Gutes gab es auch (fast vergessen)
So, genug genölt. Es geht ja auch anders.
Es waren alles in allem auffallend und erfreulich unterschiedliche Arten von DV-Filmen vertreten; da gab es einen Film wie „Camel(s)“, der in Schwarz/weiß und zum Teil 10-15-minütigen Einstellungen auf entlarvende, um nicht zu sagen schmerzhafte Art und Weise (aber faszinierend und in Harmonie mit seiner Geschichte) einen lieblosen One-night-stand beobachtet. Ganz anders der finnische Film „On the road to Emmaus“ (der sich auch als auf DV-gedreht entpuppte), in dem auf äußerst bizarre Art und Weise die Läuterung eines Unsympathlings quasi in Echtzeit vorgespielt wird, unter häufiger direkter Bezugnahme auf Drehbuch und Regieanweisungen. Obwohl die Ästhetik eine ganz andere ist als in „Camel(s)“, und die Kamera viel bewegter, sind die Einstellungen jedoch ähnlich lang. (Es wurde überhaupt recht wenig geschnitten, dieses Jahr.)
Auch die dokumentarischen Filme waren sehr unterschiedlich: es liegen filmische Welten zwischen der 5-stündigen Dokumentation „Tiexi District“ über den Niedergang eines chinesischen Industriegebiets und beispielsweise „Wa n’wina“, dem sehr persönlichen Portrait einer südafrikanischen Nachbarschaft. Beide Filme jedoch demonstrieren jeder auf seine Art, welche wunderbaren Sachen DV möglich macht. Auch "Railroad of Hope" verdient an dieser Stelle Erwähnung.
„Give me the Camera, I’m the director!“
Bemerkenswert ist schließlich die Präsenz der Metaebene in vielen der DV-Filmen: Obwohl meistens betont wird, daß die kleinen Camcorder bei Drehs praktisch verschwinden, nicht auffallen, ist oft das Gegenteil der Fall. Die Kamera wird statt dessen zum Requisit, zum Mittelpunkt der Geschehnisse. Mit ihr wird der Filmende zum Mitwirkenden, statt nur Beobachter zu sein. Die Kamera beeinflusst auf eindeutige Weise das, was sie aufzeichnen will. Ganz extrem sieht man das zum Beispiel in „August“ („Wird aus der kleinen Kassette da später eine Große?“ fragt ein Mann auf der Straße), aber auch in „Wa n’wina“ wird immer wieder auf Kamera Bezug genommen. Ein klassischer Fall von Verfremdung, von Illusionsbruch, was es natürlich schon immer gegeben hat. Und doch scheinen die kleinen Camcorder mit ihren Displays, die schrumpfende Crew und die intimen Situationen besonders häufig solche Situationen zu provozieren. Die Grenzen zwischen dem, was abgebildet wird, und dem Vorgang des Abbildens selbst weichen auf.
Übrigens haben wir uns, dank dieser zuletzt beschriebenen Filme, mit DV an sich wieder versöhnt, sodaß wir slashcamVideoX doch nicht auf Super8-Filmmaking umstellen werden. Schließlich kann man einem Format nicht vorwerfen, was mit ihm gemacht wird.
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