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Erfahrungsberichte : "Hey!" – Die große Inspektion

von Do, 10.Juli 2003 | 2 Seiten | diesen Artikel auf einer Seite lesen

 3. Woche



3. Woche



Natürlich ist das Equipment topfit. Natürlich wurde nach dem letzten Dreh alles überprüft und an seinen Platz zurückgestellt. Es kann also gar nichts schief gehen bei dem großen Dreh eines Spielfilms mit einer kleinen Kamera. Oder gibt es doch noch Schwachstellen? Wir besitzen eine der ersten Kameras vom Typ Sony PD150. Die Konstruktion war ingenieurmäßig noch gar nicht ausgereift, da brachte die Japaner das Ding schon auf den Markt. Japaner – so nennen Tonleute die Mikrofon-Automatik solcher Kameras. Unser Japaner jedenfalls hatte bereits einen Geburtsfehler. Die Sony-Leute taten sich schwer, den so genannten „Hiss“-Fehler zu korrigieren. In den USA verlangten sie anfangs Geld für die Nachbesserung, in Europa war’s umsonst für die, die den Fehler bemerkt haben. Lediglich die Käufer der Consumer-Variante VX2000 gingen leer aus. Sony steht auf dem Standpunkt, das hochtönige Sirren sei bei Comsumer-Produkten hinnehmbar. Und die nachgebesserten Profi-Varianten, die über den Broadcast-Vertriebsweg verkauft werden, erhielten in Köln eine Geheimplakette auf die Unterseite geklebt: N50. Immerhin, nun ist die Kamera astrein.

Das mitgelieferte Sony-Mikrofon verschwand schon gleich nach dem ersten Test im Lager. Wir ersetzten es durch ein Neumann KM 185, das ungefähr die gleiche Länge hat. Zusammen mit einem üppigen Windjammer liefert es als Kamera-Mikrofon auch bei Starkwind exzellente Ergebnisse.

Die Kamera hat neben einem Fokus- auch einen Zoom-Ring. Er lässt sich allerdings im laufenden Betrieb von Hand kaum bewegen, weil das System sehr empfindlich reagiert und ein ungleichmäßiger Zoom deshalb nahezu unvermeidlich ist. Die braven, alten Filmkameras hatten noch einen Zoom-Hebel – aus gutem Grund. Der ließe sich aber an der PD150 nicht anbringen, weil schon das Hebel-Gewicht unweigerlich einen Zoom auslöst. Die Lösung: Ein schmaler Kabelbinder (wie ihn Polizisten heute gerne als Handschellen-Ersatz einsetzen) wird auf dem Ring fixiert. Das herausragende Ende wird je nach Länge ein Stückchen abgeschnitten. Das überstehende Ende federt die Bewegung beim zoomen ab, und alles sieht butterweich aus.

Übrigens sind auch bei der Konkurrenz die Verkaufs-Kanonen oft schneller als die Ingenieure. Die Software der ersten in Deutschland ausgelieferten DVX100 von Panasonic enthielt Fehler. Sie wurde aber inzwischen ausgetauscht bei Kunden, die das gemerkt haben. Wir diskutieren noch, ob wir die Kamera für den Dreh einsetzen an Stelle der PD150. Ich werde darüber berichten.

Note mangelhaft erhielt der US-Optiker Century wegen seines Weitwinkel-Adapter für die PD150. Das Teil wurde als durchzoombar angepriesen. Jetzt bei unserem Check fiel es durch: Es ist zwar optisch exzellent, vignettiert aber leicht. Das ist im Kamera-Sucher nicht sichtbar. Wir wollen das fertige Video aber demnächst auf Film übertragen. Und dafür werden auch die Pixel herangezogen, die nur im Underscan-Modus sichtbar sind, nicht aber im Fernseh-Normalbild. Mary von Century hat uns folgenden Tipp gemailed: You´ll have to play with the lens, until you get the image you want, and then you´ll know how far you can go. Aber die Reparatur der Linse oder einen Umtausch lehnt Century-Importeur Dedo Weigert in München ab. Gruppe 3, wo wir das Teil gekauft hatten, tröstete uns wenigstens mit dem Angebot, eine makellose Ersatz-Optik zum Einkaufspreis herauszurücken. Die Optik von Tecpro kommt aus Japan und ist einwandfrei.

Jetzt mussten jedoch zusätzlich eine neue Sonnenblende mit integriertem Filterhalter beschafft werden, Skylightfilter, Polfilter, Grauverlaufsfilter, alles neu, weil die alten nicht mehr passen. Dazu noch ein Zwischenring, um die kleine Mattebox auch an der Kamera ohne Weitwinkel-Vorsatz verwenden zu können. Etwas viel für einen No-Budget-Film... Vorn ist eine ausklappbare French Flag angebracht, um Gegenlicht in der Optik zu vermeiden. Solche unerwünschten Strahlen heben jede kleinste Verunreinigung auf der Linse hervor und machen die Bilder hässlich. Diese trapezförmige Blende ist ganz praktisch. Die äußeren Dreiecke sind einklappbar, so dass die Blende auch als Objektivschutz verwendet werden kann.

Wenn die Kamera bewegt werden soll, setzen wir gerne unser DV-Steadycam von Cinema Products ein, gerade noch tragbar für Kameras in der Gewichtsklasse einer PD150. Leider ist auf der letzten Reise ein Transportschaden entstanden, ein wichtiges Plastikteil ist gebrochen. Im nächsten Dentallabor wurde es geflickt und hat nun an der Bruchstelle einen rosa Prothesen-Look. Trotzdem wurde ein Ersatzteil bestellt. Europa-Kontaktmann Robin aus London schrieb: I will need to get this in from the US so it may take a little while – I hope the dental work holds out until then. Wir auch. Die Botschaft ist über einen Monat alt.

Bei dem Dreh werden wir vermutlich auch drahtlose Mikrophone einsetzen. Wir verfügen über einen Sender und Empfänger Typ RMS 2000 von Audio Ltd. Nicht mehr ganz neu, aber in Ordnung. Ein Kollege wird uns ein zweites Pärchen leihen. Beim ersten Check kam nur Frust heraus: Der Empfänger gab keinen Mucks, obwohl auch wir wie der Kollege einen Tonmischer vom Typ SQN3 einsetzen. Er speist allerdings den Empfänger aus dem SQN3, wir nicht. Wir haben es mit frischen Batterien versucht, nichts half. Heute morgen gab Ed Parente von Gruppe 3 den Tipp, dass ein anderes Kabel für die Übertragung vom Empfänger auf den Mischer nötig ist, wenn nur Batterien eingesetzt werden. Wieder ein kleiner Schritt in Richtung guter Ton.

Dienstag war Kino-Tag, und wir wollten wissen, wie Steven Soderbergh mit DV in einem Hollywood-Opus umgeht. Julia Roberts spielt darin für angeblich nur 20 Dollar Gage eine Hauptrolle. Das Ergebnis war niederschmetternd. DV wird unfair diskreditiert. Es gibt Filter, die können in der Nachbearbeitung ein Bild bewusst verschlechtern. Und davon wurde offenbar reichlich Gebrauch gemacht. Als wollte Soderbergh DV in den Tod treiben. Außer uns saßen noch drei Personen in dem Großkino. Ein Flop in jeder Hinsicht, aber rein gar nichts, aus dem wir Honig saugen könnten. (Nur, dass man es so nicht machen kann.)

1.Woche: "Hey!" - so fing alles an
2.Woche: "Hey!" – Woher kommt das liebe Geld ?



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