TomMarvolo, du hast dir richtig Gedanken gemacht, rennst nicht blind in etwas herein, und dein Auftreten ist schon recht selbstsicher. Das sind gute Grundlagen. Aber du hast dir eine Branche ausgesucht, in der du nicht zimperlich sein darfst.
Da du hier in einem Forum für bewegte audiovisuelle Medien fragst, denke ich mal, dass du bei Medien die Bereiche Foto ud Printmedien eher ausschließt.
Es gibt vielleicht noch einige Bereiche der Medienbranche, die du garnicht bedacht hast. Vielleicht findest du ja in solchen Bereichen etwas, das du noch interessanter findest.
Wenn ich jetzt Beispiele nenne, die regional stark auf Köln (hier wohne und arbeite ich) und München (hier kenne ich einige Leute, die dort branchen-nah wohnen/arbeiten) beschränkt sind... Liegt auch daran, dass Köln und Münche zwei große Medienstandorte sind.
- Bodenstation/Teleport:
Hier kann ich aus eigener Erfahrung berichten, hier arbeite ich hauptberuflich. In diesem Bereich hast du je nach Bodenstation mit Fernseh- und/oder Internetdiensten zu tun. Bodenstationen/Teleports machen Sende- und Empfangsbetrieb auf Satelliten oder für Kabelnetze und haben, wenn es um den Bereich Fernsehen geht, nicht selten auch ein Playout-Center. Es gibt dabei verschiedene Arten von Bodenstationen: Die Teleports der großen Satellitenbetreiber (in Europa sind die bekanntesten Beispiele SES Astra in Chateau de Betzdorf/Luxemburg, APS Astra Platform Services in Unterföhring, Eutelsat in Rambouillet/Frankreich und Intelsat in Fuchsstadt), Branchen-Dinos (die weltweit verteilten Niederlassungen von Globecast oder z.B. Teleports, die aus privatisierten Ex-Monopolisten hervorgingen, wie z.B. Media Broadcast, ehemals Post/Deutsche Telekom in Usingen), sendereigene Teleports/Playout-Center (RTL-Gruppe mit CBC und dem RTL-Teleport in Köln und München, WDR Langenberg) oder privat betriebene, das heißt ohne Investoren oder Aktien finanzierte, Teleports (Stellar in Hürth oder TVS in Bonn und Berlin). Außerdem gibt es noch Playout-Center ohne eigenen Teleport (z.B. Smartcast in Unterföhring, in strategischer Nachbarschaft zu APS) und Headends von Kabelbetreibern wie Unitymedia, wo die Satellitenzuführungen zu neuen Bouquets gebündelt ins lokale Kabelnetz eingespeist werden.
Kreativen Videoschnitt wirst du dort nicht brauchen. Eher ein fundiertes Studium (z.B. Nachrichtentechnik, in dem du sowohl elektrotechnische alsauch informationstechnische Grundlagen wie IP-Netzwerktechnik lernst - auch mit Mathematik aber weniger als beim Rechenknecht dem Informatiker), und wenn du mit TV-Diensten in Berührung kommst, wäre es auch ganz vorteilhaft, die Werte eines Waveforms und Vectorscopes interpretieren zu können, zu wissen, wie ein technischer Vorspann einer MAZ aussieht und wie die MAZ-Karte zu lesen ist, und wo man Senderlogos platzieren kann und wo man es lieber sein lässt (Stichwort Safe Areas).
Den Arbeitsalltag würde ich als abwechslungsreich bezeichnen, die Arbeitszeiten als weitestgehend (abgesehen von eventuellen Überstunden, aber die gibt es ja überall) geregelt. Allerdings musst du je nach Bereich in dem du tätig bist mit Schichtdienst oder Rufbereitschaft rechnen. In TV-lastigen Teleports können typische Aufgaben das Erweitern der Videotechnik, Erstellen von Playlisten für die Sendeabwicklung nach Vorgaben der Kunden, das Koordinieren von Liveschaltungen oder eben auch Troubleshooting sein. In IP-lastigen Teleports versorgst du die Welt mit Internet (neue Routen etablieren, Troubleshooting, etc.)
