slashCam Leser wissen es schon lange: Das analoge Filmkorn aus dem letzten Jahrhundert trägt immer noch maßgeblich zu einer cineastischen Anmutung bei. Offensichtlich sind unsere Gehirne immer noch so stark auf das subtile Tanzen der Filmkörnung in einem Bild geprägt, dass wir beim Betrachten automatisch "Kino" denken und fühlen.
Tatsächlich wirkt ein besonders rausch- und filmkornfreies Bild auf viele Betrachter steril und billig, obwohl ein extrem sauberes Bild technisch viel aufwändiger zu erreichen ist, als eine verrauschtes Bild.
Noise und Grain - Details für den Kompressor
Doch nicht nur das: Rauschen und Grain (wie man Filmkorn im englischsprachigen Raum oft bezeichnet) sind der Feind jeder effizienten Kompression. Denn für einen Algorithmus sind die zufällig im Film verteilten Rausch- und Korn-Muster nicht vorhersagbar. Und somit auch nicht effektiv nach einem Muster zu komprimieren.
Solange der Kompressor jedoch denkt, dass es sich bei dem Rauschen um relevante Bildinformationen handelt, muss er sehr viel Speicherplatz aufwenden, um die Rauschmuster wie echte Details im Videostream zu speichern. Die eingesetzten Komprimierungsalgorithmen zwingen somit zu einer Abwägung zwischen dem Erhalt der Filmkörnung und einer deutlichen Reduzierung der Dateigröße.
Weniger Rauschen - weniger Kosten
Den zusätzlichen Speicheraufwand "pro Grain" wollten die großen Streaming-Anbieter jedoch früher nicht ernsthaft auf sich nehmen. Um Speicher und Datenübertragungskosten zu sparen, entrauschten Netflix und Co. darum viele Filme erst einmal (zu?) radikal. Dadurch wurden viele Filmklassiker zwar objektiv gemessen in der Qualität sogar besser, subjektiv fehlte ohne Korn jedoch sehr oft der cinematische Charme.
Dies führte im Anschluss sogar bei modernen Produktionen zu einer besonderen Absurdität: Im digitalen Zeitalter lassen sich bekannterweise mit aktuellen Cine-Kameras ziemlich rauschfreie, geradezu klinisch saubere Bilder erzeugen, denen es vielen Filmemachern an Charakter fehlt. Darum wird auch bei modernen Produktionen in der Nachbearbeitung noch absichtlich digitales Filmkorn hinzugefügt, um eine bestimmte Stimmung oder ein Vintage-Gefühl in der Aufnahme zu transportieren. Doch eben dieses synthetische Korn wurde anschließend bei der digitalen Distribution wieder herausgefiltert, um Datenübertragungskosten zu sparen. Und die Zuschauer bekamen dadurch letztlich viel zu rauschfreie Bilder in ihre Wohnzimmer gestreamt, die nicht mehr unbedingt im ästhetischen Sinne der Filmproduktion waren.
Dieser Problematik wurden sich die Streamer dann doch relativ schnell bewusst, weshalb man die radikale Noise Reduction etwas zurückfuhr und man vielen Produktionen über die Zeit wieder etwas mehr Grain gönnte. Gezwungenermaßen zu Lasten der Datenrate.