Meinung Canon C300 vs. RED Scarlet-X - Kein Vergleich

Canon C300 vs. RED Scarlet-X - Kein Vergleich

Der Vorhang ist gelüftet und die Infos liegen auf dem Tisch. Doch wenn man sich durch die Informationsfülle klickt, wird vor allem klar, dass es sich bei beiden Kameras um so ungleiche Konzepte handelt, dass jeder erzwungene Vergleich zwangsläufig hinkt. Zeit für unsere erste Meinung...

Nur weil beide Kameras am gleichen Tag vorgestellt wurden scheint sich jedermann im Netz genötigt zu fühlen, diese auch direkt zu vergleichen. Es mag ja auch sein, dass beide Kameras einen ähnlich großen Sensor besitzen, aber damit sind die Gemeinsamkeiten praktisch auch schon aufgezählt.





FullHD vs. 4K

Die Canon C300 ist nur eine FullHD-Kamera (4K Sensor hin oder her), während die Scarlet-X eine echte 4K-Kamera ist. Ob man 4K wirklich braucht sei dahin gestellt, aber 4K ist sicherlich die zukunftssicherere Investition. Dazu erlaubt die Scarlet-X auch variable Frameraten in 2K, während Canon dies nur mit 720p ermöglicht. Wer daran glaubt, dass Kino demnächst auf 48P umschwenkt, kann mit der RED auch schon heute in 3K produzieren. Selbst das mittlerweile salonfähige 1080p50 ist mit der C300 nicht möglich, während die Scarlet-X sogar 1080p50 mit 2048 Horizontalpixeln schafft. Die meisten digitalen Kino-Projektoren besitzen übrigens diese 2K (2048 x 1080) Auflösung und nicht FullHD (1920 x 1080) wie von Canon unterstützt.



Auch bei den Datenraten sieht Canon mit seinen 50 Mbit gegenüber REDs 50 MByte nicht sehr professionell aus. Hier ließe sich argumentieren, dass die 50 Mbit natürlich in der Nachbearbeitung deutlich einfacher zu handhaben sind, jedoch geht es bei solchen Kamera-Preisen nicht mehr um Heimvideo-Schnitt. Und die Datenraten des REDCODE-Codecs sind heutzutage auch mit Standard-Hardware alles andere als unbeherrschbar oder teuer.





8 Bit WTF?

Den wirklichen Killer-Knackpunkt der Canon sehen wir jedoch im 8 Bit Codec. Zwar gibt es ein Log Format und äußerst flache Gammakurven mit hoher Dynamik zum nachträglichen Grading, aber 8 Bit sind bei einer Kamera für 20.000 Dollar doch etwas sehr eng.



Sieht man das im Vergleich zu den 12 Bit des REDcode RAW-Codecs liegen hier Welten zwischen des Systemen. Gegenüber den Workflow-Möglichkeiten von REDcode RAW sieht die Canon einfach nur wie Spielzeug aus. Oder besser gesagt, sie ist es auch. Bei einer Rebel-DSLR-Lösung kann man sicherlich mit 8 Bit gut leben, aber nicht bei einer Profi-Cam für Spielfilm-Projekte. Dass man auch mit 8 Bit schon fürs Kino produzieren kann, beweisen ja diverse DSLR-Filmprojekte, aber dies sind in der Regel Rebel-Film Projekte mit Gesamt-Budgets einer C300.



Bei einem angeblichen Blendenumfang von 12 Stops und interner 12/13Bit-Verarbeitung klingt ein 8 Bit-Codec einfach wie ein schlechter Witz. Wer da noch bei der Canon von einem Alexa-Killer spricht, hat nicht viel von der Postproduktion verstanden.



Nur zur Erklärung: Beim RED RAW-Format zeichnet man tatsächlich mit 12 Bit auf und kann in der Nachbearbeitung u.a. die Gammakurven bestimmen. Bei Canon muss man dagegen beim Dreh mit der Kamera-Einstellung immer richtig liegen. Was hier in den Tiefen absäuft oder in den Höhen verloren geht, ist nicht mehr herzustellen. Aber nicht nur das. Die echten 12 Bit erlauben auch ein viel feineres Color Grading, in dem es kaum zu Banding-Problemen o.ä. kommen kann.



Vielleicht kann Canon ja tatsächlich bei den Hauttönen punkten, wie in der Presseshow behauptet wurde. Dies mag auch für Anwender nützlich sein, die nicht in die Postproduktion gehen. Doch ehrlich gesagt, können wir uns bei diesem Kamerapreis und der Zielgruppe der szenischen Filmer auch kaum vorstellen, dass keine Postproduktion stattfindet. Und in einem Flat-Look von natürlichen Hauttönen zu sprechen kommt uns etwas realitätsfern vor.



Bei der RED ist dagegen durch den nachträglichen Workflow (der auch aktive Codec-Metadaten zur Farbkorrektur erlaubt) nicht einmal ein falscher Weißabgleich tragisch, da man diesen bei RED auch praktisch verlustfrei in der Post machen kann.