Programmredaktion/Produktmanager:
Passend dazu möchte ich, aber ohne tiefgreifendere eigene Erfahrung, auch Programmredaktion in den Raum werfen. Das heißt du erstellst das Programmschema und gibst es an die Sendeabwicklung (Playout-Center) weiter. Wichtig hier dürfte ein medienpsychologisches Studium sein, also einerseits zu verstehen, was viele Zuschauer sehen wollen, andererseits zu wissen, wie man noch mehr Zuschauern beibringt, was sie sehen wollen sollen, oder wie Werbung im Rahmen bestimmter Programme wirkt. Etwas BWL kann auch nicht schaden, um den Sender nicht mit überteuerten Sendelizenzen und zu billigen Werbefenstern in den Ruin zu treiben. Die kreative Ader ist hier aber, wenn auch in einem ganz andere Zusammenhang als Videoschnitt, klar erkennbar.
Ähnlich sieht es mit dem Berufsbild des Produktmanagers bei Publishern aus: Wissen, wie der Markt tickt, evtl. etwas Mut, auch in unbekanntere Inhalte zu investieren, abwägen, ob man sich von eigenen Präferenzen leiten lässt (würde Serie XYZ gerne noch mal sehen und bei Wunschliste.de steht die ganz weit oben - bist du und Wunschliste der Markt? Wenn ja, Big Deal, wenn nein, nahe am Karriere-Aus), und neben den wirtschaftlichen Abwägungen, welche Inhalte sich lohnen, kommt auch künstlerische und technische Beurteilung der Abnahme-DVDs (Gestaltung des Menüs, Bild-/Tonqualität) dazu.
Programmredakteure und Produktmanager sind meistens wenigstens schon mal fest eingestellt, ich glaube von Beamten-Arbeitszeiten können sie auch nur träumen.
Postproduction (im weitesten Sinne)
Der Bereich Postproduction, etwas, das ich als Nebengewerbe treibe, ist, wenn du nicht gerade in einer Gesamtproduktion tätig bist, eher ein Job für Selbstständige und Freelancer, die alleine oder mit wenigen Angestellten auf Rechnung arbeiten.
Einen Einstieg zu finden, gleich mit genug Kunden, es hauptberuflich machen zu können, dürfte ohne das nötige Vitamin B (schon im Vorfeld gepflegte Kontakte) nicht möglich sein. Außerdem fallen hier erst mal recht hohe Investitionen an. Ob du mit Magix Video Deluxe Ergebnisse erzielst, die deinen Kunden zufriedenstellen, ist äußerst fragwürdig (da gab es ja die schöne Diskussion um "was ist professionell" in einem Parallel-Forum hier). Klar, da man in der Regel eh nicht mit hundert Transistions arbeitet, macht der Cutter das Video und nicht die Software. Aber ohne SDI-Integration zum Einspielen von Rohmaterial von Digibeta, sowie eine objektive Kontrolle der Farben (auch Einhaltung des broadcast-sicheren Farbbereiches) per Waveform und Vectorscope geht nun mal nicht viel. Out of Range Farben oder schlecht eingepegelter Ton sind unprofessionell, egal wie gut das Video geschnitten und arrangiert ist. Deshalb entscheiden sich viele für den Einstieg für Vegas Pro oder Premiere CS in Kombination mit einer Aja oder Decklink-Karte, Final Cut Pro, ebenfalls mit Aja oder Decklink am Mac, oder ein Edius Hard/Software-Bundle für den preisgünstigen Einstieg. Langfristig wirst du je nach Kunde (z.B. wenn er Austauschbarkeit der Projektdateien wünscht) nicht um After Effects sowie ein wirklich ernstzunehmendes Schnittsystem (z.B. Media Composer oder Velocity) drumherum kommen (für den Einstieg und in der Regel auch für die ernsthafte Arbeit, sind Vegas, Premiere, Edius und Final Cut aber auch sehr gut). Rohmaterial wird häufig noch auf Band oder manchmal auch Disc angeliefert, also plane Kosten für eine gekaufte oder regelmäßig gemietete Digibeta oder mittlerweile auch XDCAM Professional Disc oder HDCAM (SR) ein.
Kreativ wirst du dich hier sehr wohl fühlen beim Schneiden von Videos und beim Zusammenpinseln von DVD-Menüs. Für den Kenntnisstand würde ich sagen, man muss nicht Kunst studiert haben, um tolle Gemälde zu malen, aber es hilft ungemein, und so ist es auch hier: Die Kreativität kommt von dir und hebt dich vom studierten aber völlig ideenlosen Akademiker ab - aber ohne Studium kennst fehlen dir einige "schnittpsychologische" Kniffe.
