Wenn die Videokamera bei zu wenig Licht die Nachverstärkung aktiviert, spricht man von der Gain-Funktion. Hierbei wird -ähnlich wie bei einer künstlichen Nachschärfung oder dem digitalen Zoom digital noch mehr aus dem Bild geholt, ohne dass die zusätzliche Information durch Optik oder CCD zur Verfügung gestellt wird. Da fragt man sich doch unwillkürlich, ob man nicht besser „Raw“ filmen sollte und eine eventuelle Unterbelichtung später in der Postproduktion ausgleicht, zumal die Tools auf dem heimischen Rechner ja oft besser sind, als die Signal-Elektronik der Kamera.
Probieren geht über Studieren
An sich eine schlüssige Argumentation. Also haben wir einfach die Probe aufs Exempel gemacht. Mit einer Panasnic HDC-SD1 haben wir ein schnell zusammengewürfeltes Low-Light Stillleben abgefilmt. Und zwar mit 18, 12, 6 und 0 dB Gain. Hier einmal kurz zwei Standbilder unserer Belichtungsreihe als Impression:


Wie man sieht, bringt die SD1 durch die künstliche Nachverstärkung noch ein ziemlich gutes Bild zustande. Da wollen wir doch mal mit einem Schnittprogramm dagegen kontern.
Postgain im Schnittprogramm
Also zuerst einmal mit der Tonwertkorrektur (übrigens in Vegas mit 32 Bit) die Helligkeit angepasst...

Auf jeden Fall imposant, wie viel Information man noch aus diesem stark unterbelichteten Bild retten kann. Gegenüber dem Panasonic-Gain sehen wir allerdings noch deutlich mehr Rauschen und Posterisation. Dafür ist das nach bearbeitete Bild auch etwas schärfer, als das SD1-Original mit Gain. Also erlauben wir uns auch eine kleine Noise-Reduction, die wir mit einem Convolution-Kernel erstellen, da wird davon ausgehen, dass eine einfache Noise-Reduction in einer Kamera wohl prinzipiell einen ähnlichen Algorithmus einsetzt. Danach sieht unser Bild so aus:

Eigentlich auf den ersten Blick gar nicht so übel.
Mit der Lupe
Wenn man allerdings die Aufnahmen 1:1 in Originalgröße vergleicht, so sieht man dennoch deutliche Unterschiede:

Der Rauschfilter der SD1 greift deutlicher zu, sorgt aber durch die Bank für ein natürlicheres Bild. Auch wenn im Bewegtbild manche Flächen etwas zu homogen wirken, ist das Bild ohne Nachbearbeitung dennoch auf jeden Fall besser, als unser Postprocessing-Experiment in Vegas. Jetzt könnten wir uns natürlich auch noch ins Zeug legen und noch bessere Algorithmen ausgraben. Beispielsweise gibt es bei Virtual Dub/AviSynth ziemlich gute temporale Denoiser, die hier vielleicht noch einiges verbessern könnten. Jedoch dürften die Ergebnisse (vom Aufwand ganz abgesehen) eine Gain-Stufe kaum schlagen. Denn es gibt einen triftigen Grund, weshalb ein Gain in der Kamera einfach besser sein muss:
Er wirkt zwischen Bildwandler und Kompression/Quantisierung. Die Gain-Funktion liefert ihre korrigierten Werte, bevor das Bildsignal komprimiert und mit 8 Bit gespeichert wird. Dadurch wird auf jeden Fall schon einmal das Banding (die Posterisation) deutlich vermindert, da das Bild hier noch mit 10 -14 Bit verarbeitet wird. Und auch beim Rauschen gibt es einen Vorteil: Denn was in dieser Stufe als Rauschen weggefiltert wird, kann nachher durch die Kompression nicht verstärkt, bzw. versaut werden.
Fazit
Unser Experiment zeigt: Auch wenn man zu künstlicher Nachtschärfung und digitalem Zoom durchaus ein kritisches Verhältnis haben darf, das Filmen mit Gain macht durchaus Sinn. Denn was man in schlecht beleuchteten Szenen ohne Gain verliert, lässt sich in der Nachbearbeitung nicht mehr zurückholen.