Newsmeldung von slashCAM:Automavision: Computer als DoP von heidi - 17 Jan 2009 14:04:00
Mit etwa 2 Jahren Verspätung hat Triers Komödie "The boss of it all" doch noch einen Verleih in Deutschland gefunden. Der Plot ist irgendwo zwischen The Office und Remington Steele angesiedelt, und mit reichlich Brechtscher Verfremdung versehen. Das wirklich Besondere an dem Film ist jedoch die Kameraführung -- denn als DoP wird ein System namens Automavision gecredited: Anstelle eines Kameramanns hat Trier einen Computer die Shots framen lassen, und zwar per Zufall, ohne Bilderkennung oder ähnliches, im Gegenteil, es wurde sogar auf 35mm gedreht (und dabei ein neuer dänischer Rekord an Filmmaterialverbrauch aufgestellt). Er wolle entweder volle Kontrolle oder gar keine, meint von Trier, außerdem hätten die Schauspieler auf diese Weise keine Anhaltspunkte, wie sie im Bild positioniert seien und könnten sich somit nicht immer "von ihrer besten Seite zeigen".
Aber etwas Kontrolle gab es natürlich doch. Genauer gesagt liefen die Dreharbeiten so ab, daß von Trier die Szenen aufgelöst, also die grundsätzliche Kameraposition für einen Take festgelegt hat, woraufhin -- ausgehend von dieser ersten, konventionellen Kameraausrichtung -- ein Computer diverse Parameter (Tilt / Pan, Brennweite, Blende, horizontale and vertikale Position) innerhalb vorgegebener Wertebereiche zufallsweise veränderte. Diese wurden dann anscheinend per Hand an der Kamera bzw. am Dolly, auf dem sie platziert war, eingestellt; genaueres zum Dreh-Setup läßt sich
diesem ausführlichen Artikel in einer dänischen Fachzeitschrift entnehmen (per Google Translation). Danach wurde der Bildauschnitt nochmal kontrolliert. War er ok, wurde er übernommen, wenn nicht, wurde die Zufallsfunktion wiederholt, bis ein passables Bild herauskam. Das konnte anscheinend auch mal ein paar Stunden dauern, aber dafür erübrigten sich stundenlange Diskussionen darüber, wo die Kamera platziert werden sollte...
Nun versteht sich von selbst, daß mit Rohmaterial wie diesem kein unsichtbarerer Schnitt gemacht werden kann und so hagelt es beispielsweise Jump Cuts im Film. Da der Computer auch Anweisungen für die Tonpegelung und die Belichtung gab, und in der Postpro bis auf einen einfachen Schnitt nichts am Material verändert wurde, sind da zT auch sehr deutliche Übergänge zu hören bzw zu sehen. Auch in Sachen Blickführung ist der Zuschauer auf sich gestellt, wird doch im Normalfall durch die bewußte Kadrierung der Blick des Betrachters zu den "wichtigen" Bildteilen geleitet -- hier Fehlanzeige.
Ein paar kommentierte Stills aus dem Film sind in
David Bordwells Blog zu sehen, und
hier ist ein Bericht vom Guardian zu lesen. Der Link unten führt zur dänischen Filmseite (auf englisch). Der deutsche Kinostart war am 15.1.
Dies ist ein automatisch generierter Eintrag
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Antwort von camworks:
was für ein schwachsinn. aber es soll ja auch "künstler" geben, die ihre kacke in dosen füllen und diese dann ausgestellen.
Antwort von Marco:
Selbst das hat ja noch mehr Esprit als dieser Geistesblitz von von Trier ...
Marco
Antwort von Bertholt4:
Lars von Trier ist einfach genial, außerdem zeigt er wie unwichtig zum Teil die Technik ist, wenn Idee und Schauspiel stimmen!
