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balken-schmal.

*Ulrike Koch, Sinologin und Dokumentarfilmerin, hat mit den Salzmännern von Tibet 1997 einen DV-Film gedreht, der Maßstäbe in Sachen Dokumentarfilmregie und DV-Bildqualität gesetzt hat. Ihr Bericht aus der Praxis eröffnet unterschiedliche Perspektiven auf das Pro und Contra von DV-Filmproduktionen.

Der Film "Die Salzmänner von Tibet" verdankt seine Existenz dem DV- Format, da sich die Dreherlaubnis vor Ort in beiden Drehphasen als ungültig erwies. Die Digitalkamera (VX-1000) eignete sich ausgezeichnet dazu, im Schatten der Bürokratie zu arbeiten; auch Touristen reisen mit einer Videotasche über der Schulter nach Tibet, wir fielen nicht auf. In der Folge hat dieser Aspekt der Produktion des Filmes in vielen Ländern zu Diskussionen und Seminaren geführt.

Unsere Arbeitsweise zielte auf die Herstellung eines epischen Dokumentarfilmes, in dem die Schönheit der Bilder auf der Kino- Leinwand eine wichtige Rolle spielen sollte. Ursprünglich war der Dreh auf Super 16 mit anschliessendem Blow-up auf 35mm geplant und demgemäss budgetiert worden.

Die Handhabung von DV war in diesem Sinne nicht experimentell sondern versuchte, trotz der Notlage den geplanten Film zu verwirklichen. Natürlich wusste ich zu dieser Zeit nicht, inwieweit das gelingen würde. Die initiative und hervorragende Arbeit des Kamera- mannes Pio Corradi und die erst kurz zuvor so weit entwickelte Faz- Technik führten zum bekannten Resultat auf 35 mm.

Während der Dreharbeiten erlaubten wir uns kaum das Visionieren des Materials, da wir nicht riskieren wollten, die Bänder durch Sand oder Staub zu beschädigen. Im Schneideraum staunte ich mit der Cutterin Magdolna Rokob über die Qualität der Bilder, die Pio Corradi speziell für die Eigenschaften der DV und für den vorgesehenen FAZ konzipiert hatte. Es gab keine überflüssige Einstellung, nur brauchbare Bilder. Bei unerwarteten Geschehnissen und Situationsgesprächen jedoch wurde das höhere Drehverhältnis zu einem Reichtum, beispielsweise für die Herausarbeitung der aus Original-Dialogen zusammengesetzten Textebene im Film. Und ein weiterer grosser Vorteil wurde sichtbar: die Nähe zu den Protagonisten, die sich sicher fühlten vor der unscheinbaren Kamera und dem einfühlsamen Kameramann, auch auf engstem Raum wie im Nomadenzelt. So konnte eine wichtige filmische Qualität entstehen, die beseelte Interaktion mit den Menschen vor der Kamera.

Unser Dreh mit MiniDV zielte von Anfang an auf die Übertragung des Materials auf Film. Aufgrund der Budgetierung konnte die Postproduktion und der Faz zu guten Bedingungen angegangen werden. Das beeindruckende Endresultat hat auch mit dem Engagement der Leute, die den Faz betreuten, zu tun: die Wahl des Bildformates 1:1,85, die optische Realisierung der Filmtitel direkt auf Film und andere Schritte der Filmaufzeichnung hatten ihre Heimat in einer filmischen Seh- und Denkweise, die die ausschliessliche Erfahrung mit Video nicht hervorbringen kann. Es ist die Frage, ob diese Qualität in der nächsten Generation noch zu finden sein wird.

Die gute Erfahrung, die ich mit "Die Salzmänner von Tibet" in bezug auf das Format machen konnte, wird auch meine weitere Arbeit bestimmen. Vor allem der Bereich der Postproduktion hat sich in der Zwischenzeit stark weiterentwickelt. Ich bin fasziniert und sehe die Möglichkeiten, dieses Werkzeug schöpferisch einzusetzen. Die Technologie scheint immer benutzerfreundlicher zu werden, verleiht zunehmend die Möglichkeit, selbständig und spielerisch mit diesen Medien umzugehen. Theoretisch kann ich jetzt meinen Film alleine machen, ich führe die Kamera und schneide zuhause an meinem Computer. Doch mir und vor allem dem Resultat meiner Arbeit wird dieses Netz an hoch professionellen, engagierten und künstlerischen Menschen, die ich zu Mitarbeitern gewinnen konnte, essentiell fehlen.

Wenn ich an der Schwelle eines neuen Projektes die Frage nach dem Format stelle, ist sie geknüpft an alle anderen Fragen, wie die der filmischen Sprache, der Drehbedingungen, etc. So werden wir beispielsweise Kameratests (MiniDV + Faz und Super 16) am neuen Motiv durchführen, um diese Entscheidung den spezifischen Voraussetzungen entsprechend zu fällen. Die Beziehung zwischen den formalen und inhaltlichen Qualitäten eines Werkes bleibt - für mich - jedes Mal wieder neu zu lösen. MiniDV besitzt für den Dokumentarfilmer unbestreitbare Qualitäten, längst vorausgeträumt zu Zeiten von "Cinéma vérité' oder "direct cinema'. Doch will es, genauso wie jedes andere Hilfsmittel, mit handwerklicher Kenntnis, einem klaren Konzept und kreativ eingesetzt werden. Die sogenannte digitale Revolution verknüpft und macht zugänglich, sie sei begrüsst. An uns ist es, sie schöpferisch zu nutzen.

©2001 ulrike koch
 

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