![]() | Béatrice Ottersbach Filmschnitt-Bekenntnisse
Verlag: UVK Verlagsgesellschaft mbH brochiert - 294 Seiten Sprache: Deutsch Erschienen: Juli 2009 ISBN: 3867641382 Preis: 24,90 Euro Die vorgestellten Cutter sind: Thomas Balkenhol (»Verstrahlt und vergessen – Tschernobyl«), Monika Bednarz-Rauschenbach (»Die Manns«), Hans Beller (»Bilder des Jahrhunderts – Jahrhundert der Bilder«), Bettina Böhler (»Yella«), Mathilde Bonnefoy (»The International«), Jörg Hauschild (»Sommer vorm Balkon«), Benjamin Hembus (»Drei Chinesen mit dem Kontrabass«), Barbara Hennings (»Aimée und Jaguar«), Ursula Höf (»Gloomy Sunday«), Stephan Krumbiegel (»Carola Stern – Doppelleben«), Gesa Marten (»Was lebst du?«), Karola Mittelstädt (»Der Verleger«), Karin Nowarra (»Venus Talking«), Peter Przygodda (»Don´t Come Knocking«), Patricia Rommel (»Das Leben der Anderen«), Uta Schmidt (»Vier Minuten«), Georg Söring (»Meine verrückte türkische Hochzeit«) und Gisela Zick (»Wege in die Nacht«). |
Siebzehn Cutter, denn so nennen sich die meisten von ihnen aus Gewohnheit oder in Ermangelung einer passenderen Bezeichnung, kommen in diesem Buch zu Wort, und dies -- das entbehrt nicht einer gewissen Ironie -- in alfabetischer Reihenfolge, also ohne eine inhaltliche Sortierung. Dabei stellt doch die Filmmontage gerade das Ordnen und Zusammenstellen von Teilen zu einem schlüssigen Ganzen dar. Mit "Filmschnittbekenntnisse" jedoch, in dem Gespräche mit oder Texte von den beteiligten Cuttern versammelt sind, bekommt der Leser sozusagen das Rohmaterial in die Hand, und kann bzw. muß während der Lektüre thematische Verknüpfungen zwischen den Textpassagen selbst herstellen. Je nach Interesse und Erfahrung wird dabei natürlich jeder seine Aufmerksamkeit auf andere Punkte richten in einem so vielstimmigen und -perspektivischen Buch; uns sind beispielsweise als wiederkehrende Themen vor allem Macht, Musik und Intuition aufgefallen.
So geht es immer wieder um die Rolle des Cutters im Verhältnis zum Regisseur. Wer entscheidet, was drin bleibt, was rausfliegt? Das letze Wort hat, das ist klar, die Regie, doch sind sich alle einig, daß, wenn die Bilder im Schnitt angelangt sind, der Blick des Cutters großes Gewicht haben sollte und auch meist hat. Denn dieser Blick ist frisch und unverstellt (im Gegensatz zu jenem des Regisseurs) und kann ohne Rücksicht auf Produktionsumstände und ähnliches oft klarer sehen, was eine Bildabfolge tatsächlich transportiert (an Sinn, an Emotion). Es gilt, wie es Mathilde Bonnefoy formuliert (die sich als Cutterin von "Lola rennt" einen Namen machte und uns schon im Film "Schnitt in Raum und Zeit" von Gabriele Voss durch ihre präzisen Beobachtungen auffiel), sich nicht beeindrucken zu lassen davon, wie gut alle anderen vor einem gearbeitet haben, und das Material in den Müll werfen, wenn es im Film nicht funktioniert. So scheint ein nicht allzu kleiner Teil des Arbeitsalltages im Schnittraum aus Diskussionen zu bestehen, da sich die wenigsten Regisseure bereitwillig von ihren hart erworbenen Bildern und festen Visionen trennen. Letztlich aber, und da sprechen alle mit einer Stimme, muß immer der Film im Mittelpunkt stehen.
Auch interessant ist, wie oft das Wort Intuition fällt. Der Schnitt aus dem Bauch heraus ist demnach eher die Regel als eine Ausnahme. "Man sollte keinen Schnitt machen, weil es einen verbal logischen Grund dafür gibt, sondern aufgrund eines Gefühls, daß dieser Schnitt gut sein könnte" (wieder Bonnefoy) -- dies dann aber nachher unbedingt mit Argumenten begründen können. Um so an das Material herangehen zu können, muß der Cutter sich intensiv mit ihm auseinandersetzen und ein eigenes Verhältnis zu den Bildern aufbauen. Entscheidend dabei, auch das Konsens, ist das erste Sichten, der erste Eindruck. Wie dieser jedoch zustande kommt (nach vorhergehendem Drehbuchlesen oder ohne, chronologisch, alleine oder zusammen mit der Regie ..) ist von Person und Projekt unterschiedlich.
Ein anderes Thema, das wie gesagt häufig angesprochen wird, ist die Musik (die allgemein von großer Bedeutung ist, nicht zuletzt als Inspiration), aber auch Digital- vs. Analogschnitt (ersteres ist in vieler Hinsicht einfacher aber stimuliert kaum die Phantasie) oder auch der Unterschied zwischen Spielfilm- und Dokumentarschnitt. Letzterer stellt oft eine große Herausforderung dar, und verlangt manchmal unkonventionelle Erzählhaltungen, wenn nicht alle nötigen Bilder vorhanden sind (Thomas Balkenhol). Trotzdem wichtig, laut Gesa Martens Kleines ABC der Dokumentarfilmmontage: B wie Bogen spannen, statt eine Kette zu reihen.
Es dürfte deutlich geworden sein: Eine Fülle an Informationen, Beobachtungen und Erfahrungen stecken in diesem Buch, wenngleich das ein oder andere Bekenntnis nach unserem Geschmack etwas allgemeingültiger bzw weniger persönlich hätte ausfallen können. Überhaupt geht es mehr um die Aufgaben, Bedingungen und Möglichkeiten des Filmschnitts, als um konkrete Regeln und Handgriffe. Gut hat uns gefallen, daß hier tatsächlich die Cutter im Zentrum stehen (und nicht die Herausgeber).
Fazit: Klare Empfehlung, nicht nur für jene, die mit dem Beruf liebäugeln...
PS. Zum erwähnten Film "Schnitte in Raum und Zeit" ist übrigens auch ein Gesprächsband verfügbar, interessanterweise sind nur wenige Cutetr in beiden Büchern vertreten.