Ich hasse es, wenn am Set irgendwelche Kameratypen oder Beleuchter alles aufhalten, weil sie denken irgendwas ginge nicht und dann bauen sie ihre Durchschnittsbilder mit ihrem langweiligen Durchschnittslicht - da ist von Trier doch mal richtig frisch. Ich bin froh, dass es solche Leute gibt
Natürlich gibt es auch einige Filme, wo wirklich eine Idee hinter dem Formellen steht (z.B. Antonioni oder Tarkowsky), aber meistens doch leider nicht.
Antwort von Axel:
Immerhin werden die einzelnen Takes noch nach Verwendbarkeit (Kriterien? Die Schauspieler sind überhaupt im Frame?) sortiert, also hier ist hier wieder ein ordnender Geist am Werk.
Brecht"sche Verfremdung? Darüber habe ich mal ein Germanistik-Referat gehalten. Hier geht es darum, den Zuschauer nicht in die Inszenierung hineinzuziehen, sondern eine Distanz aufzubauen, damit sein Urteilsvermögen nicht beeinträchtigt wird. Als Gegenentwurf zum völlig abgeschmackten Hollywood Schema F bestimmt interessant. Etwas Theatralisches haben alle Trier-Filme.
Wie wäre es denn mal mit einem Shuffle-
Schnitt? Der Zuschauer müsste selbst sehen, wo bei dem Plot vorne und hinten ist, weil der Computer aufs Geratewohl Szenen durcheinandermischt. Bestimmt anstrengend, aber einen Versuch wert.
Antwort von camworks:
bin dagegen. ;-)
aber egal was man für einen schwachsinn macht, es gibt sicher jemanden auf der welt, der das innovativ und klasse findet.
Antwort von blip:
Wie wäre es denn mal mit einem Shuffle-
Schnitt? Der Zuschauer müsste selbst sehen, wo bei dem Plot vorne und hinten ist, weil der Computer aufs Geratewohl Szenen durcheinandermischt. Bestimmt anstrengend, aber einen Versuch wert.
Haben sie tatsächlich auch versucht, aber es ließ sich keine mathematische Formel finden, die eine einigermaßen sinnvolle Schnittfassung ergeben hätte -- daher doch mit Cutter :-)
Antwort von MarcBallhaus:
Einfalt ist der Abfall des Einfalls.
Antwort von DWUA:
Zumindest für Voyeure interessanter wären Kameras mit Nickfunktion,
auf selbsttätigen Staubsaugern montiert, die zwischen den Schuhen
beim Wiener Hofball polieren. Besser sind leistungsfähige Kakerlaken.
;)
Das
Lars Holbaek Trier - Projekt ist halbherzig.
Nicht Fisch-nicht Fleisch;
halb Maschine-halb Mensch; nichts Halbes-nichts Ganzes.
(Passt zu seinem Bayreuther "Ring-Auftritt" 04/06).
Mag sein, dass dies eine späte Aufarbeitung einer seiner Phobien
im Kindesalter (Kontrollzwang) ist.
Trost für alle Bedenkenträger:
Kunst? Knallerbse, wie so viele andere auch...
Sparfüchse? Resteverwertung der übrigen 35 mm-Kilometer möglich...
Kritische Form? A New Movement? No, it is NOT an Ismn...
;))
Antwort von jogol:
Hat eigentlich irgendwer hier den Film schon gesehen,oder sind das alles Ferndiagnosen?
Antwort von camworks:
gegenfrage: was unterscheidet den film - nachdem wir erklärt bekommen haben, daß das ganze eher zufällig eingerichtet wird - von einem der üblichen youtube-amateurvideos á la "grup tekkan"? da ist auch eher alles vom zufall bestimmt, ob absichtlich oder unabsichtlich, spielt beim ergebnis keine rolle. wie heißt es so schön: "wichtig ist, was hinten rauskommt!"
Antwort von jogol:
gegenfrage: was unterscheidet den film - nachdem wir erklärt bekommen haben, daß das ganze eher zufällig eingerichtet wird - von einem der üblichen youtube-amateurvideos á la "grup tekkan"?
Um das beurteilen zu können , sollte man den Film gesehen haben.
