Frage von GaToR-BN:Da ich solche Aufnahmen relativ häufig durchführe, möchte ich meinen Workflow teilen und freue mich darauf, auch von euren Erfahrungen und Methoden zu lernen.
Hier ist meine aktuelle Arbeitsweise:
Aufnahmeform
Für kurze Unternehmens- und Positionierungsfilme führe ich ein offenes Gespräch mit dem Kunden. Dabei bitte ich, die gestellten Fragen in den Antworten zu integrieren, um authentische, einzelne Sätze zu erhalten. Beispiel: Frage: "Woher kommst du?" Antwort: "Ich komme aus Bonn."
Konzeption
Vor der Aufnahme führe ich mit den Kunden ein Beratungsgespräch, um die zentralen Punkte für das Storytelling herauszuarbeiten. Die konkreten Fragen teile ich nicht im Voraus, damit die Antworten spontan und echt bleiben.
Aufnahmezeit
In der Regel benötige ich für einen 2-minütigen Film etwa 20 bis 25 Minuten Rohmaterial. Mein Richtwert ist ein Verhältnis von 10:1 zwischen Drehzeit und finalem Filmmaterial.
Technik
Kameras: Zwei Lumix S5-Kameras mit Festbrennweiten (50 mm und 85 mm, beide f/1.8).
Ton: Eine Kamera mit XLR-Adapter und Richtmikrofon, die zweite mit Lavalier-Mikrofon über Funkstrecke.
Steuerung: Über Notebook per USB, wodurch Fokus und Synchronisation der Kameras sichergestellt sind.
Aufnahmeformat: 4K auf SD-Karten, um digitale Zooms und Ausschnittkorrekturen zu ermöglichen.
Aufnahmestopps: Nur bei längeren Pausen, um den späteren Sync zu erleichtern.
Bearbeitung in 4 Schritten
Multicam-Datei erstellen: Alle Aufnahmen werden in Davinci Resolve zu einer Multicam-Datei zusammengefügt.
Erster Durchlauf: Rohmaterial von 20 auf ca. 10 Minuten reduzieren (Pausen, Gesprächsanteile und meine Fragen entfernen).
Zweiter Durchlauf: Material auf 6 Minuten kürzen. Antworten werden nach Storytelling-Aspekten markiert:
- Rot: Gewohnte Welt, Gelb: Weiterentwicklung, Herausforderungen, Grün: Ergebnisse
Dritter Durchlauf: Auf 3 Minuten reduzieren, alle wichtigen Inhalte nur noch einmalig enthalten (richtige Reihenfolge).
Vierter Durchlauf: Final auf 2 Minuten kürzen, Unwichtiges streichen und Übergänge optimieren (B-Roll, Kamerawechsel, Übergangsanpassungen). Hier nutze ich gegebenenfalls Material aus vorherigen Versionen.
Feedback und Übergabe
Die finale Version schaue ich mir am Folgetag noch einmal an. Danach gebe ich sie an 1–2 Kollegen für externes Feedback weiter. Erst dann erhält der Kunde die Version zur Abnahme.
Die Dateien benenne ich nach folgendem Schema: Jahr-Kundenname-Projektname-Status-Nummer
Beispiel: 2024-IHK-Ehrenamt-Beta-107.mov
Nummerierung: Alles unter 100 ist eine Alpha-Version (intern), ab 100 eine Beta-Version für den Kunden, und ab 200 die finale Version.
Wie sieht euer Workflow aus? Gibt es Stellen, an denen ich meinen Prozess optimieren könnte?
Grüße aus Bonn,
Martin
Antwort von Jalue:
Ich sehe kaum Optimierungsbedarf, mal abgesehen davon, dass im Regelfall wenig mehr als zwei Produktionen in ein Schema passen. Oft kommt es zu Abweichungen, (z.B.: Studio nicht verfügbar, es muss plötzlich auf dem Dach gedreht werden. Oder es ist kein Interviewformat mehr, spontan wünschen die Kunden nen Dialog, Round Table-Gespräch, bewegte Kameras ...) und da wird so ein Schema-F schnell zum Korsett.
Was ich aber vor allem vermisse (und jedem Newbie ans Herz legen möchte), sind folgende Punkte:
1. Vorab und belegbar die
Anzahl der Abnahmeschleifen/Schnittfassungen verbindlich festlegen. Geht in Form eines Angebots, das vom Kunden bestätigt wird.
2. Vorab mit dem Kunden vereinbaren, welche
Kernaussagen (maximal 2-3) das Video transportieren soll.
3. Vorab verbindlich klären, wer das
Artwork zuliefert, also Presets für Bauchbinden, Texteinblendungen, Untertitel, Closer, Opener, etc. Wird gerne von allen Seiten unterschätzt, aber allein dafür berechnen Spezialisten völlig zu Recht vier- bis fünfstellige Beträge. Das ist zeitaufwändige (Motion-)Design-Arbeit!
Sonst landest du schnell in der "Abnahmehölle", egal wie effizient dein interner Workflow sein mag.
Antwort von GaToR-BN:
Danke für dein Feedback. Gerade deine Punkte 1 (Änderungen) und 3 (Motion Design) führen auch bei mir zu Verzögerungen und Mehraufwand, da der Kunde das nicht versteht und keinen finalen Input liefert bzw. Vieles wieder verändern will.
Antwort von Frank Glencairn:
GaToR-BN hat geschrieben:
Danke für dein Feedback. Gerade deine Punkte 1 (Änderungen) und 3 (Motion Design) führen auch bei mir zu Verzögerungen und Mehraufwand, da der Kunde das nicht versteht und keinen finalen Input liefert bzw. Vieles wieder verändern will.
Und genau deshalb sind das 2 absolut neuralgische Punkte, wo man die Leute unbedingt festnageln muß, sonst zahlst du den Mehraufwand selbst.
Da muß man die Leute unbedingt an die Hand nehmen und ihnen klar machen, daß sie genau das bekommen was abgesprochen ist (möglichst detailliert und schriftlich bestätigt), und daß jede nachträgliche Änderung der Bestellung den Betrag X (nicht zu knapp) zusätzlich kostet.