
Bei dem Bild handelt es sich um ein Standbild* aus der Kino-Doku "Das Salz der Erde". Es ist ein filmisches Portrait und eine Werkschau des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, zusammen mit diesem verwirklicht von Wim Wenders. Ich sah den Film heute Mittag im Kino.
*(Womit der Film letztlich gedreht wurde, ist mir nicht ganz klar. Man sieht Salgados Sohn mit DSLR - Salgado: "Mein Sohn hat eine Videokamera" - , ob Wenders Film oder digital verwendet? Auf imdb steht's nicht. Jedenfalls ist das Postermotiv kein "Foto")
Die Kritik vorweg: Es ist ein packender und toll erzählter Film, meiner Meinung nach Wenders' bester und wahrscheinlich unter den drei besten Filmen der vergangenen zwölf Monate.
Der Film zeigt überwiegend die mehr als filmischen Fotos Salgados, und dieser kommentiert sie im Off, auf französisch mit deutschen Untertiteln. Als Appetizer ein Foto aus einer Reihe, die am Anfang des Films steht:

Es zeigt eine Goldmine in Brasilien. Tausende Arbeiter haben ein gigantisches Loch gegraben. Sie klettern hektisch auf provisorischen Holzleitern hinauf und hinunter. Würde einer abstürzen, risse er viele andere mit in den Abgrund.
Aber es stürzen wenige. Sind die Arbeiter Sklaven? fragt der studierte Wirtschaftswissenschaftler Salgado. Ja und nein. Sie werden nicht bezahlt, dürfen aber täglich einen Leinensack Abraum mitnehmen. Enthält er nur Lehmerde, ist das Pech. Enthält er ein Kilo Gold, sind sie gemachte Männer.
Was sagen diese Fotos über das Wesen des Menschen?
Leider, leider gibt der Film im Laufe der folgenden knapp zwei Stunden darauf Antworten, die für zarte Gemüter nicht leicht zu akzeptieren sind. Die Fotoserie ist aus Salgados Bildband "Workers" von 1986. Da hatte er, wie es später heißt, noch nicht "ins Herz der Finsternis" geblickt. Die Tiefenwirkung seiner Bilder führt uns noch ganz woanders hin als in beschauliche Landschaftsidyllen ...
Achtung, Spoiler.
Untenstehenden Absatz überspringen, falls ihr Überraschungen in Filmen schätzt!
Was Hungerkatastrophen, deren Zeuge Salgado war, nicht schafften, seinen Glauben an und seine Liebe zu Menschen zu erschüttern, das schaffte später Ruandas Genozid. Es gab schon vorher Bilder von Elend und Tod, die viele Zuschauer offenbar schon gehörig verstört haben. Aber in Ruanda ist es der nackte Irrsinn, der aus den Gesichtern der Sterbenden und Toten blickt, und Salgado sagt es im Off: Wir verdienen es nicht, zu leben!
Ab hier kein Spoiler mehr:
Neben vielen interessanten Reportagen aus vielen Teilen der Welt enthält der Film auch Lehrreiches für Bilderfans unseres Schlags. Salgado erklärt Wenders, wie man ein gutes Foto macht. Alle seine Fotos, ob von Menschen, Tieren oder Landschaften, sind letzten Endes Portraits. Er sucht nach dem typischen Ausdruck. Oft ist es ein zurückhaltendes, geduldiges Warten, bis das Gegenüber sich offenbart. Für diesen kurzen Moment muss man bereit sein und den Auslöser in diesem Sekundenbruchteil drücken. Nie hört man bei den Dreharbeiten das Tschi-tschi-tschi-tschi einer Serienaufnahme (man sieht ihn nur eine 1D benutzen, laut Wikipedia bevorzuge er Leicas, aber das waren vielleicht die analogen Zeiten).