Antwort von DWUA:
@ jogol
Im Beitrag von
heidi von
slashcam geht es um
eine Methode der Kameraführung. "Automavision".
Wenn du den Film hast, kommen wir alle sehr gerne
zu dir, um Nahdiagnosen zu treffen.
;))
Antwort von camworks:
Um das beurteilen zu können , sollte man den Film gesehen haben.
ich muß meine hand nicht auf eine glühende herdplatte legen, um zu erkennen, daß mir das weh tun wird.
und innovativ ist das nicht, so hat das filmemachen nämlich angefangen - vor 100 jahren ungefähr. erst wurde in einer einstellung durchgedreht und als nächste stufe wurden auch die einstellungen nur aneinandergeklebt. seit eisenstein und konsorten versucht man, schnitte und anschlüsse so unsichtbar zu machen wie möglich, damit der zuschauer sich der story widmet und nicht von störenden schnitten und bild- und tonsprüngen abgelenkt wird.
Antwort von Axel:
Das Problem bei solchen Filmen ist, dass sie künstliche Schikanen aufbauen, um den Zuschauer zu befremden, während der Film, wie "wir" ihn lieben, künstlichen Schleim generiert, in dem wir uns suhlen können. Bei der Vorführung von
Dancer In The Dark gab es von Beschwerden über Übelkeit (wegen der Wackelei) bis hin zur Androhung von Klagen wegen Körperverletzung alles. Vergessen wir dabei aber nicht, dass ein Zuschauer der 30er Jahre, hätte er viele heute wegen der "gewagten" Anwendung der Stilmittel von der Masse als "genial" eingestuften Kultfilme sehen können, ähnlich befremdet gewesen wäre. Jede Sprache entwickelt sich weiter durch Regelbrüche, und diese sind dann "ihrer Zeit voraus". Selbstzweck? Teilweise vielleicht. Zumindest eher intellektuelle Spielerei als Ausdruck irgendeiner Haltung, geschweige denn einer Empfindung.
Antwort von jogol:
@ jogol
Im Beitrag von
heidi von
slashcam geht es um
eine Methode der Kameraführung. "Automavision".
Camworks schreibt:
was für ein schwachsinn. aber es soll ja auch "künstler" geben, die ihre kacke in dosen füllen und diese dann ausgestellen.
Na dann...
Antwort von DWUA:
Axel,
mit "... Ausdruck irgendeiner Haltung"... bewegt man sich bereits im OT.
Schön! Noch mehr OT hier:
Z.B.:
www.ubu.com/film/kirk.html
;))
p.s.
Sorry, heidi...
Antwort von camworks:
Camworks schreibt:
was für ein schwachsinn. aber es soll ja auch "künstler" geben, die ihre kacke in dosen füllen und diese dann ausstellen.
Na dann...
glaubst du nicht? dann lies das: http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCnstlerschei%C3%9Fe
Antwort von jogol:
glaubst du nicht?
Doch, glaub ich.Mir geht nur der Vergleich auf den Keks.Beuys Fettobjekte bringen die Konservatoren in den Museen zum schwitzen,Stockhausen befeuert Kirchenorgeln mit Staubsaugermotoren,Cage schreibt Stücke die nur aus Pausen bestehen,das unübersetzbare "Finnegans Wake" von James Joyce ist in zig Sprachen übersetzt.Unabhängig davon, ob mir das alles gefällt oder nicht, glaube ich das Kunst Grenzen ausloten und überschreiten muss, damit sie nicht zum dekorativen Kunsthandwerk verkommt.
Antwort von DWUA:
Dein Rundumschlag ist berechtigt.
(Von deiner Rotationsachse aus gesehen).
;)
Antwort von camworks:
eigentlich hatte ich einen langen text geschrieben, aber notebooktastaturen haben offensichtlich ein eigenleben. :-(
da ich keine lust habe, das alles nochmal zu formulieren, beschränke ich mich auf einen satz: "so hat eben jeder seine meinung."