Höchstwahrscheinlich siehst du dich auch mit einigen sehr schlechten Quellmaterialien konforntiert, die regelrecht nach Filterung schreien. Das ist, neben der Verarbeitung von allen nur erdenklichen Quellformaten, mein Steckenpferd. Auch hier gilt: Man muss nicht Nachrichtentechnik studiert haben, um einen Filter einzustellen - aber es hilft ungemein. Und das hebt mich in dem Bereich halt positiv von den Mitbewerbern ab: Du musst deinen Gegner kennen, um ihn zu besiegen, und ich kenne die signaltheoretischen Eigenschaften von Rauschen, Schärfe/Unschärfe, Bewegungsschlieren, und was vor oder nach einer Rauschfilterung noch alles das Video ruinieren kann. Deshalb kann ich auch viel effizienter gegen Rauschen angehen, als jemand, der zwar (dank langer Ausprobier-Erfahrung) weiß, wie ein Filter wirkt, aber nicht, warum.
Fakten sind: Festeinstellungen in dem Segment sind selten, hier wird meist auf Rechnung gearbeitet. Freizeit hast du dann, wenn keine Aufträge da sind, und die solltest du zur Kundenakquise nutzen. Wer selbstständig ist, arbeitet erstens selbst, und zweitens ständig. Deinen Kunden interessiert es nicht, ob du schon vor einem halben Jahr für nächste Woche zwei Wochen Malediven gebucht hast. Außerdem ist dieser Markt schon sehr hart umkämpft, teilweise von richtig guten Leuten, aber teilweise auch von Scharlatanen, die alles über den Preis machen. Werbung muss auffallen, damit sie nicht zusammen mit dem DVD-Rekorder-Heim-Kopierdienst für 2 Euro pro Stunde (der natürlich seine professionelle Qualität auch DVD-Publishern und Fernsehsendern anbietet) in der Rundablage landet.
Am besten ist, du konzentriest dich auf deine Stärken. Ja, ich könnte eine DVW-790 schultern und damit filmend durch die Gegend rennen, mit dem Ergebnis sähe ich mich aber ganz schnell Plagiatsvorwürfen von den Machern von Blair Witch Project gegenübergestellt. Ja, ich könnte meine Fähigkeiten als Kameramann verbessern. Nein, ich habe es nicht vor, weil ich darin nie so gut werden würde, wie in meinen Spezialgebieten Signalaufbereitung (Filterung, Upscaling, Encoding - Vorteil Studium), Videoschnitt (es liegt mir einfach im Blut) und DVD-Menüs (Dito). Deshalb, wenn du vorhast, sowas nebenher oder hauptberuflich zu machen, lote aus, was du besonders gut kannst, und scheue nicht, Sachen, für die du keine Zeit hast, oder für die dir das Knowhow fehlt, an einen Konkurrenten, bei dem du dich sicher fühlst, weiterzugeben. Ein anderer Konkurrent wird dir später sicher was anderes zuspielen, was eher deinem als seinem Know-How entspricht oder für das er keine Zeit hat.
Produktion:
Alternativ, Studios, die von vorne bis hinten produzieren, stellen auch schon mal fest ein, arbeiten aber auch häufig mit Freelancern. Ein alter Klassenkamerad von mir hat es in einer Produktionsgesellschaft mit Umweg über Stuntman in die Postproduction/Visual-FX geschafft. Mit etwas Glück schaffst du es vielleicht sogar fest nach Köln-Bocklemünd oder nach Düsseldorf zum WDR (je nach Studiokomplex Serien oder Nachrichten), nach Hürth zu Action Concept (Action-Filme und Serien) oder nach Köln Ossendorf oder Hürth zu Magic Media Company oder Nobeo (jeweils Shows, Außenaufnahmen mit OB-Vans und Ähnliches). Dafür solltest du allerdings neben Talent (Arbeitsproben!) eine gute Ausbildung (vielleicht sogar dort gemacht) oder ein entsprechendes Studium (da ich mehr aus der technischen Seite komme, kann ich dir dazu weniger sagen) in der Tasche haben.
