

Diese Benutzer werden "Farmer" genannt. Wenn die Blockchain übers Netz eine Herausforderung für den nächsten Block sendet, können Farmer ihre Plots scannen, um zu sehen, ob sie einen Hashwert auf ihrer Festplatte gespeichert haben, der der Herausforderung am nächsten ist. Die Wahrscheinlichkeit eines Farmers, so einen Block zu gewinnen, ist der prozentuale Anteil des gesamten Platzes, den ein Farmer im Vergleich zum gesamten Chia-Netzwerk hat.
Die erste Phase des Erstellens der "Plots" (Plotting) erfordert viel Rechenpower sowie einen möglichst hohen dauerhaften Datendurchsatz, weswegen vor allem Enterprise Datacenter SSDs dafür genutzt werden, welche diese Anforderungen über einen längeren Zeitraum aushalten können.
Fürs "Farming" ist dann vor allem die Größe des Speicherplatzes wichtig, hier werden möglichst große und billige HDDs eingesetzt, um das Verhältnis von Kosten und Blockgewinn-Wahrscheinlichkeit zu optimieren, manchmal werden die Festplatten in Verbindung mit einem kleinen Raspberry Pi Computer eingesetzt, um maximal viel Energie (und damit Kosten) zu sparen. Es werden so für das effektive Generieren von XCHs sowohl schnelle große SSDs als auch HDDs genutzt.
Sind steigende SSD Preise in China ein Vorbote?
Die Sorge, dass Chia zur Verknappung von HDDs und SSDs führen könnte, ist nicht aus der Luft gegriffen. Seit März können Chia Coins (XCH) schon generiert werden, der Handel damit ist am 3. Mai gestartet. In China scheint das Mining von Chia Coins bereits zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von SSDs geführt zu haben. So berichtet Adata von einer gesteigerten Nachfrage von 400-500% nach seinen großen SSDs im April im Vergleich zum Vormonat und der viert-größte chinesische Hersteller von Speichern, Jiahe Jinwei gab bekannt, daß seine 1TB und 2TB NVMe SSDs ausverkauft sind.
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Betroffen sind (vorerst) nur große Modelle, die eher auf den Enterprise-Markt zielen und eine besonders große Kapazität und Geschwindigkeit aufweisen, aber je nachdem wie erfolgreich Chia ist und je mehr User einsteigen, könnten auch noch weitere (Consumer) HDD/SSD-Modelle mit betroffen sein. Entsprechende Hardware zum Farming besteht laut Referernz Setup zum Farming zum Beispiel aus 32 HDDs/SSDs.
Chia Speicherplatz aktuell: 3.6 Millionen TB
Seit dem Start ist der von Chia Farmern genutzte Speicherplatz (Netspace) relativ kontinuierlich gewachsen und beträgt aktuell 3.2 EiB (exbibytes / 2 hoch 60 Bytes), was rund 3.691.825 TB entspricht. Eine Chia Coin ist aktuell 1.050 Dollar wert, ungefähr 64 dieser XCHs werden alle 10 Minuten generiert.

Mithilfe des Chiacalculators kann man ausrechnen, wieviel Dollar man theoretisch pro Tag mit wieviel Speicherplatz verdienen kann. So könnte man momentan mit einer 12TB HDD und 2TB NVMe SSD im Wert von rund 520 Dollar theoretisch 850 Dollar einnehmen (wenn man unrealistischerweise voraussetzt, daß der Gesamtspeicherplatz für Chia nicht weiter schnell wächst).
Hält dieser Trend an, dann sind Auswirkungen durch den Chia-Boom auf die Preise auch im Westen zu befürchten. Dieser würde sowohl die Videobearbeitung mit ihrem großen Speicherplatzbedarf treffen als auch - über die Verteuerung von Enterprise Laufwerken - alle möglichen Cloud (Speicher) Dienste.
HDD/SSD-Knappheit auch in Deutschland?
Wer also demnächst mehr SSDs oder HDDs zur Speicherung seiner Videos benötigt, sollte sich den Markt genau anschauen - die Preise einige grossvolumiger HDDs sind auch hierzulande bei einigen Modellen wie etwa der Toshiba Enterprise 12 TB oder der Seagate IronWolf 12TB in den letzten Tagen sprunghaft angestiegen.

Ob dieser Anstieg von Chia beeinflusst ist oder nicht, ist nicht klar, aber solange sich das Farming lohnt,
gibt es nach Marktlogik immer eine zusätzliche Nachfrage nach SSDs und HDDs, welche groß genug sein könnte, um die Festplatten-Preise signifikant zu beeinflussen. Eine interessante Frage bei einem Erfolg von Chia wird sein, ob der "Verbrauch" von Festplatten zur Erzeugung einer Cryptowährung im Endeffekt wirklich dem von Energie vorzuziehen ist.