Ich glaub es wird Zeit sich mal von ein paar Paradigmen zu verabschieden.
1. "Die Farben die ich am Set gesehen habe"
Einen Scheißdreck hast du gesehen. Die "Autokorrektur" in deinem Hirn hat alle Farben für dich angepasst, nix von dem was du glaubst gesehen zu haben, hat irgendwas mit den tatsächlichen Farben am Set zu tun.
Deshalb auch der Drang zur Farbkorrektur, wenn das Gesehengeglaubte nicht mit dem übereinstimmt was uns der Monitor später zeigt.
2. Memory Colors
Es gibt nicht ohne Grund seitenlange Abhandlungen über Memory Colors. Memory Colors sind die Farben die wir sehen wollen, nicht die Farben welche die Kamera aufgenommen hat. Das betrifft ganz besonders Hauttöne. Deshalb haben Chemiker und Ingenieure seit zig Jahrzehnten darauf hin gearbeitet, daß Filmmaterial und Colorscience genau das machen. Nur weil man heute raw weißgottwohin drehen kann, hat sich die menschliche Psyche dahingehend nicht geändert. Was glaubst du warum alle immer "Filmlook" LUTs benutzen - weil Film das halt schon seit ner ganzen Weile - quasi out of the box - kann. Hauttöne werden fokussiert, konzentriert, vereinheitlicht, angeglichen und reduziert wiedergegeben.
https://www.tobiamontanari.com/memory-c ... colorists/
https://prolost.com/blog/2010/2/15/memory-colors.html
3. Hört auf in ENG Kategorien zu denken, wenn ihr eigentlich eine Geschichte erzählen wollt.
Die Diskussion hier ist meistens von ENG/Fernseh-Magazin-Beitrag Denken geprägt, wenn ständig über "echte/realistische" oder "natürliche" Farben gesprochen wird.
Sowas hat in einem Film nix zu suchen.
ENG is geprägt davon möglichst viel von der "Realität" zu zeigen, während ein Film gezielt möglichst viel von der Realität ausblendet, um die Geschichte möglichst immersiv zu erzählen.
ENG ist Generalisierung, Film ist Abstraktion
Hyperscharfes super-High-Res Panorama Foto vs. impressionistisches Gemälde.
Weitwinkel vs selektives Framing.
Tiefenschärfe bis zum Horizont vs selektivem Focus.
Dazu gehört (unter anderem) auch eine deutlich reduzierte Farbpalette.
Film ist immer ein Konzentrat der Realität, wo alles eingedampft und intensiviert ist, da die Bilder sonst trivial wirken (und halt dann überhaupt nicht wirken).
Das Streben nach "realistisch-natürlichen" Bildern beschädigt jeden Film.
Sie wirken blass, karaftlos und trivial - Film muß "bigger than life" sein, sonst funktioniert er nicht als emotional-immersives Vehikel zum Erzählen von Geschichten.
Das wissen (oder spüren) die meisten ja auch bewußt oder unbewußt - sonst wären ja alle mit rec709 aus der Kamera happy, und kein Mensch würde Zeit und Geld in Film LUTs stecken.