Synchron:
Hier ist Bild nur Beiwerk um zu wissen, wann man sprechen muss, dafür muss der Ton absolut sauber sein, lippensynchron angelegt oder je nach Film und Situation mit Effekten verfremded werden. Falls dich das aber reizen könnte, schau dich an den wichtigen Synchron-Standorten München und (unter den Münchenern eher verpöhnt) Berlin mal um, ob du irgendwo ein Praktikum nach Möglichkeit mit anschließender Ausbildung als Cutter oder Tonmeister machen kannst. Wenn du so kreativ übersetzt, wie du schneidest, vielleicht auch in der Übersetzung für die Dialogbücher, wo deine (in allen Berufsbildern ohnehin sehr wichtige) englische Sprachkenntnis hervorstechen würde. Synchronregie ist eher was für Sprecher, die ja eher eine schauspielerische Ausbildung haben.
Studioausstattung:
Das ist wieder etwas technischer, aber vielleicht ist es auch reizvoll, Studios mit Kameras, Monitoring-Systemen wie Multiviewern (z.B. zur Senderüberwachung), MAZen, Schnittsystemen oder Blueboxen/Virtual Studios auszustatten. Dann solltest du dich mal bei Broadcast-Ausstattern wie Wellen&Noethen in Köln oder Berlin, Logic Media Solutions in Bickenbach, Vietex in Köln, Teltec in Wiesbaden oder Berlin oder BPM in Berlin nach entsprechenden Ausbildungsplätzen umschauen (ohne Gewähr, ob die genannten Betriebe ausbilden, aber sie sind die wichtigen Branchengrößen). Selbst eine Schreinerlehre kann da helfen, schließlich müssen die Möbel für die Bildregie oder den OB-Van ja auch von irgendwem gebaut werden - maßgeschneidert auf Raum/Fahrzeug und Bedürfnisse. Aber den handwerklichen Bereich hast du ja für dich (und ich für mich auch) eher ausgeschlossen.
Kleine Anekdote noch zum Schluss, es gibt auch interessante Zufallsprodukte. Die Medieningenieure (eher technischer Medien-Studiengang: Optik wie Linsen und Hologramme, Signaltheorie im Fernsehbereich) der FH Köln haben mal mit den Architekten zusammen ein Hologramm-basiertes Lichtlenksystem entwickelt, eine Folie, die feine holografische Strukturen (keine 3D-Bildchen, sondern einfache Quadrat- oder Waben-Muster) enthält und damit das Licht leitet. Ziel sollte sein, das Licht, welches normal gerade einfällt und am Schreibtisch blendet, nach oben an die Decke zu lenken und als passive Beleuchtung zu nutzen. Für große Flächen war das aber zu teuer. Mittlerweile verkauft sich diese Folie, zwischen speziell entspiegelte Glasplatten geklebt, unter dem Markennamen Holopro, an Banken, Fernsehstudios, alle, die Bedarf nach speziellem Look haben. Der Witz an Holopro ist: Du hast eine Glasscheibe, die, bis auf ein leichtes Regenbogenmuster an den Rändern der einzigen Hologrammstrukturen, absolut durchsichtig ist. Leuchtest du sie in einem sehr steilen Winkel mit einem Beamer an, ist sie auf der gleichen Seite des Beamers immer noch transparent, auf der anderen Seite siehst du das projizierte Bild, wenn auch leicht durchsichtig. Für Banken ist es toll, da der Bankberater (sitzt mit dem Beamer auf der gleichen Seite) ins Foyer gucken kann, während der Kunde bei hellen Bildern kaum bis garkeinen Durchblick durch die Scheibe richtung Berater und Beratungsgespräch hat und nur die Werbung sieht. Und im Fernsehstudio ist es der Traum eines jeden Beleuchters, da er den Moderator voll ausleuchten kann, ohne sich um Spiegelungen auf einem LCD oder Plasma TV kümmern zu müssen, denn für Scheinwerferlicht aus allen Richtungen ist das entspiegelte Glas 1:1 durchlässig und immun, nur das vom Beamer projizierte Licht (aus einem Winkel von ca. 30° wahlweise von unten oder von oben) wird von der Scheibe zu einem Bild umgesetzt. Was deine Frage angeht, vielleicht eher off-topic, es soll dir aber zeigen, wie breit das Spektrum ist, wenn wir von Medientechnik oder Mediendienstleistungen reden.
Ich hoffe, ich hab dich mehr inspiriert als überfrachtet.