Denkbar wäre immerhin, dass Canon den Rolling Shutter durch sein Auslese-Verfahren besser in der Griff bekommen hat. Dies könnte tatsächlich ein Killer-Argument für die Canon Kamera werden, jedoch wird man dies erst mit aussagekräftigen Real-Aufnahmen einschätzen können.







Automatik – Ist Weniger Mehr?

Ehrlich komisch wirkt, wie sich die ungleichen Konkurrenten auf offener Straße entgegenkommen und aneinander vorbeifahren. Canon denkt, dass Automatiken bei Profis uncool sind (und lässt sie raus), während die neue RED jetzt sogar Touch-Autofokus beherrscht und viele Automatiken dazugewinnt. Unsere Meinung: Mann muss Automatiken ja nicht nutzen, aber es ist immer besser, wenn sie optional vorhanden sind, als wenn nicht. Automatiken weglassen als Profi-Posing-Geste finden wir nicht gerade angesagt.



Man kann der Canon zugute halten, dass die Kamera einfach eher als portables Gerät konzipiert ist. Sie ist klein, hat einen eingebauten ND-Filter und man kann als One-Man Show damit schneller loslegen. Sie wirkt dabei wie eine DSLR, an der wirklich alle aktuellen Kritikpunkte ausgemerzt wurden. Allerdings konkurriert sie somit eher mit einer AG-AF101 oder einer Sony FS100, die in deutlich günstigeren Preislagen liegen. Nur eben mit einem geringfügig besseren Codec.



Ebenfalls etwas bedenklich ist, dass Canon KEIN professionelles Support und Vertriebsnetz im Video/Film-Bereich besitzt. Und das neu eröffnete Support-Center in Hollywood dürfte für den Rest der Welt schwer zu erreichen sein. Sony, Panasonic und selbst RED haben hier einen echten Stadortvorteil in vielen Ländern präsent zu sein, was gerade bei technischen Krisen während der Filmproduktion ein nicht unerheblicher Vorteil ist. Mal sehen, wie Canon dieses Problem angehen will.






Scarlet-X = EPIC-1

Je mehr wir dagegen über die neue Scarlet-X lesen, desto begeisterter sind wir. Denn die Scarlet-X ist eine passabel abgespeckte EPIC. Jim Jannard hat die Economies of Scale verstanden. Es macht für eine so kleine Firma schlichtweg keinen Sinn, verschiedene Modell-Serien zu pflegen. Die Entwicklungskosten für die Sensoren und die Signalelektronik sind die wahren Kosten, nicht die Kosten eines Sensors oder eines DSPs in der Fertigung. Daher macht es für RED mehr Sinn die EPIC nochmal abgespeckt billiger zu verkaufen, weil man sich so die Entwicklung von mehreren Produktlinien spart.



Sieht man sich an, was man bei RED für den halben Canon-Preis bekommt, darf man schon staunen: Natürlich ist der nackte Preis mal wieder Makulatur, weil man noch viel Zubehör braucht. Aber immerhin versteht RED offensichtlich etwas von psychologischer Preisfindung, und weiß was es bedeutet, dass der Grundpreis des Systems unter 10.000 Dollar bleibt. Daher muss man fast schon den Hut ziehen von, wie sich RED die Canon Präsentation zu Nutze machen konnte. Legt man die technischen Daten nebeneinander auf den Tisch, sieht die Canon einfach restlos überteuert und unterfeatured aus. Und nicht nur das. Man sieht auch den wahren Alexa-Konkurrenten des Tages. Wir wetten auf jeden Fall, dass RED mit der Scarlet-X bis auf weiteres sicherlich mehr Kameras verkaufen werden, als sie poduzieren können (was Jim Jannard ja auch schon im Vorfeld angekündigt hat).



Canon hat dagegen immer noch den DSLR-Markt im Auge, der im Preissegment der C300 jedoch nicht funktionieren wird. Die DSLRs waren immer eine pfrimelige Alternative für die hackfreudigen Rebel-Filmer, die sich keine RED leisten konnten. Nun gibt es die RED zum halben Preis einer Canon C300. Und es ist kaum anzunehmen, dass viele Anwender nur zur Scarlet-X greifen werden, weil sie sich keine C300 leisten können. Der Workflow und der RED-Codec sind zu schlagende Argumente.



Sobald Canon allerdings seinen neuen Sensor und die Signalelektronik auch in 5000 Euro-Geräten verbaut, dürfte das große Wellen schlagen und Sony (FS-100) sowie Panasonic (AG-AH101) in echten Zugzwang bringen. Dort dürften auch Stückzahlen zu verkaufen sein, die den Entwicklungsaufwand eher rechtfertigen. Und das beste: RED wird in diesem Marktsegment auch bis auf weiteres nicht mehr mitspielen wollen. So viel hat Jim jetzt auch begriffen.


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