carstenkurz hat geschrieben: ↑Sa 09 Feb, 2019 18:20
Die Besucherzahlen hierzulande hängen im Übrigen auch nicht maßgeblich von deutschen Produktionen ab, so sehr man die natürlich gerne auch darunter hätte.
Mit den gegenwärtigen Förderstrukturen kann meist nur Schmonz produziert werden. Um das zu verstehen lohnt es sich, die langjährigen brancheninternen Debatten zu verfolgen, geführt von Produzenten, die am hiesigen System verzweifeln. Das System Filmförderung mit seinen Erfordernissen Sender- und Verleihbeteiligung ist ein einziges Qualitätsverhinderungsinstrument. Wir kommen weder an den Sendern vorbei, noch möchten Verleiher Minimumgarantien auszahlen, wenn die zu erwartenden Zuschauerzahlen so ungünstig sind. Es gibt Big Player wie die Constantinfamilie, die zu fett im Boot sitzt, als dass sie übergangen werden könnte und diese Player räumen ab. Innovative klein- und mittelgroße Poduzenten haben es verdammt schwer gegen die Sender (und es geht leider nicht ohne sie) und deren Bedenken Stoffe zu entwickeln. Dabei sind die deutschen Nachwuchsfilmer international von Kurzfilm-Festivalerfolgen gekrönt, an den künstlerischen Ideen liegt es nicht. Es ist das Fördersystem, welches für das Mittelmass verantwortlich ist.
carstenkurz hat geschrieben: ↑Sa 09 Feb, 2019 18:20
In den letzten 20-30 Jahren haben auch andere europäische Länder hohe bis sehr hohe Besucherzahlen für die deutschen Kinos generiert. Die Engländer, die Franzosen. Auch deren Filmindustrie hat in 2018 wenig produziert, das hier eingeschlagen hat. Die produzieren also vermutlich auch alle nur zu kurze Filme in Tatort-Optik, gegängelt von TV-Redakteuren an grünen Fördertischen.
- Carsten
Die Franzosen bzw. deren Produktionsstrukturen haben es meist besser, denn sie werden weitgehend von TV-Redakteuren in Ruhe gelassen. Vielmehr besteht in Frankreich ein gesetzlicher Ankaufzwang für Sender und ein Kofinanzierungszwang der Sender für französische Produktionen. Im Grunde ist das französische System exakt spiegelverkehrt zum deutschen aufgestellt: Die Filmemacher und Produzenten entscheiden gemeinsam, die Sender und Förderungen müssen folgen. Das war lange Jahre ein Schlüsselfaktor für den französischen Erfolg.
Frankreich hat - wie IMHO gesamt Kontinentaleuropa - ein anderes Problem: Genormtes Storytelling. In den letzten Jahren ist auch in Frankreich der Einfluss der dafür verantwortlichen "Drehbuchgurus" gestiegen. Dies lässt sich wunderbar auf Festivals beobachten, wo diese Platzhirsche öffentlich subventioniert ihr Unwesen treiben und damit prahlen, bei welchen Filmen sie verschlimmbessert haben. Die meisten von diesen Ideenzersetzern haben selbst noch nie einen Film gemacht oder ein Drehbuch geschrieben. Meist können sie dafür ein oder mehrere Sachbücher vorweisen, worin exakt beschrieben wird, wie Drehbücher zu schreiben sind. Drehbuchgurus unterrichten jetzt auch an französischen Filmhochschulen wie der Femis, das war bis vor wenigen Jahren undenkbar, da dort immer die Autonomie der Filmemacher galt. In der Folge ähneln sich die europäischen Produktionen bei aller gewollter Unterschiedlichkeit immer mehr.
In den Nullerjahren war dies noch nicht so ausgeprägt und entsprechend besser waren die Filme. Jetzt gleichen sich die Binnenstrukturen der Stories und es wimmelt vor "over-development". In vielen Bundesländern schickt die jeweilige Landesfilmförderung Autoren verpflichtend zu "Developmentworkshops", wo den Filmstoffen erfolgreich die Originalität ausgetrieben wird. Freiwllig würde niemand solche Workshops belegen, wenn es per Subvention nicht vorgeschrieben wäre - auch ein europäisches Phänomen. Für mich ist dies ein entscheidender Grund, warum die rund 1000 jährlichen europäischen Kinoproduktionen im Querschnitt betrachtet so uninteressant sind.
Das Beste wäre: Schafft die Filmförderung ab, europaweit, und lasst endlich Innovation zu. Geld ist genug im Umlauf und vieles würde auch per Crowdfunding entstehen können. Unternehmerisches Risiko würde sich wieder lohnen, weil die künstlerischen Entscheidungen allein beim Filmhersteller lägen und weitaus weniger Unterbegabte mitreden dürften. Es gäbe dann jährlich vielleicht nur 250 statt 1000 europäische Kinoproduktionen, aber mit Sicherheit bessere und originellere.
Und wenn die Kinos dann ohne Subvention und nur vom Interesse der Zuschauer getragen bestehen können, nehme ich alles weiter oben Gesagte zurück.)